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DIE VORLADUNQ

Von Alfred Richter

Lerr Krause, dem eine Narrenpoffe gespielt worden war, und
der fich so etwas in keiner Weise gefallen lassen wollte, hatte durch Brief
den Lahnebein junior herbestellt. Durch geharnischten Brief. Er
kannte jenen nicht von Angesicht, aber er brauchte nur seine einge-
trümmerten Mistbeetsenster anzusehen, dann kannte er ihn.

„Lören sie mal," fuhr Lerr Krause gleich den kleinen, oval-
beinigen, unansehnlichen, strupphaarigen Kerl an, der da kam, „hören
Sie mal. Sie, Sie haben Glück gehabt, daß ich Ihnen nicht gleich
die Polizei-

„Entschuldigen Sie," hüstelte Lerr Lahnebein, aber Lerr Krause
ließ sich durchaus nicht unterbrechen. „Jetzt rede erst mal ich!" fuhr
er hoch. Lahnebein schwieg auch sofort. Krause betrachtete ihn. Lm.
Abstehende Ohren, schiefgeschlitzte Augen, verkniffener Mund, freche
Nase — genau so hatte
Lerr Krause sich den
Täter vorgestellt. Ganz
genau so! „Verdienen
Sie denn überhaupt
schon so viel," schnauzte
er ihn an, „daß Sie die
Mistbeetfenster ersetzen
können, die Sie über
Nackt eingetreten ha-
ben? LabenSiesich die
Zickzackspuren ange-
schaut? Nein? Betrun-
ken waren Sie also oben-
drein! Wahrlich, ich
überlege mir es jetzt
noch, ob ich nicht doch
noch das Gericht-."

„Erlauben Sie,"
hauchte der Ange-
donnerte eingeschüch-
tert, aber Lerr Krause
hatte sich vorgenommen,
den frechen Lümmel
grundsätzlich nicht zu Wort kommen zu lassen, und so schnob er:
„Ihren Vater möchte ich mal Herkommen lassen, damit er erfährt,
was er für einen herrlichen Sohn hat!"

„Aber, bester Lerr — — ."

„Schwatzen Sie mir nicht fortwährend dazwischen! Für Sie bin
ich gar kein bester Lerr! Meine Mistbeetfenster sind hin, das ist die
Sache, und Sie stehen da und gucken mich an — I Ich habe im
Adreßbuch nachgesehen. Ihr Vater hat einen höchst achtbaren Beruf.
Ich habe mich außerdem über ihn erkundigt. Ihr Vater tut mir
leid. Ihnen aber offenbar nicht I"

Der Verbrecher schneuzte sich umständlich, und Lerr Krause war
der Meinung, daß jener damit nur Zeit gewinnen wollte. Als der
Flegel aber das Taschentuch senkte, schien es Lerrn Krause^ als
sähe er in den schiefgeschlitzten Augen sogar etwas Feuchtes blitzen,
und fast wäre er bei diesem Anblick, seiner grundgütigen Natur
gehorchend, weich geworden. Er ermannte sich aber mit aller Energie
zur Aufrechterhaltung seines gerechten Zornes, und da ihm das an-
gesichts der Rührung seines Gegners nicht recht gelang, so schrie
er umso lauter, um sich selber Mut zu machen: „Schämen Sie sich
denn nicht in den Grund Ihrer Seele hinein, Ihrem hochachtbaren
Vater solchen Kummer zu machen? Wie?"

„Ich bin-."

„Sie sollen schweigen! Fallen Sie mir nicht immerzu ins Wort!

Sie sind nicht hier, um
große Verteidigungs-
reden zu halten, die
Ihnen ja doch nichts
nützen, da Sie überführt
sind, zum Erzählen habe
ich Sie nicht herbestellt!
Sie sind vielmehr hier
—." Nach diesem Wort
blieb Lerr Krause in
seiner Rede stecken. Er
blieb stecken, weil er
etwas ganz Anglaub-
liches sah: Dieses Sub-
jekt da vor ihm hatte
doch wahrhaftig die An-
verschämtheit, nachdem
er eben noch so getan
hatte, als wäre er wer
weiß wie erschüttert,
nun auf einmal ganz
offen und frech zu lächeln.
Er lächelte! Er versuchte
gar nicht mehr, es zu
verbergen!

Na, und da gingen ja nun bei Lerrn Krause natürlich alle Ballons
hoch. „Schluß!" schrie er. „Ich verhandle nicht mehr! Ich zeige
bloß noch an!"

„Tun Sie das nicht, mein Lerr, Sie haben bloß die Ankosten
davon."

„Was? Sie wollen mich auch noch verhöhnen?"

„Ich will Sie nicht verhöhnen, aber ich bin froh, daß ich bloß
endlich auch mal zu Wort komme: Als Täter, Lerr Krause, hat sich
ein guter Freund bekannt, ja gerühmt, Klickes Franz. Klicke, nicht

An dem zerfallnen Gartenzaun entlang
führt Tag um Tag mich Einsamen mein Gang.

Vom grünen Goldgrund heben sich die Schatten
der schmalen enggereihten schwarzen Latten.

Da drüben schimmert, duft- und glanzumschwebt,
ein altes Haus, das auch noch weiter lebt.

Richard von Schaukal

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