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Der Sägewerkbesitzer Dörfler und der Viehhändler Klug saßen
beim ,Bärenwirt". Man war bereits bei der dritten Flasche Spät-
lese angelangt, da kam der Oberlehrer Bartsch hinzu. Er wurde
zum Mittrinken eingeladen, indem der Viehhändler zu ihm sagte:
„Du kannst mithalten, Bartsch; warum soll ein armer Schulmeister
nicht auch einmal einen guten Tropfen schlucken?" Der Oberlehrer
schluckte, den Wein und den armen Schulmeister; er war diese Derb-
heiten seiner inzwischen reich und protzig gewordenen Jugendfreunde
gewöhnt. Bei Gelegenheit würde er den ,armen Schulmeister' schon
zurückgeben. And die Gelegenheit war auch schon da.
Die Tür ging auf, und büchsenraffelnd kamen zwei junge Damen
herein. Sie gingen von Tisch zu Tisch und sammelten für das
Winterhilfswerk. Lerr Klug öffnete umständlich die Börse und fischte
einen Fünfziger heraus, der Sägewerkbesitzer legte einen Markschein
auf den Tisch. Der Oberlehrer entnahm seiner Brieftasche einen
Fünfmarkschein und sagte: „Angeben noch und noch. Kommt aber
einer für die Winterhilfe, dann lernt man seine Pappenheimer
kennen." Der Klug sah den Dörfler an, der Dörfler den Klug,
dann machten beide gleichzeitig
eine verächtliche Kopfbewegung
Richtung Oberlehrer, und der Säge-
werkbesiher sagte: „Sieh einer den
armen Schlucker an. Wem will er
denn imponieren?"
„Mir nicht," meinte der Vieh-
händler und legte einen Zehnmark-
schein auf den Tisch. Klug tat des-
gleichen. Die beiden Mädchen traten
heran. „Bravo!" rief die eine, als sie
das viele Geld sah, „so ist es recht.
Jeder, soviel er kann."
„Sehr richtig," nickte der Ober-
lehrer, „jeder, wie er kann. Die
Grenzen unserer Leistungsfähigkeit
sind allerdings noch lange nicht er-
reicht." Womit er zwei weitere Fünf-
markscheine zusammenrollte und durch
die runde Oeffnung in die Büchse schob.
„Der Lerr Oberlehrer," wandte
sich Dörfler an die jungen Damen,
während er einen Zwanzigmark-
schein aus der Tasche nahm, „der
Lerr Oberlehrer will uns heute wohl
in den Schatten stellen. Na, ja, jeder,
wie er kann —" And schob mit et-
was säuerlichem Gesichtsausdruck
seinen Schein ein. Der Viehhändler
folgte dem Beispiel, wobei er Lerrn
Bartsch anspöttelte: „Das dürfte
dem Lerrn Schulmeister vorläufig
genügen."
82
Von Ralph Urban.
„Es muß wohl," meinte der Oberlehrer lachend, „denn le*1^
habe ich kein Geld mehr bei mir. Es wäre denn, meine jun0e|
Damen, Sie würden vorläufig einen Bon von mir annehmen, !
ich morgen einlösen könnte?"
„Aber, Lerr Oberlehrer, Sie sind uns doch gut!" >
Lerr Bartsch riß ein Blatt aus seinem Notizbuch, schrieb obs
„Gut für — " und unten seinen Namen hin und blickte dann
wartungsvoll die beiden anderen Männer an. „Ihr haltet doch
meine Lerren?"
„Natürlich," rief Lerr Dörfler und stieß den Viehhändler ^
„Mit dir immer noch. Wir zahlen sogar bar." i
Der Oberlehrer schrieb unter das „Gut für —" RM 1.— ^ r
hob fragend den Blick.
„Recht so," rief lachend Klug. „Nur nicht mit den Nullen spare».
An den Nebentischen war man aufmerksam geworden und trat he»»
Der Oberlehrer hing eine Null an, ,RM 10.—" hieß es jetzt. Wie
sah er fragend auf. Dann seufzte er tief und schrieb eine weite
A
Null dazu: „RM 100.—" Die beiden Männer schüttelten die Köp^
der eine verärgert, der andere ve
wundert. Jeder von ihnen treu»
sich von einem Lundertmarksch^
der in die Büchse wanderte.
nächste Null wirst du dir wohl üb^
gereizt
£>*'
legen?" meinte etwas
Sägewerkbesitzer.
„Keineswegs," sprach der Ob^
lehrer und zeichnete: ,Rm. 1000'-
Mit roten Köpfen und »*',
schlecht beherrschtem Mißmut lee
ten die beiden Geschäftsleute
Brieftaschen, die vielen Sch^ I
kamen in die Büchsen.
„So," sagte der Oberlehrer
nickte zufrieden, „jeder, wie er ka»
Jetzt hören wir wohl auf. AÜ^
dings habe ich noch etwas *>e
gessen."
„Was vergessen?"
„Den , v
der Oberlehrer lachend. „Jeder, »’>(j
Dezimalpunkt," erkliff
kann I" Damit malte er
a-s'
„Lahnemann, du weckst zu früh, du mußt mal
zum Ahrmacherl"
Puntt zwischen die Nullen,
,RM 10.00', rollte das Papier H
sammen, steckte es in die BtM.,
stand auf, wintte und verließ
den beiden Sammlerinnen zug^ ,
unter dem Gelächter der übriS^
Gäste den,Bärenwirt'. J
And es war gut, daß er so ra>
ging.
Der Sägewerkbesitzer Dörfler und der Viehhändler Klug saßen
beim ,Bärenwirt". Man war bereits bei der dritten Flasche Spät-
lese angelangt, da kam der Oberlehrer Bartsch hinzu. Er wurde
zum Mittrinken eingeladen, indem der Viehhändler zu ihm sagte:
„Du kannst mithalten, Bartsch; warum soll ein armer Schulmeister
nicht auch einmal einen guten Tropfen schlucken?" Der Oberlehrer
schluckte, den Wein und den armen Schulmeister; er war diese Derb-
heiten seiner inzwischen reich und protzig gewordenen Jugendfreunde
gewöhnt. Bei Gelegenheit würde er den ,armen Schulmeister' schon
zurückgeben. And die Gelegenheit war auch schon da.
Die Tür ging auf, und büchsenraffelnd kamen zwei junge Damen
herein. Sie gingen von Tisch zu Tisch und sammelten für das
Winterhilfswerk. Lerr Klug öffnete umständlich die Börse und fischte
einen Fünfziger heraus, der Sägewerkbesitzer legte einen Markschein
auf den Tisch. Der Oberlehrer entnahm seiner Brieftasche einen
Fünfmarkschein und sagte: „Angeben noch und noch. Kommt aber
einer für die Winterhilfe, dann lernt man seine Pappenheimer
kennen." Der Klug sah den Dörfler an, der Dörfler den Klug,
dann machten beide gleichzeitig
eine verächtliche Kopfbewegung
Richtung Oberlehrer, und der Säge-
werkbesiher sagte: „Sieh einer den
armen Schlucker an. Wem will er
denn imponieren?"
„Mir nicht," meinte der Vieh-
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gleichen. Die beiden Mädchen traten
heran. „Bravo!" rief die eine, als sie
das viele Geld sah, „so ist es recht.
Jeder, soviel er kann."
„Sehr richtig," nickte der Ober-
lehrer, „jeder, wie er kann. Die
Grenzen unserer Leistungsfähigkeit
sind allerdings noch lange nicht er-
reicht." Womit er zwei weitere Fünf-
markscheine zusammenrollte und durch
die runde Oeffnung in die Büchse schob.
„Der Lerr Oberlehrer," wandte
sich Dörfler an die jungen Damen,
während er einen Zwanzigmark-
schein aus der Tasche nahm, „der
Lerr Oberlehrer will uns heute wohl
in den Schatten stellen. Na, ja, jeder,
wie er kann —" And schob mit et-
was säuerlichem Gesichtsausdruck
seinen Schein ein. Der Viehhändler
folgte dem Beispiel, wobei er Lerrn
Bartsch anspöttelte: „Das dürfte
dem Lerrn Schulmeister vorläufig
genügen."
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„Es muß wohl," meinte der Oberlehrer lachend, „denn le*1^
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„Aber, Lerr Oberlehrer, Sie sind uns doch gut!" >
Lerr Bartsch riß ein Blatt aus seinem Notizbuch, schrieb obs
„Gut für — " und unten seinen Namen hin und blickte dann
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meine Lerren?"
„Natürlich," rief Lerr Dörfler und stieß den Viehhändler ^
„Mit dir immer noch. Wir zahlen sogar bar." i
Der Oberlehrer schrieb unter das „Gut für —" RM 1.— ^ r
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„Recht so," rief lachend Klug. „Nur nicht mit den Nullen spare».
An den Nebentischen war man aufmerksam geworden und trat he»»
Der Oberlehrer hing eine Null an, ,RM 10.—" hieß es jetzt. Wie
sah er fragend auf. Dann seufzte er tief und schrieb eine weite
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der eine verärgert, der andere ve
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„Keineswegs," sprach der Ob^
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Gäste den,Bärenwirt'. J
And es war gut, daß er so ra>
ging.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hahnemann, du weckst zu früh ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5089, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg