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DIE WETTE

Von Inge Borg

Bißchen komisch war die Wette schon, das mußte man zugeben.
Ganz nebenbei hatte Irmgard OHIsen die vorwitzige Bemerkung ge-
macht, daß alle Männer um die Zeit des Rasierens herum gereizter
seien als Löwen kurz vor der Fütterung. Weiß der Limmel, woher
die Kleine diese Kenntnis bezog! Buchhalter Mops jedoch war so
kühn, zu behaupten, gerade am frühen Morgen sei er in allerrosigster
Laune,und die Viertelstunde des Rasierens bedeute ihm reinsteErbauung.

Da hatten die Beiden gewettet. Und um die Wette zu gewinnen,
mußte Irmgard Ohlsen viermal den Beweis für die Richtigkeit ihrer
Behauptung erbringen. Schon am nächsten Morgen machte sie sich
auf den Weg hierzu. Als erstes Opfer hatte sie sich den Kassierer
Bitterlich herausgegriffen. In aller Lerrgottsfrühe klingelte sie an
seiner Wohnungstür. Bitterlichs Wirtschafterin öffnete und musterte
die frühe Besucherin mit scheelem Blick.

„Äerr Bitterlich ist beim Rasieren," sagte sie und versperrte Irm-
gard Ohlsen den Zutritt zur Wohnung. Unmittelbar darauf tauchte
aus einer Zimmertür ein schaumbedecktes Gesicht aus. Mitten in dem
schneeigen Weiß klaffte jedoch eine finstere Lücke, und eine ebenso
finstere Stimme schrie:

„Frau Äahnenklee! Die Leute sollen nicht immer so doll klingeln!
Man glaubt ja, die Welt geht unter! Ich Hab' mich schon wieder
geschnitten!"

Das schaumbedeckte Gesicht verschwand, und die Badezimmertür
fiel krachend ins Schloß.

„Danke, das genügt!" zirpte
Irmgard Ohlsen Frau Lahnen-
klee ins Ohr und hüpfte vergnügt
die Treppe hinunter . . .

Gleich um die Ecke herum
wohnte der LagerverwalterBrum-
mel. Dorthin lenkte das Mädchen
die Schritte. Brummels wohnten
im Erdgeschoß, und Irmgard
drückte zuversichtlich auf den
Klingelknopf.

Frau Brumme! machte per-
sönlich auf.

„Kann ich Ihren Mann mal
einen Augenblick sprechen?" er-
kundigte sich Irmgard Ohlsen.

Zögernd ließ Frau Brumme!
den Besuch in den Flur treten.

„Wird wohl schlecht paffen,"
meinte sie zaghaft. Sie klopfte
schüchternen Zeigefingers an eine
Tür, hinter der unheilvolle Stille
brütete. „... Paul! ... Paul!!"

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Der schüchterne Zeigefinger entfeffelte die Naturgewalt einer
dröhnenden Männerstimme.

„Was gibt's denn schon wieder, Brigitte?!" fragte die Männer-
stimme empört. „Kann man nicht mal fünf Minuten Ruhe haben,
um seinen Bart zu scheren?"

„Paul! Eine junge Dame ist da ... sie möchte dich sprechen."

Ein schwerer Gegenstand polterte drinnen im Badezimmer zu
Boden. Im Anschluß daran meinte der Mann:

„Die Pute soll sich zum Deubel scheren! Vielleicht ist der schon
rasiert!"

Verlege» wandte sich Frau Brumme! der Besucherin zu.

„Rach dem Rasieren ist er ein ganz anderer Mensch," sagte sie
entschuldigend. „Sein Sie man nich böse, Frollein . . ."

„Im Gegenteil," versicherte Irmgard und schlüpfte aus der
Tür. . .

Nun kam Buchhalter Mops an die Reihe. Er ahnte nichts von
seinem Glück. Sonst wäre er an diesem Tage zeitiger aufgestanden
und hätte so seiner Kollegin die Möglichkeit entzogen, seine Ge-
mütsverfassung um die Zeit des Rasierens herum zu prüfen.

Aber Irmgard Ohlsen war ein Sonntagskind, und sie betrat das
Einfamilienhaus des Buchhalters just in dem Augenblick, als dieser
mit vernehmlicher Stimme von irgendwoher rief:

„Gertrud, wo bleibt das Rasierwaffer?"

Die Hausgehilfin bat Irmgard Ohlsen, einen Augenblick in der

Diele Play zu nehmen, und ent-
fernte sich eilig.

„Was denn, — eine Dame?!"
hörte sie gleich darauf den Buch-
halter in unverminderter Laut-
stärke. „Am solche nachtschlafende
Zeit? Glauben Sie mir, Gertrud,
ich brauche jetzt keine Dame, bloß
Rasierwaffer brauche ich, warmes
Rasierwaffer! And das etwas
plötzlich, wenn ich bitten darf.
Soll ich vielleicht als Robinson
ins Geschäft gehn?"

„Hier ist das Wasser ja schon,
Herr Mops."

„Aber das ist ja kalt, eiskalt!
Sie wolln mich wohl mit Stumps
und Stiel ausrotten, Mädchen?!

And was ist mit dem Rasier-
pinsel los? Der hat ja bloß noch
drei Haare! Wo sind die übrigen,
frage ich?! Brauchen Sie denn
alle für's Mittagessen?"

Mailuft, zärtliche, laue,
haucht über wiegende Trift,
schwindet ins grenzenlos Blaue,
das eine Schwalbe durchschifft.

Blüten wogen vorm Wind:
wie er die Büsche durchwühlt,
die schon, von Schaum überspült,
rauschendes Branden sind!
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