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Liebe im Urlauberroch

Von Io Lanns Rösler

Glückliche Menschen, die durch die Zeit mit Liebe im Lerzen
schreiten! Arme Teufel, die einsam durch das Leben gehen! Schau
dich nach einem Mädel um, Fritz, Kurt und Franz, so schnell du
kannst! Zu zweit und verliebt schmeckt trockenes Brot wie eine
Schinkenstulle, scheint die Sonne auch an Regentagen, werden die
dunklen Stunden zu lichten Stunden. Du weißt nicht, wie du das
anstellen sollst? In so kurzer Zeit oder gar im schnell dahinschwin-
denden Urlaub das richtige Mädel kennenzulernen? Aber hör mal,
das ist doch gar nicht so schwer! Laß dir von mir ein paar kleine
Geschichten erzählen, wie man auch heute ohne Tanz und Pflanz
und ohne Aergernis zu erregen, die zärtlichsten Bekanntschaften
machen kann. Rur eines: du mußt es ehrlich meinen. Denn diese
jungen Mädchen, von denen ich spreche, sehnen sich alle nach dir
und deinen Kameraden und nach der großen Liebe. Aber für das
Kleingeld der Liebe haben sie so gar keine Tasche in ihrem schlichten
Berufsrock.

Erste Geschichte: „Endstation der Linie 13."

Der junge Urlauber stieg in die Straßenbahn. Es war die Linie
Dreizehn. Aber dies machte ihm nichts aus, im Gegenteil, er schien
gerade auf diesen Wagen gewartet zu haben, denn er ließ Wagen für
Wagen an sich vorbei, die dem gleichen Ziel zufuhren. Zehn Minuten
wartete er an der kleinen Lalte-
stelle, wo die meisten Fahrgäste
aussteigen und die Straßenbah-
nen fast leer der weiteren End-
station zufahren. Endlich bog also
die Linie 13 um die Ecke,, und der
junge Urlauber im feldgrauen
Rock stieg ein.

Die junge Schaffnerin kannte
ihn schon.

„Wie immer?" fragte sie
freundlich.

„Za. Bitte, Endstation."

„Fünfzehn."

„Danke."

Mehr sagten sie nicht. Mehr
haben sie sich auch in all diesen
Tagen nicht gesagt. Der junge
Urlauber sitzt allein im Wagen.

Die junge Schaffnerin steht drau-
ßen auf der Plattform. Sie lächelt
ein wenig vor sich hin, und dieses
Lächeln gibt der dunklen Uniform
Farbe. Was der junge Soldat
wohl jeden Morgen hier draußen
will? Jeden Morgen steigt er auf
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der Endstation aus, jeden Morgen steigt er fünf Minuten später
in den gleichen Wagen wieder ein und fährt in die Stadt zurück.
Sie haben noch kein Wort miteinander gesprochen außer diesen drei
dienstlichen Sätzen. Aber manchmal sieht er sie an, wenn er glaubt,
sie bemerkt es nicht. Jedoch, so eine Straßenbahn hat viele spiegelnde
Stellen, und eine Schaffnerin muß ihre Augen überall haben. Kein
Wunder, wenn sie immer wieder sein Gesicht sieht — aber wenn sie
sich dann zu ihm wendet, dann schaut er zum Fenster hinaus und
tut so, als wäre sie für ihn das gleichgültigste Geschöpf auf der
Welt. Vielleicht ist sie es auch, vielleicht bildet sie sich alles nur ein,
sie ist ja erst so kurze Zeit Schaffnerin und weiß von ven Männern
nur, daß sie entweder keck oder grob sein können.

Zehn Minuten später öffnet sie die Tür und ruft aus: „End-
station! Alles aussteigen!"

Auch der junge Urlauber steigt aus. Als er als Letzter an ihr
vorübergeht, scheint er eine Frage auf den Lippen zu haben. Aber
er spricht sie nicht aus und steigt aus. Erst dann, als er festen Boden
unter den Füßen hat, wendet er sich um und fragt zur Plattform
hinauf: „Wann fährt dieser Wagen zurück?"

„Zn fünf Minuten."

Sie will es antworten, aber dann erinnert sie sich.

„Leute überhaupt nicht," sagt
sie, „der Wagen geht ins Depot."
„And Sie?"

„Mein Dienst ist heute zu
Ende. Ich hatte Frühdienst."

„Und Sie wohnen hier drau-
ßen?"

„Rein. Ich wohne — warum
fragen Sie?"

„Weil ich —"

Da aber zog der Wagen an
und fuhr mit Gepolter über das
Nebengleis hinüber in die große
Lalle. Sie konnte nicht mehr ver-
stehen, was er ihr nachrief. Aber
sie winkte ihm mit der Land.
Und er stand da und legte die
Land an die Mütze. So stand er,
bis der Wagen in der Remise
verschwand.

Als die Schaffnerin zurückkam,
sah sie, daß er auf sie gewartet
hatte. Sie hätte es dumm gefun-
den, wenn sie so getan hätte, als
wäre sie überrascht oder freue sich
nicht darüber. Sie freute sich

Erinnerung „Ja, Sie sind doch die Kathi vom Altwirt, wo ich
voriges Zahr in der Sommerfrische war. Erkennen Sie mich noch?"

„Freilich I Sie san der Lerr, wo mir bloß ein Fuffzgerl Trink-
geld geben hat."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Erinnerung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 198.1943, Nr. 5104, S. 302

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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