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An schöner lag im September
Von Sani Reimann
Das Linienschiff Kawezwo (Kaiser Wilhelm der Zwote) lag in
der Kieler Innenbucht.
Seeleute sind von diesem Platz nie recht begeistert gewesen,
weil-nun, es ist verteufelt schwer, ungesehen durch die Bucht
zu schwimmen, wenn man mal Sehnsucht hat.
Der Dienst im Lasen lief vorschriftsmäßig. Der Mittagsappell
war vorüber, das Mittageffen ebenfalls. Alles pennte.
Kawezwo war Flaggschiff des fünften Geschwaders, beherbergte
also den Chef.
Ich hatte Wache. Außer meiner
Wenigkeit wimmelten auf dem an-
sonsten völlig verlaffenen Achterdeck
herum: ein Fähnrich, ein Anter-
offizier, der Fallreepsgefreite und
der Läufer.
In den idyllischen Frieden hinein
platzte der Bursche des Chefs und
baute sich in annähernd militärischer
Laltung vor mir auf:
„Befehl von Seiner Exzellenz —
Motorbarkaff' klar!"
Ich dankte. Der Admiralsflunki
drehte ab und verschwand in jenem
heiligen Niedergang, dessen Betreten
ausschließlich dem Geschwaderchef
und dem Kommandanten Vorbe-
halten war.
Die Motorbarkasse schaukelt, falls
unbenutzt, an der Backspier, sicher
vertäut.
Zunächst gab ich den Befehl wei-
ter an den Anteroffizier der Wache.
Der Unteroffizier der Wache, ein
Bootsmannsmaat, setzte seine Pfeife
kunstgerecht an den Mund, und ein
von zwei grellen Pfiffen gefolgter
Triller ertönte. Rach jedem Pfiff
gröhlte er: „Motorbarkaff' klar!"
Die Fortsetzung des Pfeifens
und Gröhlens geschah laut Regle-
ment. In Tätigkeit traten: der An-
teroffizier der Wache vom Oberdeck
(ein Signalmaat), der Anteroffizier
der Wache vom Batteriedeck (ein
Wachtmeistermaat), der Anteroffi-
zier der Wache vom Panzerdeck (ein
86
Maschinistenmaat). Durch sämtliche Räume, über sämtliche Decks
und auch in die Anteroffiziersmesse hinein brüllte es: „Motorbarkass'
klar!"
Die Schläfer waren wenig erbaut von dieser unvorhergesehenen
Störung. Immerhin durfte weiterschnarchen, wer nicht zur Barkasse
gehörte.
Im Batteriedeck krabbelten zwei Seeleute hoch und machten sich
zurecht. Desgleichen zwei Leizer im Panzerdeck. In der Anteroffi-
ziersmesse ermunterte sich ein Bootsmannsmaat, der die Barkasse
zu steuern hatte, sowie ein dicker
Maschinistenmaat, der die beiden
Motoren bediente.
Diese sechs Mann trabten zur
Backspier und kletterten die Strick-
leiter abwärts in die Barkasse.
Während die Maschine ange-
wärmt wurde, prüfte die Deckmann-
schaft, ob alles in Ordnung war.
Exzellenz hatte nämlich lausig scharfe
Augen.
Da es zwanzig Minuten dauerte,
bis die schweren Motoren liefen,
blieb der Decksmannschaft genügend
Zeit, sich zu betätigen. Inzwischen
war die Fallreepswache vom Anter-
offizier der Wache auf die Beine
gebracht worden. Sechs Mann, aus-
gerüstet mit Schwert und Knarre,
bauten sich in Reih und Glied vor
dem Steuerbordfallreep auf — dazu
am Flügel der Spielmann mit seiner
Trommel, mit der er Seine Exzellenz
von Bord zu trommeln gedachte,
während seine Kameraden einen pri-
missima Präsentiergriff hinzuhauen
beabsichtigten.
Kaum hatte ich meine Mannen
gemustert, als von Backbord das
baldige Erscheinen der Barkasse an-
gezeigt ward: dumpf tuckerten die
Motoren. Ich erteilte also den nächsten
Befehl — und zwar dem Läufer, der
an Bord die deutsche Reichspost ver-
körpert:
„Melden Sie dem Lerrn Kom-
mandanten, Äerrn Kapitän Kruse,
Die Macht der Gewohnheit
„Es ist eigenartig, aber je länger man so einen schweren
Koffer trägt, um so weniger spürt man'sl"
An schöner lag im September
Von Sani Reimann
Das Linienschiff Kawezwo (Kaiser Wilhelm der Zwote) lag in
der Kieler Innenbucht.
Seeleute sind von diesem Platz nie recht begeistert gewesen,
weil-nun, es ist verteufelt schwer, ungesehen durch die Bucht
zu schwimmen, wenn man mal Sehnsucht hat.
Der Dienst im Lasen lief vorschriftsmäßig. Der Mittagsappell
war vorüber, das Mittageffen ebenfalls. Alles pennte.
Kawezwo war Flaggschiff des fünften Geschwaders, beherbergte
also den Chef.
Ich hatte Wache. Außer meiner
Wenigkeit wimmelten auf dem an-
sonsten völlig verlaffenen Achterdeck
herum: ein Fähnrich, ein Anter-
offizier, der Fallreepsgefreite und
der Läufer.
In den idyllischen Frieden hinein
platzte der Bursche des Chefs und
baute sich in annähernd militärischer
Laltung vor mir auf:
„Befehl von Seiner Exzellenz —
Motorbarkaff' klar!"
Ich dankte. Der Admiralsflunki
drehte ab und verschwand in jenem
heiligen Niedergang, dessen Betreten
ausschließlich dem Geschwaderchef
und dem Kommandanten Vorbe-
halten war.
Die Motorbarkasse schaukelt, falls
unbenutzt, an der Backspier, sicher
vertäut.
Zunächst gab ich den Befehl wei-
ter an den Anteroffizier der Wache.
Der Unteroffizier der Wache, ein
Bootsmannsmaat, setzte seine Pfeife
kunstgerecht an den Mund, und ein
von zwei grellen Pfiffen gefolgter
Triller ertönte. Rach jedem Pfiff
gröhlte er: „Motorbarkaff' klar!"
Die Fortsetzung des Pfeifens
und Gröhlens geschah laut Regle-
ment. In Tätigkeit traten: der An-
teroffizier der Wache vom Oberdeck
(ein Signalmaat), der Anteroffizier
der Wache vom Batteriedeck (ein
Wachtmeistermaat), der Anteroffi-
zier der Wache vom Panzerdeck (ein
86
Maschinistenmaat). Durch sämtliche Räume, über sämtliche Decks
und auch in die Anteroffiziersmesse hinein brüllte es: „Motorbarkass'
klar!"
Die Schläfer waren wenig erbaut von dieser unvorhergesehenen
Störung. Immerhin durfte weiterschnarchen, wer nicht zur Barkasse
gehörte.
Im Batteriedeck krabbelten zwei Seeleute hoch und machten sich
zurecht. Desgleichen zwei Leizer im Panzerdeck. In der Anteroffi-
ziersmesse ermunterte sich ein Bootsmannsmaat, der die Barkasse
zu steuern hatte, sowie ein dicker
Maschinistenmaat, der die beiden
Motoren bediente.
Diese sechs Mann trabten zur
Backspier und kletterten die Strick-
leiter abwärts in die Barkasse.
Während die Maschine ange-
wärmt wurde, prüfte die Deckmann-
schaft, ob alles in Ordnung war.
Exzellenz hatte nämlich lausig scharfe
Augen.
Da es zwanzig Minuten dauerte,
bis die schweren Motoren liefen,
blieb der Decksmannschaft genügend
Zeit, sich zu betätigen. Inzwischen
war die Fallreepswache vom Anter-
offizier der Wache auf die Beine
gebracht worden. Sechs Mann, aus-
gerüstet mit Schwert und Knarre,
bauten sich in Reih und Glied vor
dem Steuerbordfallreep auf — dazu
am Flügel der Spielmann mit seiner
Trommel, mit der er Seine Exzellenz
von Bord zu trommeln gedachte,
während seine Kameraden einen pri-
missima Präsentiergriff hinzuhauen
beabsichtigten.
Kaum hatte ich meine Mannen
gemustert, als von Backbord das
baldige Erscheinen der Barkasse an-
gezeigt ward: dumpf tuckerten die
Motoren. Ich erteilte also den nächsten
Befehl — und zwar dem Läufer, der
an Bord die deutsche Reichspost ver-
körpert:
„Melden Sie dem Lerrn Kom-
mandanten, Äerrn Kapitän Kruse,
Die Macht der Gewohnheit
„Es ist eigenartig, aber je länger man so einen schweren
Koffer trägt, um so weniger spürt man'sl"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Macht der Gewohnheit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5116, S. 86
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg