„Der Knabe fängt an, mir fürchterlich zu werden 1"
(Sine einseilige ümerhaitnng
Er hat keine Ahnung, was es geben wird, aber sein Antlitz drückt
bereits vollkommene Zustimmung aus. Bereitwillig kehrt er der
Gattin das linke Ohr zu, nicht etwa, lveil es das bessere ist, denn
seine Ohren sind beide gleich gut, sonder» weil der Sessel so steht.
Ausserdem könnte er ihr unmöglich beide Ohren zugleich zukehren.
Ernestine beginnt: „Wir treten also aus der,Concordia^ aus.
Du mußt gleich nachher einen Brief schreiben. Oder vielleicht ist es
besser, wenn du ihn doch erst zuin nächsten Vereinsabend schreibst.
Dann platzt er wie eine Bombe hinein, dann ärgern sie sich mehr
darüber. Lasemanns werden jedenfalls auch nicht mehr dabei bleiben
wollen; die Lasemann ist ja eine vernünftige Frau. Ich hab's ge-
merkt: sie hat sich grade so geärgert wie ich. Aber das war ja auch
gar nicht mehr auszuhalten! Seit drei Monaten erst sind diese Leute,
die Sommerfelds, in der ,ConcordicL, und schon will die Frau die
Lauptrolle spielen. Empörend >var das, wie sich die Person gestern
ivieder benommen hat! Immer muß sie der Mittelpunkt sein; sie
will die Unterhaltung angeben, sie will —
Albert Knatter hat schon ein paarmal genickt. Er sitzt da wie
ein aufnierksam lauschender Schulknabe. Tatsächlich aber hat er eine
innere Amstellung vorgenonimen. Gleich nach den ersten Worten
der Gattin hat er sich eine Aufgabe gestellt: Achtung, jetzt wird ein
Gedicht aufgesagt! Ganz im stillen, aber mit Konzentrierung aller
geistigen Kraft auf die Verse. Also los:
Priams Feste war gefallen;
Troja lag in Schutt und Staub,
And die Griechen, siegestrunken-
halt, da stimmt ja etwas nicht! Das hat sich nicht gereimt. Moderne
Festungen fallen, aber Troja, Priams Feste, war natürlich gesunken.
Aber weiter:
16
Reich beladen mit dem Raub,
Saßen auf den stolzen — nee, auf den hohen Schiffen
Längs des Lellespontos Strand,
Auf der frohen Fahrt begriffen
Nach dem schönen Griechenland.
Stimmet an die frohen Lieder-
„Ein ganzes Dutzend Lieder hat sie gesungen," sagt Ernestine in
diesein Augenblick; sie hat ihre Beschwerden über das Benehmen
jener Frau Sommerfeld, die ihr die Concordia zu einer Discordia
macht, im einzelnen vorgetragen und wendet sich nun den womöglich
noch mehr empörenden Wirkungen dieses Benehmens zu. „Aber
natürlich — warum sollte sie denn aufhören, wenn geivisse Lerren
wie wahnsinnig Beifall klatschten? Der Lasemann hat ihr sogar die
Noten umgeblättert. Ich glaube, Albert, am liebsten hättest du das
auch getan. Du verstehst nur nichts davon, denn ich spiele nicht
Klavier und singe nicht. Ich könnte vielleicht besser singen als die
Sommerfeld, aber ehe ich mich getraue, vor andern Leuten zu singen,
würde ich natürlich etwas lernen; ich würde meine Stimme ausbilden
lassen. Aber dazu würdest du jedenfalls kein Geld übrig haben-"
Knatter hört nichts Genaues; wie Murmeln eines Bächleins
klingt es an sein Ohr. Aber er hat doch die sichere Empfindung,
daß die Gattin persönlich werde. Gerade will er Kalchas den hohen
Göttern das Opfer anzünden lassen — — aber nein: ein stärkerer
Schutzwall wird nötig. Aufgepaßt: eine Rechenaufgabe! Wieviel ist
547 mal 318? Da nehmen >vir erst 547 inal 3, macht 1500 plus
170 plus 21, zusammen 1641; dazu kommt 547 mal 10-Knatter
rechnet angestrengt; triumphierend baut er sich endlich im Geiste das
Resultat auf: 173 946. Aff, das war nicht so einfach. Aber gleich
eine andere Aufgabe vorgenommen. Wieviel ist — — ?
Knatter hat zu dem glücklich errungenen Resultat dreimal heftig
genickt. Ernestine, die inzwischen über nützliche und nutzlose Geldaus-
gaben gesprochen und zu den letzten die Mitgliedsbeiträge für die
„Concordia" gerechnet hat, beanstandet das Nicken. „Warum nickst
du denn gleich? Wir wollen doch erst genau überlegen. Man muß
sich doch über eine Sache klar wsrden; deshalb spricht man doch
darüber. Wenn wir jetzt auf der Stelle unser» Austritt anmelden,
dann würde die Sommerfeld womöglich sich freuen. Das könnte ihr
Aufgefaugenes Funkbild aus USA
(Sine einseilige ümerhaitnng
Er hat keine Ahnung, was es geben wird, aber sein Antlitz drückt
bereits vollkommene Zustimmung aus. Bereitwillig kehrt er der
Gattin das linke Ohr zu, nicht etwa, lveil es das bessere ist, denn
seine Ohren sind beide gleich gut, sonder» weil der Sessel so steht.
Ausserdem könnte er ihr unmöglich beide Ohren zugleich zukehren.
Ernestine beginnt: „Wir treten also aus der,Concordia^ aus.
Du mußt gleich nachher einen Brief schreiben. Oder vielleicht ist es
besser, wenn du ihn doch erst zuin nächsten Vereinsabend schreibst.
Dann platzt er wie eine Bombe hinein, dann ärgern sie sich mehr
darüber. Lasemanns werden jedenfalls auch nicht mehr dabei bleiben
wollen; die Lasemann ist ja eine vernünftige Frau. Ich hab's ge-
merkt: sie hat sich grade so geärgert wie ich. Aber das war ja auch
gar nicht mehr auszuhalten! Seit drei Monaten erst sind diese Leute,
die Sommerfelds, in der ,ConcordicL, und schon will die Frau die
Lauptrolle spielen. Empörend >var das, wie sich die Person gestern
ivieder benommen hat! Immer muß sie der Mittelpunkt sein; sie
will die Unterhaltung angeben, sie will —
Albert Knatter hat schon ein paarmal genickt. Er sitzt da wie
ein aufnierksam lauschender Schulknabe. Tatsächlich aber hat er eine
innere Amstellung vorgenonimen. Gleich nach den ersten Worten
der Gattin hat er sich eine Aufgabe gestellt: Achtung, jetzt wird ein
Gedicht aufgesagt! Ganz im stillen, aber mit Konzentrierung aller
geistigen Kraft auf die Verse. Also los:
Priams Feste war gefallen;
Troja lag in Schutt und Staub,
And die Griechen, siegestrunken-
halt, da stimmt ja etwas nicht! Das hat sich nicht gereimt. Moderne
Festungen fallen, aber Troja, Priams Feste, war natürlich gesunken.
Aber weiter:
16
Reich beladen mit dem Raub,
Saßen auf den stolzen — nee, auf den hohen Schiffen
Längs des Lellespontos Strand,
Auf der frohen Fahrt begriffen
Nach dem schönen Griechenland.
Stimmet an die frohen Lieder-
„Ein ganzes Dutzend Lieder hat sie gesungen," sagt Ernestine in
diesein Augenblick; sie hat ihre Beschwerden über das Benehmen
jener Frau Sommerfeld, die ihr die Concordia zu einer Discordia
macht, im einzelnen vorgetragen und wendet sich nun den womöglich
noch mehr empörenden Wirkungen dieses Benehmens zu. „Aber
natürlich — warum sollte sie denn aufhören, wenn geivisse Lerren
wie wahnsinnig Beifall klatschten? Der Lasemann hat ihr sogar die
Noten umgeblättert. Ich glaube, Albert, am liebsten hättest du das
auch getan. Du verstehst nur nichts davon, denn ich spiele nicht
Klavier und singe nicht. Ich könnte vielleicht besser singen als die
Sommerfeld, aber ehe ich mich getraue, vor andern Leuten zu singen,
würde ich natürlich etwas lernen; ich würde meine Stimme ausbilden
lassen. Aber dazu würdest du jedenfalls kein Geld übrig haben-"
Knatter hört nichts Genaues; wie Murmeln eines Bächleins
klingt es an sein Ohr. Aber er hat doch die sichere Empfindung,
daß die Gattin persönlich werde. Gerade will er Kalchas den hohen
Göttern das Opfer anzünden lassen — — aber nein: ein stärkerer
Schutzwall wird nötig. Aufgepaßt: eine Rechenaufgabe! Wieviel ist
547 mal 318? Da nehmen >vir erst 547 inal 3, macht 1500 plus
170 plus 21, zusammen 1641; dazu kommt 547 mal 10-Knatter
rechnet angestrengt; triumphierend baut er sich endlich im Geiste das
Resultat auf: 173 946. Aff, das war nicht so einfach. Aber gleich
eine andere Aufgabe vorgenommen. Wieviel ist — — ?
Knatter hat zu dem glücklich errungenen Resultat dreimal heftig
genickt. Ernestine, die inzwischen über nützliche und nutzlose Geldaus-
gaben gesprochen und zu den letzten die Mitgliedsbeiträge für die
„Concordia" gerechnet hat, beanstandet das Nicken. „Warum nickst
du denn gleich? Wir wollen doch erst genau überlegen. Man muß
sich doch über eine Sache klar wsrden; deshalb spricht man doch
darüber. Wenn wir jetzt auf der Stelle unser» Austritt anmelden,
dann würde die Sommerfeld womöglich sich freuen. Das könnte ihr
Aufgefaugenes Funkbild aus USA
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Dollar contra Pfund" "Aufgefangenes Funkbild aus USA"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5110, S. 16
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg