Fliegende Blätter (197.1942 (Nr. 5057-5083) = 98. Jahrgang)

„MerkwürdigI Alle meine Freunde haben mir erzählt. Sie hätte» sowas Bejahendes/

MAN MUSS NUR QEWINNEN

Von Alfred Richter

Der Ander!, der Briefträger, war im Gastzimmer gewesen und
hatte dem Wirk vom Braunen Bären die Postsachen übergeben.
Gleich darauf erschien augenzwinkernd der Wirt in der Küche lmd
sagte zu seiner Frau: „Spielen kann jeder, aber gewinnen muß man!"
Damit verließ er die Küche wieder. Die Weibsleute schauten ihm
mit großen Augen hinterdrein.

Am Abend wußten es alle Gäste: Der Anton Schmöger hat in
der Lotterie gewonnen. Aber wieviel? Das würde er wohl nicht
verraten, der Hallodri! And gewiß war der Gewinn nicht klein
gewesen, denn der Wirt, doch sicherlich, um neugierigen Fragen
auszuweichen, kam nicht zum Vorschein. Nachdein sie lange genug
auf ihn gewartet hatten, stellten die Gäste Betrachtungen über den
Glücksfall an. „Da wird er wohl nun die Zimmer frisch Herrichten
lassen," meinte der Postamtsvorsteher Zöllner bedächtig, „da wird
sein Gasthof gleich viel freundlicher ausschauen." — „Vielleicht baut
er einen größeren Saal, der alte ist ohnehin ein bissel klein," mut-
maßte der Steuerinspektor Rührsam, und der Installateur Klein-
inichel nahm eine Prise und brummelte: „Von einer »elien, modernen
Lichtanlage hat er schon lange geredet. Vielleicht wird diesmal was
daraus," und er sah sich schon mit Gesellen und Lehrlingen an dem
großen Auftrag scharwerken. „Am Ende," ließ sich der Metzger Hügel
vernehmen, „kauft er nun das Nachbargrundstück hinzu. In der Nase
steckt ihm das Objekt schon lange. Wenn er dann die Scheune nieder-
reißen läßt, kriegt er eine schöne Terrasse mit Vlumenanlagen. And
für eine zeitgemäße Kegelbahn fällt auch noch der Platz ab. Die
alte entspricht schon lange den Bundesvorschriften nicht mehr." So
redeten sie hin und her und machten Pläne für Anton Schmöger,
der von ihrem Eifer nichts ahnte. Als er dann endlich vor seinen
Gästen erschien — es hatte ihn ganz einfach ein Viehhändler draußen
aufgehalten, der ihm eine Kuh abhandeln wollte — ward er von
allen Seiten angezapft. „Ja ja," sagte der Steuerinspektor, „wenn
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man halt über Nacht reich wird, nicht wahr? Schöne Sache. Möcht'
ich auch mal erlebe»." — „Natürlich," nickte der Wirt. — „And
dann steht auf einmal ein großartiges Hotel da, wo der Braune
Bär war," sagte der Hauptlehrer Möllner. — „hoffentlich," nickte
der Wirt. Alle schauten sich an. „Großes Fremdenheim," lauerte
der Bäcker Spieß. — „Warum nicht?" nickte der Wirt. And ging
wieder hinaus. Sie blickten ihm alle nach. Ging er nicht breiter,
behäbiger, selbstbewußter? Ja, Reichtum läßt den Menschen wachsen!
Der Barbier Röcke tauchte gar in der Küche auf und stieß die
Wirtin an, sie war seine Klassenkameradin aus der Elementarschule:
„Du, Marie, es war wohl sehr viel?" Die Wirtin trocknete sich
die Hände an dem großen Handtuch ab und sagte bloß: „Ihr seid
alle miteinander närrisch!" Da wußte Röcke es nun ganz genau:
Es.war wahrscheinlich überhaupt das große Los, das diese Glücks-
pilze gewonnen hatten!

Die Kunde verbreitete sich in dem ganzen Ort wie ein
Lauffeuer.

Am nächsten Abend, war der Braune Bär so dicht besetzt, daß
nicht jedermann eine» Sitzplatz fand, aber niemand nahm das übel,
so heftig zu anderen Zeiten auch darüber geschimpft worden wäre.
Aber, war man denn hergekommen, um sich auszuruhen? Mit Nichten!
Man wollte erfahren, wieviel der Anton in der Lotterie gewonnen
hatte, und was er nun für Pläne hätte. Der Spihbssbe jedoch schwieg
sich beharrlich aus, zuckte bloß die Achseln, sagte „Wahrscheinlich,"
und „hoffentlich!" und „Man wird ja sehen," ließ sich auf Einzel-
heiten,aber nicht ein. And das fand eigentlich jeder in der Ordnung:
Alle hätten an Antons Stelle ebenso gehandelt. Sie hatten volles
Verständnis für sein beredtes Schweigen, und stark stieg er als
Bürger iu ihrer Achtung. Es kamen nun auch Leute zu ihm, die
früher sein Lokal niemals betreten hatten. Die Gastzimmer im
Braunen Bären wurden zu klein.