Soldaten und Räuber
Die Polizei in London hat
Jetzt Räubereien nachzuspüren,
Die britische Soldaten dort
Mit Frechheit wiederholt vollführen.
So etwa spielt sich dieses ab.
In einem Wehrmachtauto fahren
Die Kerle in der Stadt umher,
Und wenn sie jemand dann gewahren,
Der was an Wert zu haben scheint,
So fragen sie nach seinen Pfaden,
Und ist sein Ziel nicht allzu nah —,
Wird er sehr freundlich eingeladen,
Doch einzusteigen, denn man sei
Auf eben diesem Weg begriffen.
Es gibt dann eine forsche Fahrt,
Bis plötzlich äußerst ungeschliffen
Sich das Soldatenvolk benimmt.
Mit vorgehaltenen Pistolen
Ersucht den Fahrgast man, sein Geld
Und auch die Uhr herauszuholen.
Er kann darauf noch glücklich sein,
Wird er, um seinen Leib zu schonen,
Behutsam dann entfernt und nicht
In voller Fahrt von den Patronen.
Ja, das ist mehrfach jetzt geschehn
In Großbritanniens Kapitale.
Der britischen Armee gereicht
Das zu erheblichem Skandale.
Der schlichte Bürger fragt darum:
Man spricht von unserm exzellenten,
So wundervollen Herr. Wie kommt
Es denn zu solchen Elementen?
Man hat die Tommies immer uns
Als brave Leute doch geschildert.
Wie ist es möglich, daß dabei
Auch Kerle, die so sehr verwildert?
Vielleicht ist's Uebereifer nur
Und eine Uebung der Soldaten
Für die, falls sie in Feindesland
Gelangen, dann erwünschten Taten.
—on.
Die Pfundkrise
Victor Emanuel
Obwohl er lange schon regiert,
Gab’s selten was von ihm zu hören.
Das Münzensammeln war sein Sport;
Er ließ sich ungern dabei stören.
Er war wohl auch nicht sehr begabt
Und nicht in einer Art geraten.
Die Lust und Fähigkeit verleiht
Zu wahrhaft königlichen Taten.
Viel Mühe hat er nie gehabt;
Er brauchte gar nicht sich zu regen
Und lebte einen guten Tag.
Die Arbeit, die dem Land zum Segen,
Die tat mit nimmermüdem Fleiß
Der Mann, dem wohl sein Dank gebührte,
Vor dem er aber insgeheim
Den Groll des Kleinen nur verspürte.
Und doch — obwohl gemangelt ihm
Erforderliche Qualitäten,
Zählt unter den Monarchen er
Entschieden zu den Raritäten
Und hat dafür gesorgt, daß nicht
So leicht sein Wirken wird vergessen
Und von der späten Nachwelt noch
Mit ganz besondrerer Maß gemessen.
Ganz ausgeschlossen muß es sein,
Daß in verborgnes Dunkel glitte
Der Name, den der König trug:
Victor Emanuel der Dritte.
Bis in die fernsten Zeiten noch
Dereinst von diesem Namen hallt es,
Gerade so wie etwa von
Herostratos und Ephialtes.
Victor Emanuel — nun kann
Der Name niemals mehr zerstieben;
Ins Buch der Weltgeschichte hat
Er selber fest ihn eingeschrieben.
Daneben steht nicht viel bemerkt,
Doch ist’s von ganz besondrer Sorte;
Nur ein paar Worte sind es zwar;
Jedoch es sind gebrochne Worte. —on.
Kleine Zeitgeschichten
Die drei Brüder Grunzer, der Vetter Julius und die Base
Agathe haben vor Jahren zusammen ein Laus mit vier Wohnungen
geerbt, und da ihnen das die beste Verwertung schien, sind sie alle dort
eingezogen, die Brüder Grunzer mit ihren Familien in drei Wohnungen,
und der Vetter Julius als Junggeselle und die ledige Base Agathe
in die vierte.
Wenn Verwandte nahe beisammen wohnen, zanken sie sich manch-
mal. Das ist auch hier öfter geschehen, aber jetzt hat es einen ganz
furchtbaren Krach mit dem Vetter Julius gegeben, weil der sich ein
Waldhorn gekauft und darauf geblasen hatte. Es sind sehr unfreund-
liche Worte gegen den Vetter Julius gefallen, und der hat schließ-
lich geschrieen, er rücke aus, und man werde ihn nie mehr Wieder-
sehen. Bums — da war auch schon die Laustür hinter ihm zugeknallt.
Das ist vor vier Tagen gewesen. Der Vetter Julius ist ver-
schwunden geblieben, und jetzt wird Familienrat gehalten. Natürlich
muß man den Vetter Julius, der ja eigentlich ein guter Kerl ist,
zurlickholen. Aber wie soll man ihn finden?
200
„Wir müssen Inserate aufgeben," schlägt die Base Agathe vor.
„Etwa so: Kehre zurück, Julius! Wir sind mit dem Waldhorn ein-
verstanden."
„Ja, das wollen wir machen," meint Oskar Grunzer.
„Wir müßten auch Plakate ankleben lassen," schlägt Emil Grunzer
vor. „Vielleicht bekornnit er die Zeitungsanzeigen nicht zu Gesicht."
„Gut, machen wir!" sagt Benno Grunzer. „Ich werde gleich gehn
und das veranlassen."
Aber da meldet sich Emma Grunzer, die rechnende Lausfrau.
„Ach, das wird ja so viel kosten! Wir wollen lieber noch bis über-
morgen warten. Vielleicht kommt er inzwischen von selbst zurück —
morgen gibt es ja die neuen Lebensmittelkarten."
Eine Zeugin
Sie werden vielleicht nicht wissen, was eine Lischke ist — es sei
denn, daß Sie aus der Gegend zwischen Weichsel und Pregel zu
Lause sind. Eine Lischke ist dortzulande ein sehr beliebtes Ver-
packungs- und Beförderungsmittel: ein ganz leichter, aus Schilf ge-
Die Polizei in London hat
Jetzt Räubereien nachzuspüren,
Die britische Soldaten dort
Mit Frechheit wiederholt vollführen.
So etwa spielt sich dieses ab.
In einem Wehrmachtauto fahren
Die Kerle in der Stadt umher,
Und wenn sie jemand dann gewahren,
Der was an Wert zu haben scheint,
So fragen sie nach seinen Pfaden,
Und ist sein Ziel nicht allzu nah —,
Wird er sehr freundlich eingeladen,
Doch einzusteigen, denn man sei
Auf eben diesem Weg begriffen.
Es gibt dann eine forsche Fahrt,
Bis plötzlich äußerst ungeschliffen
Sich das Soldatenvolk benimmt.
Mit vorgehaltenen Pistolen
Ersucht den Fahrgast man, sein Geld
Und auch die Uhr herauszuholen.
Er kann darauf noch glücklich sein,
Wird er, um seinen Leib zu schonen,
Behutsam dann entfernt und nicht
In voller Fahrt von den Patronen.
Ja, das ist mehrfach jetzt geschehn
In Großbritanniens Kapitale.
Der britischen Armee gereicht
Das zu erheblichem Skandale.
Der schlichte Bürger fragt darum:
Man spricht von unserm exzellenten,
So wundervollen Herr. Wie kommt
Es denn zu solchen Elementen?
Man hat die Tommies immer uns
Als brave Leute doch geschildert.
Wie ist es möglich, daß dabei
Auch Kerle, die so sehr verwildert?
Vielleicht ist's Uebereifer nur
Und eine Uebung der Soldaten
Für die, falls sie in Feindesland
Gelangen, dann erwünschten Taten.
—on.
Die Pfundkrise
Victor Emanuel
Obwohl er lange schon regiert,
Gab’s selten was von ihm zu hören.
Das Münzensammeln war sein Sport;
Er ließ sich ungern dabei stören.
Er war wohl auch nicht sehr begabt
Und nicht in einer Art geraten.
Die Lust und Fähigkeit verleiht
Zu wahrhaft königlichen Taten.
Viel Mühe hat er nie gehabt;
Er brauchte gar nicht sich zu regen
Und lebte einen guten Tag.
Die Arbeit, die dem Land zum Segen,
Die tat mit nimmermüdem Fleiß
Der Mann, dem wohl sein Dank gebührte,
Vor dem er aber insgeheim
Den Groll des Kleinen nur verspürte.
Und doch — obwohl gemangelt ihm
Erforderliche Qualitäten,
Zählt unter den Monarchen er
Entschieden zu den Raritäten
Und hat dafür gesorgt, daß nicht
So leicht sein Wirken wird vergessen
Und von der späten Nachwelt noch
Mit ganz besondrerer Maß gemessen.
Ganz ausgeschlossen muß es sein,
Daß in verborgnes Dunkel glitte
Der Name, den der König trug:
Victor Emanuel der Dritte.
Bis in die fernsten Zeiten noch
Dereinst von diesem Namen hallt es,
Gerade so wie etwa von
Herostratos und Ephialtes.
Victor Emanuel — nun kann
Der Name niemals mehr zerstieben;
Ins Buch der Weltgeschichte hat
Er selber fest ihn eingeschrieben.
Daneben steht nicht viel bemerkt,
Doch ist’s von ganz besondrer Sorte;
Nur ein paar Worte sind es zwar;
Jedoch es sind gebrochne Worte. —on.
Kleine Zeitgeschichten
Die drei Brüder Grunzer, der Vetter Julius und die Base
Agathe haben vor Jahren zusammen ein Laus mit vier Wohnungen
geerbt, und da ihnen das die beste Verwertung schien, sind sie alle dort
eingezogen, die Brüder Grunzer mit ihren Familien in drei Wohnungen,
und der Vetter Julius als Junggeselle und die ledige Base Agathe
in die vierte.
Wenn Verwandte nahe beisammen wohnen, zanken sie sich manch-
mal. Das ist auch hier öfter geschehen, aber jetzt hat es einen ganz
furchtbaren Krach mit dem Vetter Julius gegeben, weil der sich ein
Waldhorn gekauft und darauf geblasen hatte. Es sind sehr unfreund-
liche Worte gegen den Vetter Julius gefallen, und der hat schließ-
lich geschrieen, er rücke aus, und man werde ihn nie mehr Wieder-
sehen. Bums — da war auch schon die Laustür hinter ihm zugeknallt.
Das ist vor vier Tagen gewesen. Der Vetter Julius ist ver-
schwunden geblieben, und jetzt wird Familienrat gehalten. Natürlich
muß man den Vetter Julius, der ja eigentlich ein guter Kerl ist,
zurlickholen. Aber wie soll man ihn finden?
200
„Wir müssen Inserate aufgeben," schlägt die Base Agathe vor.
„Etwa so: Kehre zurück, Julius! Wir sind mit dem Waldhorn ein-
verstanden."
„Ja, das wollen wir machen," meint Oskar Grunzer.
„Wir müßten auch Plakate ankleben lassen," schlägt Emil Grunzer
vor. „Vielleicht bekornnit er die Zeitungsanzeigen nicht zu Gesicht."
„Gut, machen wir!" sagt Benno Grunzer. „Ich werde gleich gehn
und das veranlassen."
Aber da meldet sich Emma Grunzer, die rechnende Lausfrau.
„Ach, das wird ja so viel kosten! Wir wollen lieber noch bis über-
morgen warten. Vielleicht kommt er inzwischen von selbst zurück —
morgen gibt es ja die neuen Lebensmittelkarten."
Eine Zeugin
Sie werden vielleicht nicht wissen, was eine Lischke ist — es sei
denn, daß Sie aus der Gegend zwischen Weichsel und Pregel zu
Lause sind. Eine Lischke ist dortzulande ein sehr beliebtes Ver-
packungs- und Beförderungsmittel: ein ganz leichter, aus Schilf ge-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Pfundkrise"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5125, S. 200
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg