Bluff-Mister
„Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und
Lerren: Lier ist nichts, und da ist nichts. And
daraus mache ich jetzt die größte und stärkste
Rüstung der Welt."
Eine böse, dicke Dame
Von Io LannS Rösler
Wir kamen zu spät zum Programm. Das ist
schon so, wenn der Arlaub zu Ende geht und man
am letzten Tage noch allerhand zu besorgen hat.
Andererseits wollten wir uns nicht den berühm-
ten Vortragskünstler entgehen lassen, der hier
jeden Nachmittag im Nahmen eines Kabarettpro-
gramms auftrat. Als wir eintraten, waren alle
Tische besetzt. Nur an einem Tisch, unweit der
Bühne, saß eine einzelne, dicke Dame. Vier Stühle
standen um den Tisch. Die dicke Dame hatte
drei davon belegt. Auf einem Stuhl saß sie selbst,
auf dem zweiten lag ihre vornehme Landtasche
und drei vornehme Päckchen aus vornehmen Ge-
schäften, den dritten Stuhl aber bedeckte ein weiches
Kissen, und auf dem Kissen schlief ein vornehmes,
dickes, böses Lündchen. Der vierte Stuhl war
frei, stand aber hinter einer Säule.
„Gestatten Sie?" fragten wir höflich.
„Sie sehen doch — es ist alles besetzt!"
Der Kellner kam. Die Dame war ein Stamm-
gast. Wir merkten es sofort. Der Kellner schob
uns einen fünften Stuhl heran und zuckte be-
350
dauernd, hilflos die Schultern. Jetzt saßen wir beide hinter der Säule.
Von der Bühne sahen wir nichts.
„Gnädige Frau," begann mein Kamerad liebenswürdig, „würden
Sie so lieb sein und die Landtasche auf diesen Stuhl legen — den
süßen Lund schieben wir leise hinüber, damit er nicht aufwacht —
und wenn Sie dann noch so besonders liebenswürdig wären und
ein wenig zur Seite rückten — wir könnten dann auch etwas sehen,
gnädige Frau —"
Die dicke Dame warf uns einen bösen Blick zu.
„Wären Sie früher gekommen!" fauchte sie.
„Das wäre» wir gern, aber-*
„Das ist mein Stammplatz seit Jahren," fuhr die dicke, böse Dame,
ohne unsere Antwort abzuwarten, fort, „jede Woche sitze ich hier —
ich kenne jeden Platz im Laus — dort, wo Sie sitzen, sieht man nichts —"
„Eben deswegen. Da könnte man doch den Lund —"
Die böse, dicke Dame zeigte ihre roten Krallen.
„Rühren Sie meinen süßen kleinen Bellami nicht an! Was ist das für ein Benehmen!
Man kann heutzutage schon wirklich nicht mehr ausgehen, ohne belästigt zu werden!"
Wir sahen uns an. Wir brauchten keine Worte, um auszudrücken, was wir uns
dachten. Arlauber, auch wenn sie in Zivil sind und sich nicht von draußen kennen, verstehen
sich sofort. Darum war ich auch sofort bereit, de» Plan meines Kameraden zu unter-
stützen, der plötzlich ungeduldig auf die Ahr sah und verwundert fragte: „Wo nur
meine Leute heute so lange bleiben?"
„Nichtig! Sie müßten doch längst da sein," ergänzte ich.
Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
Aber ich merkte, er hatte etwas vor.
„Das wird heute wieder einen guten Fang geben," fuhr er fort und sah sich im
Saale um, „bei unserer Razzia haben wir gestern nachmittag in der Barberina fünfzehn
Frauen gefunden, die den ganzen Tag nichts arbeiten! Anglaublich, daß es das in der
heutigen Zeit noch gibt!" — „Labt ihr die Personalien dieser Damen festgestellt?"
Er winkte vergnügt ab.
„Nee — mit so zarten Landschuhen
arbeite» wir nicht — Personalien,
Telephonruf, kleine Verwarnung und
erhobener Zeigefinger — solche Luxus-
weibchen kommen sofort im Schub in
eine Schokoladenfabrik zur Arbeit."
Die Dame neben uns war blaß ge-
worden.— Ihr mächtiger, schätzungs-
weise dreißigjähriger Busen wogte
erregt auf und nieder. Sie sah uns
wiederholt von der Seite an, schien
eine Gelegenheit für gut Wetter zu
suchen,traute sich aber doch nicht recht.
„Da sind sie endlich!" rief mein
Kamerad plötzlich und gab ein Zeichen
zur Tür, in der kein Mensch stand, „sie
warten nur das Ende der Nummer
ab, dann wird der Saal gesperrt!"
„Wo fangt ihr an?" fragte ich
vergnügt.
„Immer bei meinem Tisch," ant-
wortete er, „ich gebe dann die Nicht-
linien aus meinen bisherigen Beob-
achtungen heraus."
Das war der bösen, dicken Dame
zu viel. Sie sprang auf, raffte ihre
vornehmen sieben Sachen an sich, riß
das Lündchen Bellami grob aus dem
Schlaf, warf uns einen kurzen, ängst-
lichen Blick zu und lief, so schnell sie
konnte, hinaus. Wir sahen sie von
weitem hastig ihre Garderobe verlan-
gen. Wir aber setzten uns vergnügt an
ihren Stuhl, stießen uns einmal schnell
unter dem Tisch lachend an und sahen
ein vorzügliches Kleinkunstprogramm
bis zu seinem frohen Ende.
Wieder etwas Tonnage gerettet!
ASA-Soldaten in England haben ihre
eigenen Müllkästen mitgebracht.
„Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und
Lerren: Lier ist nichts, und da ist nichts. And
daraus mache ich jetzt die größte und stärkste
Rüstung der Welt."
Eine böse, dicke Dame
Von Io LannS Rösler
Wir kamen zu spät zum Programm. Das ist
schon so, wenn der Arlaub zu Ende geht und man
am letzten Tage noch allerhand zu besorgen hat.
Andererseits wollten wir uns nicht den berühm-
ten Vortragskünstler entgehen lassen, der hier
jeden Nachmittag im Nahmen eines Kabarettpro-
gramms auftrat. Als wir eintraten, waren alle
Tische besetzt. Nur an einem Tisch, unweit der
Bühne, saß eine einzelne, dicke Dame. Vier Stühle
standen um den Tisch. Die dicke Dame hatte
drei davon belegt. Auf einem Stuhl saß sie selbst,
auf dem zweiten lag ihre vornehme Landtasche
und drei vornehme Päckchen aus vornehmen Ge-
schäften, den dritten Stuhl aber bedeckte ein weiches
Kissen, und auf dem Kissen schlief ein vornehmes,
dickes, böses Lündchen. Der vierte Stuhl war
frei, stand aber hinter einer Säule.
„Gestatten Sie?" fragten wir höflich.
„Sie sehen doch — es ist alles besetzt!"
Der Kellner kam. Die Dame war ein Stamm-
gast. Wir merkten es sofort. Der Kellner schob
uns einen fünften Stuhl heran und zuckte be-
350
dauernd, hilflos die Schultern. Jetzt saßen wir beide hinter der Säule.
Von der Bühne sahen wir nichts.
„Gnädige Frau," begann mein Kamerad liebenswürdig, „würden
Sie so lieb sein und die Landtasche auf diesen Stuhl legen — den
süßen Lund schieben wir leise hinüber, damit er nicht aufwacht —
und wenn Sie dann noch so besonders liebenswürdig wären und
ein wenig zur Seite rückten — wir könnten dann auch etwas sehen,
gnädige Frau —"
Die dicke Dame warf uns einen bösen Blick zu.
„Wären Sie früher gekommen!" fauchte sie.
„Das wäre» wir gern, aber-*
„Das ist mein Stammplatz seit Jahren," fuhr die dicke, böse Dame,
ohne unsere Antwort abzuwarten, fort, „jede Woche sitze ich hier —
ich kenne jeden Platz im Laus — dort, wo Sie sitzen, sieht man nichts —"
„Eben deswegen. Da könnte man doch den Lund —"
Die böse, dicke Dame zeigte ihre roten Krallen.
„Rühren Sie meinen süßen kleinen Bellami nicht an! Was ist das für ein Benehmen!
Man kann heutzutage schon wirklich nicht mehr ausgehen, ohne belästigt zu werden!"
Wir sahen uns an. Wir brauchten keine Worte, um auszudrücken, was wir uns
dachten. Arlauber, auch wenn sie in Zivil sind und sich nicht von draußen kennen, verstehen
sich sofort. Darum war ich auch sofort bereit, de» Plan meines Kameraden zu unter-
stützen, der plötzlich ungeduldig auf die Ahr sah und verwundert fragte: „Wo nur
meine Leute heute so lange bleiben?"
„Nichtig! Sie müßten doch längst da sein," ergänzte ich.
Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
Aber ich merkte, er hatte etwas vor.
„Das wird heute wieder einen guten Fang geben," fuhr er fort und sah sich im
Saale um, „bei unserer Razzia haben wir gestern nachmittag in der Barberina fünfzehn
Frauen gefunden, die den ganzen Tag nichts arbeiten! Anglaublich, daß es das in der
heutigen Zeit noch gibt!" — „Labt ihr die Personalien dieser Damen festgestellt?"
Er winkte vergnügt ab.
„Nee — mit so zarten Landschuhen
arbeite» wir nicht — Personalien,
Telephonruf, kleine Verwarnung und
erhobener Zeigefinger — solche Luxus-
weibchen kommen sofort im Schub in
eine Schokoladenfabrik zur Arbeit."
Die Dame neben uns war blaß ge-
worden.— Ihr mächtiger, schätzungs-
weise dreißigjähriger Busen wogte
erregt auf und nieder. Sie sah uns
wiederholt von der Seite an, schien
eine Gelegenheit für gut Wetter zu
suchen,traute sich aber doch nicht recht.
„Da sind sie endlich!" rief mein
Kamerad plötzlich und gab ein Zeichen
zur Tür, in der kein Mensch stand, „sie
warten nur das Ende der Nummer
ab, dann wird der Saal gesperrt!"
„Wo fangt ihr an?" fragte ich
vergnügt.
„Immer bei meinem Tisch," ant-
wortete er, „ich gebe dann die Nicht-
linien aus meinen bisherigen Beob-
achtungen heraus."
Das war der bösen, dicken Dame
zu viel. Sie sprang auf, raffte ihre
vornehmen sieben Sachen an sich, riß
das Lündchen Bellami grob aus dem
Schlaf, warf uns einen kurzen, ängst-
lichen Blick zu und lief, so schnell sie
konnte, hinaus. Wir sahen sie von
weitem hastig ihre Garderobe verlan-
gen. Wir aber setzten uns vergnügt an
ihren Stuhl, stießen uns einmal schnell
unter dem Tisch lachend an und sahen
ein vorzügliches Kleinkunstprogramm
bis zu seinem frohen Ende.
Wieder etwas Tonnage gerettet!
ASA-Soldaten in England haben ihre
eigenen Müllkästen mitgebracht.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bluff-Mister" "Wieder etwas Tonnage gerettet!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5079, S. 350
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg