Kleine Zeitgelchichten
Eintrachtsfaktor
Emil und Emilie Krausewenzel
haben sich in letzter Zeit nicht so gut
vertragen, wie das unter braven
Eheleuten der Fall sein soll. Emil
ging zwar abends nicht aus, um dem
häuslichen Unfrieden zu entfliehen,
aber er hockte mit einem Schmöker
in seinem Zimmer, und Emilie —
der Dame gebührt eine vornehmere
Formulierung — saß bei einem Buch
einsam im Wohnzimmer.
Der Vetter Lorenz, der Bescheid
weiß, tippt jetzt einmal bei Emil
Krausewenzel an. „Wie steht's denn
bei euch? Noch immer dicke Luft?"
„Nee, alles in Ordnung! Wir
wollen doch Strom sparen; jetzt sitzen
wir einträchtig bei einer Lampe."
Eine Lappalie
Runge hatte sich keineswegs
herausfordernd benommen, er hatte
nur zu einer recht dämlichen Be-
merkung Knolles ein weniq gelächelt.
Aber Knolle will seine Worte nicht
belächelt sehen; er ist ein Choleriker,
er holte aus, und — klatsch! klatsch!
„Pech! Jedesmal, wenn ich ein Rendezvous habe, regnet es."
„Schlimmer wäre es, wenn Sie jedesmal ein Rendezvous
hätten, wenn es regnet."
— da hatte er Runge auch schon
rechts und links eine heruntergehauen.
Runge bezwang sich. Er haute
nicht zurück; er wandte sich von
Knolle ab und den beiden anderen
Tischgenoffen zu. „Ich werde Sie als
Zeugen bemühen, meine Äerren. Der
Mann da wird sich vor Gericht ver-
antworten müssen."
Knolle aber lachte höhnisch auf.
„Sie sind mir ein netter Zeitgenosse!
Wissen Sie nicht, daß man in dieser
ernsten Zeit die Gerichte nicht mit
Lappalien behelligen soll?"
Stillstand der Zeit
Fridolin war doch unangenehm
überrascht, als Agathe ihm, etwas
verlegen lächelnd, ihren Geburts-
schein zwecks Anmeldung der beab
sichtigten Eheschließung beim Stan-
besamt einhändigte. „30 Jahre alt?
Aber lieber Schatz, du sagtest mir
doch: 26."
Agathe hatte sich gefaßt. „Nun
ja, Fridolin: als der Krieg aus
brach, war ich 26. And im Kriege
rücken die Iahresklassen doch nicht
weiter."
Ein kleiner Mensch ist angekommen,
Und jeder hat’s erfreut vernommen.
Er wird umhegt und wird gehätschelt,
Teils Wange ihm, teils Po getätschelt.
Und Baby mit vergnügtem Krähen
Läßt beides über sich ergehen.
Doch größer wird, was einst entzückte
Und durch die Niedlichkeit beglückte.
WERDEGANG
Von Herbert Lestiboudois
Der kleine Mensch verspürt mit Schrecken
Zuerst von hinterwärts den Stecken
Und sieht — kein Zweifel! — sieht’s verschüchtert:
Der Lehrer ist’s — und das ernüchtert.
Was ihm als erste aller Lehren
Zu denken gibt: man muß sich wehren!
Und also heißt es: um sich stoßen
Und würdig sein der Welt der Großen
Was prompt geschieht! DieMuskeln schwellen-
Man lernt es, seinen Mann zu stellen.
Schon blickt die öffentliche Meinung
Voll Stolz auf diese Neuerscheinung
Die ohne falsche Schamgefühle
Nach vorn strebt ins Parkettgestühle
Dort läßt sie sich ins Polster fallen —
Ein Mann, nehmt alles nur in allem I
_. nl n und Meggendorfer Blätter Hauptschrittleiter: Leo Kainradi, München. Verlag von J. F. Schreiber,
rLICuCNDC B LAI 1 LK Nr 5103 20 Mai 1943 München 27, Möhlstraße 34. Druck von J. F Schreiber, fc ß 11 n g e n a. N. — Alle Rechte
' ' ' für sämtliche Textbeiträge und Zeichnungen Vorbehalten. — Anzeigen-Annahme durch die Anzeigen-
Verwaltung .Fliegende Blätter". München I Iheatinerstralie 8 und alle zugelassenen Werbungsmittler. Für den Anzeigenteil verantwortlich Emmerao Kürzinger, München
(z. Zt.Wehrmacht) I. V. Käte Kirchner. ZurZeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 2 — Die Fliegenden Blätter erscheinen wöchentlich. — Bestellungen nehmen alle Buch und Zeltsclii Ilten-
handlungen und die Postämter entgegen. Die Zeitschrift wird auch durch jeden deutschen Lesezirkel geliefert. Vierteljahrs-Abonnement In Deutschland ohne Zustellung
RM 3.90. Posthezue RM 4.10. Flnzelne Nummer in Deutschland 30 Pfennig. Abgeschlossen am 17 April 1943 Entered as second dass matter. Post Office New York. N YT
298
Eintrachtsfaktor
Emil und Emilie Krausewenzel
haben sich in letzter Zeit nicht so gut
vertragen, wie das unter braven
Eheleuten der Fall sein soll. Emil
ging zwar abends nicht aus, um dem
häuslichen Unfrieden zu entfliehen,
aber er hockte mit einem Schmöker
in seinem Zimmer, und Emilie —
der Dame gebührt eine vornehmere
Formulierung — saß bei einem Buch
einsam im Wohnzimmer.
Der Vetter Lorenz, der Bescheid
weiß, tippt jetzt einmal bei Emil
Krausewenzel an. „Wie steht's denn
bei euch? Noch immer dicke Luft?"
„Nee, alles in Ordnung! Wir
wollen doch Strom sparen; jetzt sitzen
wir einträchtig bei einer Lampe."
Eine Lappalie
Runge hatte sich keineswegs
herausfordernd benommen, er hatte
nur zu einer recht dämlichen Be-
merkung Knolles ein weniq gelächelt.
Aber Knolle will seine Worte nicht
belächelt sehen; er ist ein Choleriker,
er holte aus, und — klatsch! klatsch!
„Pech! Jedesmal, wenn ich ein Rendezvous habe, regnet es."
„Schlimmer wäre es, wenn Sie jedesmal ein Rendezvous
hätten, wenn es regnet."
— da hatte er Runge auch schon
rechts und links eine heruntergehauen.
Runge bezwang sich. Er haute
nicht zurück; er wandte sich von
Knolle ab und den beiden anderen
Tischgenoffen zu. „Ich werde Sie als
Zeugen bemühen, meine Äerren. Der
Mann da wird sich vor Gericht ver-
antworten müssen."
Knolle aber lachte höhnisch auf.
„Sie sind mir ein netter Zeitgenosse!
Wissen Sie nicht, daß man in dieser
ernsten Zeit die Gerichte nicht mit
Lappalien behelligen soll?"
Stillstand der Zeit
Fridolin war doch unangenehm
überrascht, als Agathe ihm, etwas
verlegen lächelnd, ihren Geburts-
schein zwecks Anmeldung der beab
sichtigten Eheschließung beim Stan-
besamt einhändigte. „30 Jahre alt?
Aber lieber Schatz, du sagtest mir
doch: 26."
Agathe hatte sich gefaßt. „Nun
ja, Fridolin: als der Krieg aus
brach, war ich 26. And im Kriege
rücken die Iahresklassen doch nicht
weiter."
Ein kleiner Mensch ist angekommen,
Und jeder hat’s erfreut vernommen.
Er wird umhegt und wird gehätschelt,
Teils Wange ihm, teils Po getätschelt.
Und Baby mit vergnügtem Krähen
Läßt beides über sich ergehen.
Doch größer wird, was einst entzückte
Und durch die Niedlichkeit beglückte.
WERDEGANG
Von Herbert Lestiboudois
Der kleine Mensch verspürt mit Schrecken
Zuerst von hinterwärts den Stecken
Und sieht — kein Zweifel! — sieht’s verschüchtert:
Der Lehrer ist’s — und das ernüchtert.
Was ihm als erste aller Lehren
Zu denken gibt: man muß sich wehren!
Und also heißt es: um sich stoßen
Und würdig sein der Welt der Großen
Was prompt geschieht! DieMuskeln schwellen-
Man lernt es, seinen Mann zu stellen.
Schon blickt die öffentliche Meinung
Voll Stolz auf diese Neuerscheinung
Die ohne falsche Schamgefühle
Nach vorn strebt ins Parkettgestühle
Dort läßt sie sich ins Polster fallen —
Ein Mann, nehmt alles nur in allem I
_. nl n und Meggendorfer Blätter Hauptschrittleiter: Leo Kainradi, München. Verlag von J. F. Schreiber,
rLICuCNDC B LAI 1 LK Nr 5103 20 Mai 1943 München 27, Möhlstraße 34. Druck von J. F Schreiber, fc ß 11 n g e n a. N. — Alle Rechte
' ' ' für sämtliche Textbeiträge und Zeichnungen Vorbehalten. — Anzeigen-Annahme durch die Anzeigen-
Verwaltung .Fliegende Blätter". München I Iheatinerstralie 8 und alle zugelassenen Werbungsmittler. Für den Anzeigenteil verantwortlich Emmerao Kürzinger, München
(z. Zt.Wehrmacht) I. V. Käte Kirchner. ZurZeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 2 — Die Fliegenden Blätter erscheinen wöchentlich. — Bestellungen nehmen alle Buch und Zeltsclii Ilten-
handlungen und die Postämter entgegen. Die Zeitschrift wird auch durch jeden deutschen Lesezirkel geliefert. Vierteljahrs-Abonnement In Deutschland ohne Zustellung
RM 3.90. Posthezue RM 4.10. Flnzelne Nummer in Deutschland 30 Pfennig. Abgeschlossen am 17 April 1943 Entered as second dass matter. Post Office New York. N YT
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Regnerische Gegend" "Eine kleine Ueberaschung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5103, S. 298
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg