o
Line einseitige Unterhaltung
Von Peter Robinson
Albert Knatter, der sonst nicht viel zu klagen braucht, hat sich
früher manchmal gewünscht, zeitweilig taub sein zu können; er hätte
gern eine kleine Schaltvorrichtung an seinem Kopfe haben mögen,
die ihm gestattete, seine Trommelfelle oder Gehörknöchelchen oder
was sonst in Frage kommt — so genau wußte Knatter das nicht —
nach Belieben abzustellen, ganz heimlich, ohne daß es jemand merkte.
Albert Knatter hat früher diesen über die Grenzen möglicher Er-
füllung phantafievoll hinausschweifenden Wunsch bisweilen dann
gehabt, wenn seine liebe Frau
Ernestine zu ihm redete, wobei
sie freilich immer der festen
Aeberzeugung war, daß es sich
um ein wechselseitiges Reden
handelte. Knatter wünschte
dann also, taub zu sein; gar
nichts hören wollte er. Natür-
lich konnte er sich nicht jene
angeblich vor Lärm schützenden
Kügelchen in die Ohren stopfen
oder einfach die Lände recht
fest auf seine etwas groß ge-
ratenen Ohrmuscheln pressen
— das hätte Frau Ernestine
mit Recht empören müssen.
Nein, er wollte wie ein auf-
merksamer Lauscher dasitzen,
scheinbar ganz Ohr sein — und
doch sollte die Redeflut an ihm
ohne die geringste Wirkung
vorüberbrausen. Oder wenn
er schon hören mußte, dann
wünschte er wenigstens, nichts
zu verstehen — so, als würde
chaldäisch zu ihm gesprochen
oder chinesisch oder Suaheli.
Nun, wir können auch sagen:
französisch oder englisch—denn
davon würde Knatter auch
nichts verstehen.
Knatter ist bei diesem
Wunsch gar nicht einmal so ganz eigennützig gewesen. Nein, er hat
gemeint, auch für das Gemüt seiner lieben Frau Ernestine würde
es ersprießlich sein, wenn er dasitzen könnte und, ohne daß sie es
ahnte, von ihrer Rede nichts vernähme. Denn wenn er auch jedes-
mal sich fest vorgenommen hatte, auf das leider doch Gehörte nicht
das Geringste zu entgegnen — oft genug hatte er es dann doch nicht
ausgehalten und war mit einem Einwurf herausgeplatzt, der auf
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logischem Denken oder objektiver Betrachtung beruhte, unh das war
stets ein großer Fehler gewesen. Dann war die Gattin beleidigt
gewesen; dann war der ‘glatt dahinfließende Redestrom aus einen
Damm gestoßen und hatte sich zunächst gestaut, bald aber in gewal-
tigem Aeberfluten auf entlegene Bezirke sich ergossen, an die vorher
gar nicht zu denken gewesen war.
Nein, es war das Allerbeste, wenn Ernestine allein sprach; dann
war sie zum Schluß zufrieden und überzeugt, daß ihr Gatte doch
eigentlich ein ganz vernünf-
tiger Mann wäre, mit dem
sich reden ließe. Die schöne
Schaltvorrichtung am Schädel
konnte ihm selbst der tüchtigste
Ohrenspezialist nicht einbauen;
sich selbst zu bezwingen und
auch die verlockendste Gelegen-
heit zu einer treffenden Ent-
gegnung ungenutzt vorüber-
gehen zu lassen, schien fast
ebenso unmöglich, aber endlich
ist Albert Knatter in einem
gesegneten Augenblick auf eine
ungeheuer einfache und doch
vollkommen sichere Methode
verfallen. Am besten wird sie
an einem prattischen Beispiel
erläutert.
Es ist an einem Sonntag-
morgen. Knatters haben eben
gefrühstückt. Frau Knatter ist
übler Laune; sie ist sogar sehr
verstimmt, denn sie hat sich
gestern abend schrecklich geär-
gert. Da sind Knatters auf
einem Abend der „Concordia"
gewesen, einem zur Pflege ge-
selliger Beziehungen geschaf-
fenen Verein, dem sie schon
seit Jahren als angesehene
Mitglieder angehören. Albert
Knatter geht sehr gern hin, besonders zu den für die Lerren allein
reservierten Abenden; Frau Knatter ist bisher auch ganz zufrieden
mit der „Concordia" gewesen, aber gestern-nun sie fängt jetzt
gleich davon an. „Wir müssen jetzt darüber reden. Albert! Da
muß entschieden etwas getan werden."
„Bitte einen Augenblick, liebe Ernestine!" Knatter setzt sich in
einen bequemen Sessel; die Sache mag ja vielleicht sehr lange dauern.
„Bei mir ist schon im Portemonnaie der Dünensand!"
„And bei mir sogar die Ebbe."
Line einseitige Unterhaltung
Von Peter Robinson
Albert Knatter, der sonst nicht viel zu klagen braucht, hat sich
früher manchmal gewünscht, zeitweilig taub sein zu können; er hätte
gern eine kleine Schaltvorrichtung an seinem Kopfe haben mögen,
die ihm gestattete, seine Trommelfelle oder Gehörknöchelchen oder
was sonst in Frage kommt — so genau wußte Knatter das nicht —
nach Belieben abzustellen, ganz heimlich, ohne daß es jemand merkte.
Albert Knatter hat früher diesen über die Grenzen möglicher Er-
füllung phantafievoll hinausschweifenden Wunsch bisweilen dann
gehabt, wenn seine liebe Frau
Ernestine zu ihm redete, wobei
sie freilich immer der festen
Aeberzeugung war, daß es sich
um ein wechselseitiges Reden
handelte. Knatter wünschte
dann also, taub zu sein; gar
nichts hören wollte er. Natür-
lich konnte er sich nicht jene
angeblich vor Lärm schützenden
Kügelchen in die Ohren stopfen
oder einfach die Lände recht
fest auf seine etwas groß ge-
ratenen Ohrmuscheln pressen
— das hätte Frau Ernestine
mit Recht empören müssen.
Nein, er wollte wie ein auf-
merksamer Lauscher dasitzen,
scheinbar ganz Ohr sein — und
doch sollte die Redeflut an ihm
ohne die geringste Wirkung
vorüberbrausen. Oder wenn
er schon hören mußte, dann
wünschte er wenigstens, nichts
zu verstehen — so, als würde
chaldäisch zu ihm gesprochen
oder chinesisch oder Suaheli.
Nun, wir können auch sagen:
französisch oder englisch—denn
davon würde Knatter auch
nichts verstehen.
Knatter ist bei diesem
Wunsch gar nicht einmal so ganz eigennützig gewesen. Nein, er hat
gemeint, auch für das Gemüt seiner lieben Frau Ernestine würde
es ersprießlich sein, wenn er dasitzen könnte und, ohne daß sie es
ahnte, von ihrer Rede nichts vernähme. Denn wenn er auch jedes-
mal sich fest vorgenommen hatte, auf das leider doch Gehörte nicht
das Geringste zu entgegnen — oft genug hatte er es dann doch nicht
ausgehalten und war mit einem Einwurf herausgeplatzt, der auf
14
logischem Denken oder objektiver Betrachtung beruhte, unh das war
stets ein großer Fehler gewesen. Dann war die Gattin beleidigt
gewesen; dann war der ‘glatt dahinfließende Redestrom aus einen
Damm gestoßen und hatte sich zunächst gestaut, bald aber in gewal-
tigem Aeberfluten auf entlegene Bezirke sich ergossen, an die vorher
gar nicht zu denken gewesen war.
Nein, es war das Allerbeste, wenn Ernestine allein sprach; dann
war sie zum Schluß zufrieden und überzeugt, daß ihr Gatte doch
eigentlich ein ganz vernünf-
tiger Mann wäre, mit dem
sich reden ließe. Die schöne
Schaltvorrichtung am Schädel
konnte ihm selbst der tüchtigste
Ohrenspezialist nicht einbauen;
sich selbst zu bezwingen und
auch die verlockendste Gelegen-
heit zu einer treffenden Ent-
gegnung ungenutzt vorüber-
gehen zu lassen, schien fast
ebenso unmöglich, aber endlich
ist Albert Knatter in einem
gesegneten Augenblick auf eine
ungeheuer einfache und doch
vollkommen sichere Methode
verfallen. Am besten wird sie
an einem prattischen Beispiel
erläutert.
Es ist an einem Sonntag-
morgen. Knatters haben eben
gefrühstückt. Frau Knatter ist
übler Laune; sie ist sogar sehr
verstimmt, denn sie hat sich
gestern abend schrecklich geär-
gert. Da sind Knatters auf
einem Abend der „Concordia"
gewesen, einem zur Pflege ge-
selliger Beziehungen geschaf-
fenen Verein, dem sie schon
seit Jahren als angesehene
Mitglieder angehören. Albert
Knatter geht sehr gern hin, besonders zu den für die Lerren allein
reservierten Abenden; Frau Knatter ist bisher auch ganz zufrieden
mit der „Concordia" gewesen, aber gestern-nun sie fängt jetzt
gleich davon an. „Wir müssen jetzt darüber reden. Albert! Da
muß entschieden etwas getan werden."
„Bitte einen Augenblick, liebe Ernestine!" Knatter setzt sich in
einen bequemen Sessel; die Sache mag ja vielleicht sehr lange dauern.
„Bei mir ist schon im Portemonnaie der Dünensand!"
„And bei mir sogar die Ebbe."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bei mir ist schon im Portmonnaie der Dünensand!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5110, S. 14
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg