Immer dicktun
Von Frau Schnückel sagen ihre Bekannten,
sie sei eine leidenschaftliche Angeberin. Das
soll aber nicht bedeuten, Frau Schnückel liebe
es, zu denunzieren, anzuzeigen, zu verraten,
zu petzen, wie das dem Sinn des Wortes
„angeben" entsprechen würde. Nein, sie meinen
damit, Frau Schnückel neige allzu sehr dazu,
sich zu rühmen, sich herauszustreichen, groß
oder, volkstümlicher ausgedrückt, dick zu tun.
Die Bekannten der Frau Schnückel, die an-
gebe» sagen, sind eben Leute, die nicht weiter
Nachdenken.
Also kurz und gut: Frau Schnückel muß
immer dicktun. Sie kann alles bester, sie
weiß alles bester als andere; sie kann sich
mehr leisten als andere Frauen;'alles, was
sie besitzt, ist unvergleichlich vortrefflicher und
reicher als die entsprechenden Stücke der Labe
anderer Leute. Da kommt eine Bekannte an
mit einem Paar eben glücklich erstandener,
sehr hübscher Schuhe. „Sehen Sie mal!" sagt
sie. Frau Schnückel hat zwar keine so hübschen
Schuhe an, aber sie zuckt die Achseln, wirft
den Kopf zurück und sagt: „Pah, da sollteil
Sie mal erst sehn, was für Schuhe ich zu
Lause stehn habe!" Oder eine andere erzählt:
„Ansere Vierzimmerwohnung wird uns zu
klein, wo doch die Kinder heranwachsen. Aber
wir haben jetzt Aussicht auf eine Tausch-
wohnung mit fünf Zimmern. „Frau Schnückel
hat nur eine Dreizimmerwohnung, aber sie
schreit gleich: „O, ich suche jetzt eine Acht-
zimmerwohnung!" Dutzende solcher Beispiele
ließen sich von Frau Schnückel erzählen.-
Frau ©tauber begegnet der Frau Schnückel.
Sie zeigt ein etwas wehleidiges Gesicht und
berichtet zur Erklärung: „Ich komme vom
„I genier me grad mit meim Kopf-
tüchle, wann i die junge Krotte alle
damit rumlaufe seh!"
Zahnarzt. Eben hat er mir ein kleines Ersatz-
stück eingesetzt; an das niuß ich mich erst ge-
wöhnen. Ja, nun habe ich zwei künstliche
Zähne."
„Zwei?" sagt Frau Schnückel verächtlich.
„Pah, ich habe dreißig!" —»»
Feststellung
Die Sängerin war übermäßig geschminkt.
„Aha", meinte Laiinemann, „deswegen nennt
sie sich auch Koloratursängerin!"
Der Grund
„Was, Lilde, der Kapellmeister hat dir
jede Begabung abgesprochen?"
„Allerdings, weil er.kein Gehör
bei mir gefunden hat!"
Schlimmer Zwiespalt
Die britische Regierung wünscht,
In Moskau sich lieb Kind zu machen,
Und darum läßt sie auch sehr gern
Für Stalin Sympathie entfachen
Durch Englands hohe Geistlichkeit.
Man weiß, daß in fast ungestümen
Lobreden eifrig diese Herrn
Den braven Bolschewismus rühmen.
Dagegen macht es andrerseits
Ihr heimlich ernstliches Bedenken,
Daß breite Volkesmassen nun
Den Wunsch auf einen Zustand lenken,
Der Moskau gilt als ideal;
Dort sehn sie ihre Hoffnung glänzen,
Indem sie immer mehr erfüllt
Von kommunistischen Tendenzen.
Es darf natürlich nicht geschehn,
Daß diese Hoffnung sich erfülle;
Das plutokratische System
Verendete dabei im Mülle.
Doch leider geht es darauf hin,
Wenn Erzbischöfe laut erklären,
Wie gut der Bolschewismus sei,
Und also jene Hoffnung nähren.
Nach zwei verschied’nen Seiten sieht
Sich die Regierung hingerissen,
Indem sie etwas loben läßt,
Von dem sie doch nichts möchte wissen.
Man spürt die Lage recht fatal
Und merkt mit bänglichen Gefühlen,
Man sitze zwischen jenen zwei
So häufig schon zitierten Stühlen.
—on
„Weißt, Marie, wenn man zu Laus parterre wohnt, dann tut einem die Löhenluft noch einmal so gut,
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Von Frau Schnückel sagen ihre Bekannten,
sie sei eine leidenschaftliche Angeberin. Das
soll aber nicht bedeuten, Frau Schnückel liebe
es, zu denunzieren, anzuzeigen, zu verraten,
zu petzen, wie das dem Sinn des Wortes
„angeben" entsprechen würde. Nein, sie meinen
damit, Frau Schnückel neige allzu sehr dazu,
sich zu rühmen, sich herauszustreichen, groß
oder, volkstümlicher ausgedrückt, dick zu tun.
Die Bekannten der Frau Schnückel, die an-
gebe» sagen, sind eben Leute, die nicht weiter
Nachdenken.
Also kurz und gut: Frau Schnückel muß
immer dicktun. Sie kann alles bester, sie
weiß alles bester als andere; sie kann sich
mehr leisten als andere Frauen;'alles, was
sie besitzt, ist unvergleichlich vortrefflicher und
reicher als die entsprechenden Stücke der Labe
anderer Leute. Da kommt eine Bekannte an
mit einem Paar eben glücklich erstandener,
sehr hübscher Schuhe. „Sehen Sie mal!" sagt
sie. Frau Schnückel hat zwar keine so hübschen
Schuhe an, aber sie zuckt die Achseln, wirft
den Kopf zurück und sagt: „Pah, da sollteil
Sie mal erst sehn, was für Schuhe ich zu
Lause stehn habe!" Oder eine andere erzählt:
„Ansere Vierzimmerwohnung wird uns zu
klein, wo doch die Kinder heranwachsen. Aber
wir haben jetzt Aussicht auf eine Tausch-
wohnung mit fünf Zimmern. „Frau Schnückel
hat nur eine Dreizimmerwohnung, aber sie
schreit gleich: „O, ich suche jetzt eine Acht-
zimmerwohnung!" Dutzende solcher Beispiele
ließen sich von Frau Schnückel erzählen.-
Frau ©tauber begegnet der Frau Schnückel.
Sie zeigt ein etwas wehleidiges Gesicht und
berichtet zur Erklärung: „Ich komme vom
„I genier me grad mit meim Kopf-
tüchle, wann i die junge Krotte alle
damit rumlaufe seh!"
Zahnarzt. Eben hat er mir ein kleines Ersatz-
stück eingesetzt; an das niuß ich mich erst ge-
wöhnen. Ja, nun habe ich zwei künstliche
Zähne."
„Zwei?" sagt Frau Schnückel verächtlich.
„Pah, ich habe dreißig!" —»»
Feststellung
Die Sängerin war übermäßig geschminkt.
„Aha", meinte Laiinemann, „deswegen nennt
sie sich auch Koloratursängerin!"
Der Grund
„Was, Lilde, der Kapellmeister hat dir
jede Begabung abgesprochen?"
„Allerdings, weil er.kein Gehör
bei mir gefunden hat!"
Schlimmer Zwiespalt
Die britische Regierung wünscht,
In Moskau sich lieb Kind zu machen,
Und darum läßt sie auch sehr gern
Für Stalin Sympathie entfachen
Durch Englands hohe Geistlichkeit.
Man weiß, daß in fast ungestümen
Lobreden eifrig diese Herrn
Den braven Bolschewismus rühmen.
Dagegen macht es andrerseits
Ihr heimlich ernstliches Bedenken,
Daß breite Volkesmassen nun
Den Wunsch auf einen Zustand lenken,
Der Moskau gilt als ideal;
Dort sehn sie ihre Hoffnung glänzen,
Indem sie immer mehr erfüllt
Von kommunistischen Tendenzen.
Es darf natürlich nicht geschehn,
Daß diese Hoffnung sich erfülle;
Das plutokratische System
Verendete dabei im Mülle.
Doch leider geht es darauf hin,
Wenn Erzbischöfe laut erklären,
Wie gut der Bolschewismus sei,
Und also jene Hoffnung nähren.
Nach zwei verschied’nen Seiten sieht
Sich die Regierung hingerissen,
Indem sie etwas loben läßt,
Von dem sie doch nichts möchte wissen.
Man spürt die Lage recht fatal
Und merkt mit bänglichen Gefühlen,
Man sitze zwischen jenen zwei
So häufig schon zitierten Stühlen.
—on
„Weißt, Marie, wenn man zu Laus parterre wohnt, dann tut einem die Löhenluft noch einmal so gut,
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"I genier me grad mit meim Kopftüchle, wann i die junge Krotte alle damit rumlaufe seh!" "Weißt, Marie, wenn man zu Haus parterre wohn, dann tut einem die Höhenluft noch einmal so gut"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5111, S. 30
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg