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o

Komplimente

Von Alfred Richter

„Schau bloß hin!" sagte meine Frau. Wir sahen den vergnügten
Studienrat, mit dem wir einen Ausflug verabredet hatten, vor dem
Portal des Lotels Herumbuckeln — er hatte bloß noch rasch hinauf-
eilen und das vergessene Fernglas herabholen wollen — und sich
mit einem spindelbeinigen, spitzbäuchigen alten Sierra, dem ein Bart
von der Länge eines mittleren Bettvorlegers im Gesicht hing, herum-
komplimentieren mit einer Inbrunst, die sich bereits zur Gesellschafts-
katastrophe auswuchs, denn jetzt stieß der Studienrat rücklings mitten
in einer Verbeugung an eine Matrone, die indigniert ihr Lorgnon
auf seine Rückenlandschaft richtete, und im'nächsten Augenblick prallte
der Lerr mit dem Bettvorleger im Antlitz, gleichfalls bei einem
Bückling, gegen einen koffertragenden Dienstmann, der gleich eine
kommodengroße Damenhutschachtel fallen ließ, sodaß seine Auftrag-
geberin Zeter schrie. Der Bett-
vorleger entschuldigte sich, die
Dame antwortete drillbohrer-
spitz, und diese Gelegenheit
benutzte unser Studienrat, aus
der Szene auszuscheiden und
endlich im Innern des Lotels
zu verschwinden.

Wir schimpften auf ihn
und warteten, und als er endlich
wieder zum Vorschein kam,

— der Bettvorleger war unter-
dessen gebirgswärts entrollt

— empfing ihn meine Frau:

„Nun sagen Sie bloß, ver-
ehrter Doktor, was für einen
Kontertanz Sie vorhin auf-
führten I Sie schmissen ja beide
die ganze Verkehrsordnung
dabei um!"

„Ja, das mußte so sein,
gnädige Frau, jener Lerr ist
ein gewesener Finanzamts-
präsidentenstellvertreter, und
da empfiehlt sich die aller-
äußerste Löflichkeit. Er seiner-
seits wußte, daß ich vor meiner
Anstellung als Studienrat
vorübergehend kommissari-
scher Lilfsarbeiter bei einer
Behörde gewesen war, und
glaubt nun wohl, ich wäre
auf jener Leiter weiter ge-
klettert, kurzum, er glaubte
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wohl, zu einer geradezu penetranten Art fossiler Löflichkeit beflisse"
zu sein, und da ich so bejahrte Lerrschaften nicht gerne kränke, mach^
ich das Theater wohl oder übel einfach mit. Aebrigens habe ich «*'
dieser Methode schon einmal einen riesigen Erfolg gehabt."

„Erzählen Sie schon!"

„Mit Vergnügen! Das war, als ich Student war, oder genauet'
Kandidat in schweren Examennöten, denn schwer waren diese mei»"
Röte wirklich, besonders in einem bestimmten Fach. Ließ der Pr"'
fessor mich rasseln, dann war das Gesamtexamen verloren, und f"
hatte ich allen Grund, gegen diesen würdigen Geheimrat recht, rech*
liebenswürdig zu sein. Und er war dafür außerordentlich empfäng'
lich, er sah so ähnlich aus wie der Lerr mit dem Kilometervollbak*
von vorhin und machte auch ganz ähnliche Verbeugungen."

„O jerum!"

„Ja, es war halt bet ih>"
so Sitte, er war wiederhol
im fernen Asien gereist u""
halte die Aeberhöflichkeit viel'
leicht bei den Chinesen 9*'
lernt, ich weiß es nicht. Jeden'
falls war er mir sehr wohl'

il

„Von dieser Suppe hättest du ruhig sechsmal so viel machen können."
„Schmeckt sie dir heute so gut. Schätzt?"

„Ich meinte nur, daß dann die Salzmenge, die du genommen hast,
vielleicht gerade richtig wäre."

geneigt, der alte Lerr, we>
ich so furchtbar höflich gege"
ihn war, und da machte er e"
dann anch in der Prüfung
mit mir gnädig, er ließ mi^
nicht rasseln, ich kam dura
und hatte nun natürlich alle"
Grund, energisch das besta»'
dene Examen zu feiern."

„Natürlich. Das war
Lauptsache."

„Ganz gewiß! Wenigstem
faßten alle meine Freunde ^
so auf. Na, am Morgen nach
der letzten Feier — mir n>a"
noch ein bißchen neblig ii"
Kopf, vermutlich von de>"
vielen Zigarettenrauch, der
dem Lokal gewesen war, ^
mußte ich ja nun endlich ab'
reisen, und gerade, wie ich
einsteigen wollte, lief mir me'''
etwas kurzsichtiger Geheimes
sozusagen direkt auf den Bau>h'
Wir entschuldigten uns beiv"
tausendmal. Inzwischen fW
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Von dieser Suppe hättest du ruhig sechsmal so viel machen können ..."
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Rheinen, G.
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5088, S. 66
 
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