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DIE NACHBARIN

Von Alfred Richter

Leinz Robbe war auf Zimmersuche. Er klingelte bei Frau Popp-
rolick. And genau so, wie er es zwar nicht erwartet, aber von je
ersehnt hatte, öffnete ihm ein Engel von einem Mädchen. Sein
Lerz machte den so schwierigen dreimaligen Salto nach vorn und
schloß noch einen vierten an, als die Sylphe kopfnickte: „Za, hier
ist ein Zimmer zu vermieten, aber Frau Popprolick ist nicht da."
Ah, so war dieses madonnenhafte Geschöpf also' leider nicht die filia
hospitalis, denn wäre Frau Popprolick ihre Mama gewesen, dann
hätte sie wohl nicht gesagt: „Frau Popprolick ist nicht da," sondern:
„Mutter ist mal auSgegangen." And Leinz Robbes Lerz machte
zwei der vier Saltos wieder rückwärts. „So," senkte Leinz Robbe
den Kopf, „Frau Popprolick ist nicht da. Lm, das ist ja schade." —
„Aber bitte, treten Sie doch wenigstens ein," sagte der Cherub.
„Lerrgott, was hat sie für ein paar Augen im Kopfl" dachte Leinz
Robbe, und sein Lerz machte die zurückgetanen zwei Saltos wieder
nach vorn, „und man kann das Zimmer
auch nicht mal besichtigen?" fragte er und
betrachtete wenigstens die verschiedenen
Türen. „Leider nein," sagte die Blume der
Blumen, „das Zimmer ist noch nicht auf-
geräumt." — „O, das macht mir gar nichts,"
versicherte Leinz Robbe, sein eigenes Zim-
mer war ja auch nie in Ordnung, aber die
Lolde wehrte entschieden ab: „Rein, mein
Lerr, ich kann Ihnen das Zimmer nicht
zeigen. Es ist ja auch noch bewohnt." —

„O, Pardon," prallte Leinz Robbe zurück,
der sich bereits auf gut Glück irgend einer

Tür genähert hatte, „dann allerdings-

so, so, es ist noch bewohnt." — „Ja, es
wird morgen frei." — „Lm, so so, morgen.

Wer wohnt denn drin, wenn ich fragen
darf?" — Die Anemone ließ das hinreißend
schöne Blütenblatt ihrer Anterlippe ein
wenig hängen und erwiderte schnippisch:

„Lalt ein junges Mädchen." — „O," dachte
Leinz Robbe, „jetzt bin ich ins Fettnäpfchen
getreten. Sie kann die andere nicht lei-
den." — „And das junge Mädchen räumt
das Zimmer morgen?" fragte er. — „Be-
stimmt. Sie reist morgen früh ab." — „Da
sind Sie wohl froh?" Die Circe lachte und
sagte: „Riesig!" — „Das kann ich mir
denken," versicherte Leinz Robbe und schüt-
telte der Elfe ohne weiteres die Land, daß
sie fast aus dem Gelenk gefallen wäre, „aber
passen Sie auf, wir beiden werden uns viel
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besser vertragen." — „Meinen Sie?" lächelte die Rosenknospe. —
„Davon bin ich überzeugt!" versicherte Leinz Robbe siegessicher und
wollte seiner künftigen Freundin noch einmal die Land drücken.
Sie versteckte sie aber schnell hinter dem Rücken und sagte: „Wollen
Sie dann also morgen wieder kommen, wenn Frau Popprolick da
ist?" — „Wenn sie nun aber das Zimmer inzwischen an einen an-
deren vermietet?" — „Ich werde ein gutes Wort für Sie einlegen,"
lächelte die Lerrliche, „und da wird sie es Ihnen schon aufheben."
Leinz Robbe floß vor Dank aus den Rändern wie ein Kirschauflauf
und verabschiedete sich endlich. Er war bis über die Lutspitze hinaus
rettungslos verknallt und sah sich im Geiste schon mit diesem In-
begriff eines Weibes Arm in Arm durch die Blumenwiesen wandeln.
Am nächsten Mittag ließ er sich für Wohnungssuche in seinem Be-
trieb freigeben und raste zu Frau Popprolick. Sie öffnete ihm ei-
genhändig, ein vierschrötiges Weib mit Gesichtsstoppeln und dem
Blick einer Eisbärendompteuse. Leinz Robbe
trug nicht ohne Beben sein Anliegen vor.
Frau Popprolick musterte ihn von oben
bis unten und riß dann stumm vor ihm
eine Tür auf. Leinz Robbe schaute in eine
Bude, wie Buden eben sind, nüchtern, kahl
und langweilig. Aber der Gedanke, daß er
nun wahrscheinlich Wand an Wand seiner

künftigen Braut-. Frau Popprolick

unterbrach seine Liebesgedanken mit der
brüsken Frage, ob er das Zimmer nehme. —
Jawohl, er nahm es. Der Preis war hoch,

aber er dachte, daß er Wand an Wand--

Auch war der Kaffee viel zu teuer. Na,
mochte er es in Teufels Namen sein.
Lauptsache war doch, daß man Wand an

Wand-. „Wer wohnt denn hier

nebenan?" fragte Leinz Robbe und deutete
auf die eine Wand. „Lier nebenan ist
meine Küche," knarrte Frau Popprolick
widerwillig. „And auf der anderen Seite?"
erkundigte sich Leinz, und sein Lerzschlag
kletterte ihm bis zum Schlips empor. „An
der anderen Seite wohne ich selber," sagte
Frau Popprolick, „Sie können unbesorgt
sein, es stört Sie niemand, wir beide sind
ganz allein in der Wohnung." Da war
es Leinzen, als hätte er bisher den Gau-
risankar eines Märchenglücks betrachtet,
und nun wäre dieser höchste aller Berge
der Erde mit einem Schlage weg. Zer-
platzt wie ein Nebel. Der unselige Jüngling

Freundinnen „Ich finde, der Bart

steht deinem Freund ausgezeichnet — man
sieht dadurch von seinem Gesicht nicht so viel!"
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Freundinnen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Geis, Josef
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5083, S. 410
 
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