o
u
Ä bis ß gleich ß bis A
Von Werner Granvtlle Schmidt
Profeffor Loppelpoppel, der große Mathematiker, fachsimpelt
auch gerne im Familienkreis; sehr zum Leidwesen seiner
jungen Frau, der die Wissenschaft der Zahlen zu „trocken" ist.
So neulich wieder,
als seine kleine Frau
sagt: „Ich hätte
gerne mal meine
Mutter besucht; aber
mir graut es immer
vor der Fahrt. Die
Hinfahrt geht noch;
da sieht man wenig-
stens die Landschaft;
aber die Rückfahrt,
während der Nacht,
kommt mir immer
doppeltsolangevor."
„Dennoch alles
nur Einbildung,
meine Liebe," ver-
weist Loppelpoppel
sie belehrend. „Die
Entfernung von A
nach B ist selbst-
verständlich gleich
der Entfernung
von B nach A. —
Das ist doch klar,
nicht wahr? —
Aebrigens, wenn du
die Fahrt scheust,
warum lädst du dann
nicht deine Mutter
ein, uns zu besuchen?
— Nicht zu lange
natürlich. Vielleicht
so von Weihnacht
bis Neujahr."
„Alter Egoist!"
denkt die junge Frau
entrüstet. „Andere
Schwiegermütter
kommen, Gott weiß,
wielangeaufBesuch;
meine Mutter soll
nach acht Tagen
wieder abreisen, nur
weil er in seiner häuslichen Bequemlichkeit nicht gestört sein möchte. —
Aber ich werde es schon durchsetzen, daß sie länger bleibt — und-
er soll mir dazu verhelfen!"
Als man nachher
gemütlich bei Tisch
fitzt, fängt die junge
Frau wieder an:
„Du, Emil, du sag-
test doch vorhin, die
Entfernung von A
nach B sei gleich
der Entfernung von
B nach A?"
„Selbstverständlich,
liebes Kind!"
„Dann kann man
die Buchstaben auch
durch andere Be-
griffe ersetzen, nicht
wahr, Emil? Ich
meine, zum Beispiel:
die Entfernung des
Federhalters vom
Tintenfaß ist gleich
der Entfernung des
Tintenfasses vom
Federhalter; oder
meinetwegen: die
Entfernung von
Ostern bis Pfingsten
ist gleich der Ent-
fernung von Pfing-
sten bis Ostern?"
„Natürlich, na-
türlich!" bestätigt
Loppelpoppel un-
geduldig. Diese
Art Fragestellung
kommt ihm reichlich
unnötig, um nicht zu
sagen kindisch vor.
Die junge Frau
aber sagt mit listigem
Lächeln: „Ich bin gar
nichtsoüberzeugtvon
derRichtigkeitdieses
Lehrsatzes, Emil."
„So ein kleiner Mann ist immer gleich verliebt bis über die Ohren."
„Ja, bei einem großen dauert es länger, weil die Ohren viel höher sitzen."
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Ä bis ß gleich ß bis A
Von Werner Granvtlle Schmidt
Profeffor Loppelpoppel, der große Mathematiker, fachsimpelt
auch gerne im Familienkreis; sehr zum Leidwesen seiner
jungen Frau, der die Wissenschaft der Zahlen zu „trocken" ist.
So neulich wieder,
als seine kleine Frau
sagt: „Ich hätte
gerne mal meine
Mutter besucht; aber
mir graut es immer
vor der Fahrt. Die
Hinfahrt geht noch;
da sieht man wenig-
stens die Landschaft;
aber die Rückfahrt,
während der Nacht,
kommt mir immer
doppeltsolangevor."
„Dennoch alles
nur Einbildung,
meine Liebe," ver-
weist Loppelpoppel
sie belehrend. „Die
Entfernung von A
nach B ist selbst-
verständlich gleich
der Entfernung
von B nach A. —
Das ist doch klar,
nicht wahr? —
Aebrigens, wenn du
die Fahrt scheust,
warum lädst du dann
nicht deine Mutter
ein, uns zu besuchen?
— Nicht zu lange
natürlich. Vielleicht
so von Weihnacht
bis Neujahr."
„Alter Egoist!"
denkt die junge Frau
entrüstet. „Andere
Schwiegermütter
kommen, Gott weiß,
wielangeaufBesuch;
meine Mutter soll
nach acht Tagen
wieder abreisen, nur
weil er in seiner häuslichen Bequemlichkeit nicht gestört sein möchte. —
Aber ich werde es schon durchsetzen, daß sie länger bleibt — und-
er soll mir dazu verhelfen!"
Als man nachher
gemütlich bei Tisch
fitzt, fängt die junge
Frau wieder an:
„Du, Emil, du sag-
test doch vorhin, die
Entfernung von A
nach B sei gleich
der Entfernung von
B nach A?"
„Selbstverständlich,
liebes Kind!"
„Dann kann man
die Buchstaben auch
durch andere Be-
griffe ersetzen, nicht
wahr, Emil? Ich
meine, zum Beispiel:
die Entfernung des
Federhalters vom
Tintenfaß ist gleich
der Entfernung des
Tintenfasses vom
Federhalter; oder
meinetwegen: die
Entfernung von
Ostern bis Pfingsten
ist gleich der Ent-
fernung von Pfing-
sten bis Ostern?"
„Natürlich, na-
türlich!" bestätigt
Loppelpoppel un-
geduldig. Diese
Art Fragestellung
kommt ihm reichlich
unnötig, um nicht zu
sagen kindisch vor.
Die junge Frau
aber sagt mit listigem
Lächeln: „Ich bin gar
nichtsoüberzeugtvon
derRichtigkeitdieses
Lehrsatzes, Emil."
„So ein kleiner Mann ist immer gleich verliebt bis über die Ohren."
„Ja, bei einem großen dauert es länger, weil die Ohren viel höher sitzen."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"So ein kleiner Mann ist immer gleich verliebt bis über die Ohren"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5082, S. 394
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg