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Die Nachbarn Erich Pott und Anton Kieker waren einst gute
Freunde gewesen. Aber dann kam der unselige Kegelabend, an dem
Erich Polt fünfmal hintereinander alle Neune schob. Fünfmal hinter-
einander! Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehe», und Anton
Kieker zog sich erbittert zurück. Frau Kieker bedauerte das, denn sie
schätzte den Nachbarn sehr. Bloß Andromeda, die Legehenne, nahm
von dem Zwist der Freunde keine Notiz. Nach wie vor schlüpfte sie
durch das Loch im Zaun hinüber in Potts Garten, wo es die köst-
lichsten Regenwürmer gab.
Aeber die Regenwürmer hätte Anton Kieker zur Not hinweg-
gesehen. Aber es störte ihn maßlos, daß Andromeda sich nicht darauf
beschränkte, die Pottschen Regenwürmer zu futtern. Denn nach voll-
brachter Mahlzeit ließ es sich die Legehenne nicht nehmen, in einem
eigens für sie hergerichteten molligen Nestchen zwischen allerlei Busch-
werk der Ruhe zu pflegen. Dort weilte sie oft längere Zeit, und
Wenn sie sich erhob, tat sie es meist unter heftigem Gackern.
„Sie träumt so lebhaft" meinte Erich Pott auf das grimme
befragen des Nachbarn hin.
„Die Sorte Träume kenne ich" war Anton Kiekers erboste Ant-
wort. „Bestimmt hat das Nabenvieh eben ein Ei gelegt..."
Er verlor kein Wort weiter über die Sache, aber am Sonntag
ging er daran, das Loch im Zaun mit Draht zu flicken. Der Lahn
Und sein Lühnervolk sahen dem Treiben interessiert zu, und vom
°Nachbargrundstück aus begutachtete Erich Pott das Tun seines
Widersachers.
„Prima machst du das!" lobte er wohlwollend. „Da kommt keine
Waus mehr durch."
„Nicht mal ein Lühnerei!" kicherte Anton Kieker boshaft.
„Tatsächlich!" nickte der Nachbar bedächtig und zog an der Pfeife.
-Da werde ich Andromeda wohl behalten müssen ..."
Tatsächlich befand sich Andromeda schon wieder auf dem Pott-
schen Grundstück und trat gleich darauf heftig gackernd in Erschei-
„Laß doch endlich die ewige Fragerei! Als ich so alt war wie
bu, Hab ich nie gefragt."
„Siehst du, Pappi, deshalb kannst du jetzt auch nicht antworten."
Auf der interalliierten Finanzkonferenz
„Sally, kannst du dich denn hier verständigen, du sprichst
doch nur polnisch und nicht englisch?“
„Wozu brauch ich englisch? ich sprech jiddisch, — da ver-
steht mich hier ein jeder!“
nung. Auch sie besah sich die Arbeit ihres Gebieters. Dann zuckte
sie leicht mit den Flügeln, lief ein paar Meter am Zaun entlang
und fand unschwer einen anderen Durchschlupf...
„Der ganze Zaun müßte mal überholt werden" grinste Erich Pott
schadenfroh und ging wieder an seine Arbeit. Anton Kieker aber
griff sich zornbebend Andromeda und sperrte sie in den Lühnerstall.
„Da bleibst du drin, bis der Zaun in Ordnung ist!" donnerte er.
„Das wird aber eine Weile dauern, Anton" meinte Frau Kieker,
die herbeigeeilt war. „Wo du doch so wenig Zeit hast."
„Macht nichts! Sie soll mal den Ernst des Lebens kennenlernen!"
Es dauerte eine ganze Zeit, bis Andromeda sich mit dem Ernst
des Lebens abgefunden hatte und ihr wildes Gackern unterließ.
Dann aber wurde sie so still, daß Anton Kieker Bedenken kriegte.
Er ließ den Zaun im Stich und begab sich zum Lühnerstall. Er
durchsuchte diesen gründlich, aber Andromeda fand er nicht. Dabei
waren Tür und Fenster ordnungsgemäß verschlossen. An eine Flucht
des Lüstlings war also nicht zu denken.
„Einfach unerklärlich!" grollte Anton Kieker und warf einen arg-
wöhnischen Blick zum Nachbargrundstück hinüber.
„Unsere Andromeda!" schluchzte Frau Kieker und nahm das
Taschentuch vors Gesicht . ..
Beinahe vier Wochen waren seit dem Tag vergangen, an welchem
Andromeda verschwunden war. Mit verbissenem Eifer hatte Anton
Kieker die Jaunreparatur in jeder freien Minute fortgesetzt. Doch
war es wie ein Verhängnis — kaum hatte er eine schadhafte Stelle
geflickt, als daneben wie bei einem mürben Strumpf schon das nächste
Loch entstand.
Als er sich eines Sonntags mit Inbrunst seiner Arbeit widmete,
klang ihm vor dem Pottschen Grundstück wohlbekanntes Gackern
entgegen. Andromeda, gefolgt von einer Schar winziger Küken,
tauchte am Zaun auf, fand ohne Anstrengung einen Durchschlupf
und führte ihre zahlreiche Familie der rechtmäßigen Leimal zu.
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Die Nachbarn Erich Pott und Anton Kieker waren einst gute
Freunde gewesen. Aber dann kam der unselige Kegelabend, an dem
Erich Polt fünfmal hintereinander alle Neune schob. Fünfmal hinter-
einander! Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehe», und Anton
Kieker zog sich erbittert zurück. Frau Kieker bedauerte das, denn sie
schätzte den Nachbarn sehr. Bloß Andromeda, die Legehenne, nahm
von dem Zwist der Freunde keine Notiz. Nach wie vor schlüpfte sie
durch das Loch im Zaun hinüber in Potts Garten, wo es die köst-
lichsten Regenwürmer gab.
Aeber die Regenwürmer hätte Anton Kieker zur Not hinweg-
gesehen. Aber es störte ihn maßlos, daß Andromeda sich nicht darauf
beschränkte, die Pottschen Regenwürmer zu futtern. Denn nach voll-
brachter Mahlzeit ließ es sich die Legehenne nicht nehmen, in einem
eigens für sie hergerichteten molligen Nestchen zwischen allerlei Busch-
werk der Ruhe zu pflegen. Dort weilte sie oft längere Zeit, und
Wenn sie sich erhob, tat sie es meist unter heftigem Gackern.
„Sie träumt so lebhaft" meinte Erich Pott auf das grimme
befragen des Nachbarn hin.
„Die Sorte Träume kenne ich" war Anton Kiekers erboste Ant-
wort. „Bestimmt hat das Nabenvieh eben ein Ei gelegt..."
Er verlor kein Wort weiter über die Sache, aber am Sonntag
ging er daran, das Loch im Zaun mit Draht zu flicken. Der Lahn
Und sein Lühnervolk sahen dem Treiben interessiert zu, und vom
°Nachbargrundstück aus begutachtete Erich Pott das Tun seines
Widersachers.
„Prima machst du das!" lobte er wohlwollend. „Da kommt keine
Waus mehr durch."
„Nicht mal ein Lühnerei!" kicherte Anton Kieker boshaft.
„Tatsächlich!" nickte der Nachbar bedächtig und zog an der Pfeife.
-Da werde ich Andromeda wohl behalten müssen ..."
Tatsächlich befand sich Andromeda schon wieder auf dem Pott-
schen Grundstück und trat gleich darauf heftig gackernd in Erschei-
„Laß doch endlich die ewige Fragerei! Als ich so alt war wie
bu, Hab ich nie gefragt."
„Siehst du, Pappi, deshalb kannst du jetzt auch nicht antworten."
Auf der interalliierten Finanzkonferenz
„Sally, kannst du dich denn hier verständigen, du sprichst
doch nur polnisch und nicht englisch?“
„Wozu brauch ich englisch? ich sprech jiddisch, — da ver-
steht mich hier ein jeder!“
nung. Auch sie besah sich die Arbeit ihres Gebieters. Dann zuckte
sie leicht mit den Flügeln, lief ein paar Meter am Zaun entlang
und fand unschwer einen anderen Durchschlupf...
„Der ganze Zaun müßte mal überholt werden" grinste Erich Pott
schadenfroh und ging wieder an seine Arbeit. Anton Kieker aber
griff sich zornbebend Andromeda und sperrte sie in den Lühnerstall.
„Da bleibst du drin, bis der Zaun in Ordnung ist!" donnerte er.
„Das wird aber eine Weile dauern, Anton" meinte Frau Kieker,
die herbeigeeilt war. „Wo du doch so wenig Zeit hast."
„Macht nichts! Sie soll mal den Ernst des Lebens kennenlernen!"
Es dauerte eine ganze Zeit, bis Andromeda sich mit dem Ernst
des Lebens abgefunden hatte und ihr wildes Gackern unterließ.
Dann aber wurde sie so still, daß Anton Kieker Bedenken kriegte.
Er ließ den Zaun im Stich und begab sich zum Lühnerstall. Er
durchsuchte diesen gründlich, aber Andromeda fand er nicht. Dabei
waren Tür und Fenster ordnungsgemäß verschlossen. An eine Flucht
des Lüstlings war also nicht zu denken.
„Einfach unerklärlich!" grollte Anton Kieker und warf einen arg-
wöhnischen Blick zum Nachbargrundstück hinüber.
„Unsere Andromeda!" schluchzte Frau Kieker und nahm das
Taschentuch vors Gesicht . ..
Beinahe vier Wochen waren seit dem Tag vergangen, an welchem
Andromeda verschwunden war. Mit verbissenem Eifer hatte Anton
Kieker die Jaunreparatur in jeder freien Minute fortgesetzt. Doch
war es wie ein Verhängnis — kaum hatte er eine schadhafte Stelle
geflickt, als daneben wie bei einem mürben Strumpf schon das nächste
Loch entstand.
Als er sich eines Sonntags mit Inbrunst seiner Arbeit widmete,
klang ihm vor dem Pottschen Grundstück wohlbekanntes Gackern
entgegen. Andromeda, gefolgt von einer Schar winziger Küken,
tauchte am Zaun auf, fand ohne Anstrengung einen Durchschlupf
und führte ihre zahlreiche Familie der rechtmäßigen Leimal zu.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Laß doch endlich die ewige Fragerei! Als ich so alt war wie du, hab ich nie gefragt" "Auf der interalliierten Finanzkonferenz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5111, S. 31
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg