Einheirat in Chicago
vorläufig vierzig Dollar die Woche.
Wo tragen Sie bloß Ihr Schießeisen?"
„Lier!" sagte der jungeMann schlicht,
zauberte blitzschnell unter den Achseln
zwei Pistolen hervor und hielt sie dem
Chef unter die Nase.
„Nicht schlecht, nicht schlecht," nickte
Mr. Walker, „fahren Sie nur so fort,
Andrew. And jetzt reihen Sie die Post
vom Sonnabend ein!"
Andrew diente treu, redlich und
fleißig. Mr. Walker genügte das allein
nicht, solange er nicht über alle in
seinen Angestellten schlummernden Fä-
higkeiten unterrichtet war.
„Andrew," sprach er daher eines
Tages, „nehmen Sie die Aktentasche
hier und tragen Sie diese fünftausend
Dollar auf die Bank!"
Der junge Mann zählte die gebün-
delten Geldscheine durch und steckte sie
der Reihe nach in die Aktentasche, die
auf dem Schreibtisch lag.
„Wie gefällt Ihnen übrigens jenes
Bild dort?" meinte der Chef, als An-
drew mit seiner Kaffe in Ordnung war.
„Ich bewundere es schon lange,"
sagte der junge Männ. „Das Mädchen
ist sehr hübsch!" — „Meine Tochter!"
„Eine Chance?" erkundigte sich An-
drew, während er sich wieder dem Chef
zuwandke.
„Lun," grunzte Mr. Walker, „wenn
Sie keine Dummheiten machen und sich
weiter verwendbar zeigen —" Diesmal
blickte er seinem Angestellten nur mit
einem Auge nach; das andere hatte er
zugekniffen.
Nach zwei Stunden betrat Andrew
das Privatkontor seines Chefs. „In-
folge eines Verkehrsunglücks kam ich
leider zu spät in die Bank," entschul-
digte er sich. „Die Schalter waren be.
reits geschlossen."
„And das Geld?"
„Ist natürlich hier!" Damit öffnete
der junge Mann die Aktentasche und
zählte daraus fünftausend Dollar auf
den Tisch.
„Na, schön," meinte der Chef und
nahm das Geld in Empfang, „dann
eben morgen. And übrigens, am Sonn-
abend gebe ich in meiner Villa ein
kleines Essen. Meine Tochter wird sich
sicher freuen, in Ihnen einen netten
Tischherrn zu finden."
Andrew verneigte sich dankend. Nach-
dem er gegangen war, rieb sich Mr.
Walker nachdenklich das Kinn. „Rät-
selhaft," murmelte er vor sich hi», „voll-
kommen rätselhaft. Ich möchte nur
wissen, wo der Junge das Geld her-
genommen hat. Jedenfalls aber ist er
richtig." Damit holte er unterm Schreib-
tisch die Aktentasche mit den fünftausend
Dollar hervor, die genau so aussah
wie die andere und die er in dem
Atlantik-Chartenhaus (vom Winde verweht)
Augenblick ausgetauscht hatte, da der junge Mann mit
der Betrachtung des Mädcheubildnisses an der Wand
beschäftigt gewesen war. Mit dem Anterschied, daß die
andere Aktentasche kein Geld, sondern nur ein paar alte
Bücher enthalten hatte. Zufriede» legte Mr. Walker
also zehntausend anstatt fünftausend Dollar in seinen
Geldschrank zurück.
Schon ein paar Wochen später wurde die Äochzeit
von Andrew und der Tochter seines Chefs gefeiert.
„Sage mir einmal, du alter Sand- und Wüsten-
strolch," wandte sich Mr. Walker, dem der Sekt schon
bei den Augen herausrauchte, an seinen Schwiegersohn,
„sage mir einmal, wie hast du das Kunststück zusam-
mengebracht, die fünftausend Dollar, die gar nicht in
der Tasche waren, herbeizuzaubern?"
„Wie ich am Bankschalter die Tasche öffnete," er-
klärte gelassen der junge Mann, „und nur ein paar
Bücher drinnen fand, da wußte ich natürlich gleich, daß
ich von dir altem Gauner hineingelegt worden war.
Glücklich erweise stand aber gerade ein Kaffenbote am Schal-
ter, dem der Beamte achttausend Dollar auf das Pult
„Zu was sind wir eigentlich ins Gebirge ge-
fahren, wo wir zu Laus alle fünf Minuten an
der Wand hochgehen können?"
Amerikanische Klage
(Die „New York Times'1 haben bittere Klage
geführt, daß aus dem Leben des nordamerika-
nischen Bürgers jetzt so vieles geschwunden sei.
was ihm das Leben erleichtert und angenehm
gemacht habe.)
Wer hätte je bei uns gedacht,
Daß solche Tage kämen.
Die immer mehr die Lebenslust
In USA vergrämenl
Keep smiling! Lächle stets! Das hat
Der Yankee gern bewiesen;
Wie aber soll das möglich sein
In dieser Zeit, der miesen?
Das Auto mußte sonst bei uns
Die größte Rolle spielen,
Jetzt läuft man sich die Stiefel durch,
Kriegt an den Füßen Schwielen,
Weil der Benzinverbrauch beschränkt
Die frohen Sonntagsfahrten
Im eignen Wagen gibt’s nicht mehr
In dieser Zeit, der harten.
Wie ist das Kochen jetzt erschwert!
Die Hausfrau muß sich härmen;
In Dosen gibt’s kein Essen mehr,
. Das nur noch aufzuwärmen.
Die Kochkunst hat sie nicht erlernt;
Der Magen muß ergrimmen,
Wenn sie jetzt selber was versucht
In dieser Zeit, der schlimmen.
Man pflegte sonst uns in das Haus
Die Morgenmilch zu liefern,
Jetzt muß man selber danach gehn.
Man wird mit immer schiefem
Und sauren Mienen angesehn
Die Lieferanten maulen,
Wenn man in ihre Läden kommt
In dieser Zeit der faulen
Wir haben gerne uns gerühmt
Daß ständig wir erhöhten
Den Lebensstandard der Union
Jetzt geht uns alles Holen
Was uns das Leben wert gemacht
Es ist fast zum Verzweifeln,
Man hält es kaum noch aus
und wünscht
Die Zeit zu allen Teufeln
zählte Also folgte ich dem Boten und
als er endlich einen Lansflur betrat,
nahm ich ihm das Geld weg Es blieben
sür mich immerhin noch dreitausend,"
„Äa, ha. du bist eine gute Nummer."
gröhlte fröhlich der Schwiegerpapa
„Wenn du aber nicht gerade den Kaffen-
boten erwischt häklest, wo wären wir
heute, junger Löwe?"
„Ich in Mexiko," meinte Andrew
und klopfte auf die Gegend, wo er eine
seiner Pistolen zu tragen pflegte, „und
du im Lümmel!"
„Ich werde dir demnächst mein Ge
schüft übergeben," sagte Mr Walker
seufzend, „die Zukunft gehört der
Jugend!"
93
vorläufig vierzig Dollar die Woche.
Wo tragen Sie bloß Ihr Schießeisen?"
„Lier!" sagte der jungeMann schlicht,
zauberte blitzschnell unter den Achseln
zwei Pistolen hervor und hielt sie dem
Chef unter die Nase.
„Nicht schlecht, nicht schlecht," nickte
Mr. Walker, „fahren Sie nur so fort,
Andrew. And jetzt reihen Sie die Post
vom Sonnabend ein!"
Andrew diente treu, redlich und
fleißig. Mr. Walker genügte das allein
nicht, solange er nicht über alle in
seinen Angestellten schlummernden Fä-
higkeiten unterrichtet war.
„Andrew," sprach er daher eines
Tages, „nehmen Sie die Aktentasche
hier und tragen Sie diese fünftausend
Dollar auf die Bank!"
Der junge Mann zählte die gebün-
delten Geldscheine durch und steckte sie
der Reihe nach in die Aktentasche, die
auf dem Schreibtisch lag.
„Wie gefällt Ihnen übrigens jenes
Bild dort?" meinte der Chef, als An-
drew mit seiner Kaffe in Ordnung war.
„Ich bewundere es schon lange,"
sagte der junge Männ. „Das Mädchen
ist sehr hübsch!" — „Meine Tochter!"
„Eine Chance?" erkundigte sich An-
drew, während er sich wieder dem Chef
zuwandke.
„Lun," grunzte Mr. Walker, „wenn
Sie keine Dummheiten machen und sich
weiter verwendbar zeigen —" Diesmal
blickte er seinem Angestellten nur mit
einem Auge nach; das andere hatte er
zugekniffen.
Nach zwei Stunden betrat Andrew
das Privatkontor seines Chefs. „In-
folge eines Verkehrsunglücks kam ich
leider zu spät in die Bank," entschul-
digte er sich. „Die Schalter waren be.
reits geschlossen."
„And das Geld?"
„Ist natürlich hier!" Damit öffnete
der junge Mann die Aktentasche und
zählte daraus fünftausend Dollar auf
den Tisch.
„Na, schön," meinte der Chef und
nahm das Geld in Empfang, „dann
eben morgen. And übrigens, am Sonn-
abend gebe ich in meiner Villa ein
kleines Essen. Meine Tochter wird sich
sicher freuen, in Ihnen einen netten
Tischherrn zu finden."
Andrew verneigte sich dankend. Nach-
dem er gegangen war, rieb sich Mr.
Walker nachdenklich das Kinn. „Rät-
selhaft," murmelte er vor sich hi», „voll-
kommen rätselhaft. Ich möchte nur
wissen, wo der Junge das Geld her-
genommen hat. Jedenfalls aber ist er
richtig." Damit holte er unterm Schreib-
tisch die Aktentasche mit den fünftausend
Dollar hervor, die genau so aussah
wie die andere und die er in dem
Atlantik-Chartenhaus (vom Winde verweht)
Augenblick ausgetauscht hatte, da der junge Mann mit
der Betrachtung des Mädcheubildnisses an der Wand
beschäftigt gewesen war. Mit dem Anterschied, daß die
andere Aktentasche kein Geld, sondern nur ein paar alte
Bücher enthalten hatte. Zufriede» legte Mr. Walker
also zehntausend anstatt fünftausend Dollar in seinen
Geldschrank zurück.
Schon ein paar Wochen später wurde die Äochzeit
von Andrew und der Tochter seines Chefs gefeiert.
„Sage mir einmal, du alter Sand- und Wüsten-
strolch," wandte sich Mr. Walker, dem der Sekt schon
bei den Augen herausrauchte, an seinen Schwiegersohn,
„sage mir einmal, wie hast du das Kunststück zusam-
mengebracht, die fünftausend Dollar, die gar nicht in
der Tasche waren, herbeizuzaubern?"
„Wie ich am Bankschalter die Tasche öffnete," er-
klärte gelassen der junge Mann, „und nur ein paar
Bücher drinnen fand, da wußte ich natürlich gleich, daß
ich von dir altem Gauner hineingelegt worden war.
Glücklich erweise stand aber gerade ein Kaffenbote am Schal-
ter, dem der Beamte achttausend Dollar auf das Pult
„Zu was sind wir eigentlich ins Gebirge ge-
fahren, wo wir zu Laus alle fünf Minuten an
der Wand hochgehen können?"
Amerikanische Klage
(Die „New York Times'1 haben bittere Klage
geführt, daß aus dem Leben des nordamerika-
nischen Bürgers jetzt so vieles geschwunden sei.
was ihm das Leben erleichtert und angenehm
gemacht habe.)
Wer hätte je bei uns gedacht,
Daß solche Tage kämen.
Die immer mehr die Lebenslust
In USA vergrämenl
Keep smiling! Lächle stets! Das hat
Der Yankee gern bewiesen;
Wie aber soll das möglich sein
In dieser Zeit, der miesen?
Das Auto mußte sonst bei uns
Die größte Rolle spielen,
Jetzt läuft man sich die Stiefel durch,
Kriegt an den Füßen Schwielen,
Weil der Benzinverbrauch beschränkt
Die frohen Sonntagsfahrten
Im eignen Wagen gibt’s nicht mehr
In dieser Zeit, der harten.
Wie ist das Kochen jetzt erschwert!
Die Hausfrau muß sich härmen;
In Dosen gibt’s kein Essen mehr,
. Das nur noch aufzuwärmen.
Die Kochkunst hat sie nicht erlernt;
Der Magen muß ergrimmen,
Wenn sie jetzt selber was versucht
In dieser Zeit, der schlimmen.
Man pflegte sonst uns in das Haus
Die Morgenmilch zu liefern,
Jetzt muß man selber danach gehn.
Man wird mit immer schiefem
Und sauren Mienen angesehn
Die Lieferanten maulen,
Wenn man in ihre Läden kommt
In dieser Zeit der faulen
Wir haben gerne uns gerühmt
Daß ständig wir erhöhten
Den Lebensstandard der Union
Jetzt geht uns alles Holen
Was uns das Leben wert gemacht
Es ist fast zum Verzweifeln,
Man hält es kaum noch aus
und wünscht
Die Zeit zu allen Teufeln
zählte Also folgte ich dem Boten und
als er endlich einen Lansflur betrat,
nahm ich ihm das Geld weg Es blieben
sür mich immerhin noch dreitausend,"
„Äa, ha. du bist eine gute Nummer."
gröhlte fröhlich der Schwiegerpapa
„Wenn du aber nicht gerade den Kaffen-
boten erwischt häklest, wo wären wir
heute, junger Löwe?"
„Ich in Mexiko," meinte Andrew
und klopfte auf die Gegend, wo er eine
seiner Pistolen zu tragen pflegte, „und
du im Lümmel!"
„Ich werde dir demnächst mein Ge
schüft übergeben," sagte Mr Walker
seufzend, „die Zukunft gehört der
Jugend!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Atlantik-Chartenhaus (vom Winde verweht)" "Zu was sind wie eigentlich ins Gebirge gefahren..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5116, S. 93
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg