..und wenn es eines Tages Neumond wird, —
muß ich dann auch verschwinden?“
Der alte Schwindel
(Der „Daily Herald“ hat unter der Ueberschrift „Die alten Schufte sind wieder
aufgetaucht“ über einen in allen größeren Städten Englands schon im vorigen
Kriege verübten und auch jetzt wieder weit verbreiteten Schwindel berichtet.)
Statt daß wir in England uns
Um Sitte und Anstand bemühen,
Sieht überall man im Land
Nur allerlei Schwindel blühen.
Es scheint, daß die Ehrlichkeit
Im Feuer des Krieges verpuffte,
Und wieder tauchten auch auf
Von damals die alten Schufte.
In jeder Woche beinah’
Wird gegründet eine Gesellschaft,
Die vorgibt als ihren Zweck.
Daß sie nötige Hilfe schnell schafft.
Sie sorge für jene, die schwer
Im Kriege zu leiden haben.
O, reicht uns, heißt es dann laut,
Recht viele freundliche Gaben I
Wo aber bleibt dann das Geld?
Wird es für Arme verwendet?
Kauft man wohl Dinge dafür,
Die man Verwundeten spendet?
O nein, das Geld, das sie so
In großer Menge erhaschen,
Das stecken die Kerle dann
In ihre eigenen Taschen.
So war es im vorigen Krieg,
So ist es wiederum heute;
Die gleichen Schufte sind da
Und holen sich ihre Beute.
Das Publikum aber setzt
Sich nicht dagegen zur Wehre;
Man zog aus dem vorigen Krieg
Doch nicht die nötige Lehre.
In diesem Zusammenhang
Möcht' man beinahe erklären:
Wir ließen uns überhaupt
Durch den vorigen Krieg nicht belehren.
—on.
Erichs Leistungen
vierwöchigen Periode zusammen, was dir an rationierten Lebens-
mitteln zur Verfügung steht, und teilst die gegebene Menge auf
die einzelnen Woche» aus. Das gibt soviel Fleisch, soviel Fett, so-
viel Käse, soviel Weiß- und Schwarzbrot, soviel Nährmittel usw.
Mit diesem Wochenquantum mußt du auskommen. Das ist das
ganze Geheimnis der Selbsternährung."
Erich ist die Genauigkeit in Person. Was er tut, tut er
gründlich. Alles Obenhin, alles Angefähr, alle Lalbheiten sind
ihm ein Greuel. Er gab sich nicht mit der annähernden, summarischen
Einteilung seines Nahrungsquantums zufrieden, wie ich es ihm in
meiner oberflächliche», leichtfertigen Art angeraten hatte. Er wollte
nicht aufs Geratewohl aus der Kartentasche in den Mund leben.
Er ist Bürokrat, den nur das Papier beseligt. Ordnung ist für ihn
erst dann Ordnung, wenn sie schriftlich niedergelegt ist. Lätte er
die Welt geschaffen, so sicher nicht ohne Kostenvoranschlag. Erich legte
also eine richtige Buchführung an, eröffnete seinem Fett, seinem
Fleisch — wohlverstanden: dem käuflichen, nicht dem körperlichen
seiner Butter, seinem Brot besondere Konten, vermerkte bei Ein-
käufen, bei Einnahme seiner Mahlzeiten m den Gaststätten sofort in
seinem Notizbüchlein jeden Abgang von Marken, verbuchte ihn abends
auf den Konten und prüfte an Land des Markenbestandes de»
Stand der Konten nach. Wie wohltuend war die Feststellung, wenn
dieses oder jenes Konto an einem oder gar mehreren Tagen keine
Verminderung erfuhr. Unwillkürlich regte sich bei dem kaufmännischen
Verfahren der kaufmännische Ehrgeiz nach Gewinnen. Schon trieb
Erich bewußt und vorbedacht eine auf tunlichste Schonung der Sub-
stanz gerichtete Lebensmittelpolitik. Im Gasthaus entschied er sich
für Gerichte, die mit einem Minimum von Marken zu bestreiten
waren, vergrößerte seinen Kartoffelkonsum, unternahm Forschungs-
expeditionen durch alle Stadtviertel nach markenfreien Fischwaren.
Als überzeugter Nurkonsument, wagte er zwar keine Experimente
auf dem Kochherde, improvisierte aber kühne kalte Küche, die ihn
mit sichtlicher Erfinderfreude erfüllte, wenn sie auch vor dem ge-
strengen Auge Frau Trude keine Gnade gefunden hätte: Lachspaste
„Na, wie hat dir denn der Onkel Doktor gefallen, Lore?"
„Ach, ich mag Lerren mit grau möbliertem Laar nicht."
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muß ich dann auch verschwinden?“
Der alte Schwindel
(Der „Daily Herald“ hat unter der Ueberschrift „Die alten Schufte sind wieder
aufgetaucht“ über einen in allen größeren Städten Englands schon im vorigen
Kriege verübten und auch jetzt wieder weit verbreiteten Schwindel berichtet.)
Statt daß wir in England uns
Um Sitte und Anstand bemühen,
Sieht überall man im Land
Nur allerlei Schwindel blühen.
Es scheint, daß die Ehrlichkeit
Im Feuer des Krieges verpuffte,
Und wieder tauchten auch auf
Von damals die alten Schufte.
In jeder Woche beinah’
Wird gegründet eine Gesellschaft,
Die vorgibt als ihren Zweck.
Daß sie nötige Hilfe schnell schafft.
Sie sorge für jene, die schwer
Im Kriege zu leiden haben.
O, reicht uns, heißt es dann laut,
Recht viele freundliche Gaben I
Wo aber bleibt dann das Geld?
Wird es für Arme verwendet?
Kauft man wohl Dinge dafür,
Die man Verwundeten spendet?
O nein, das Geld, das sie so
In großer Menge erhaschen,
Das stecken die Kerle dann
In ihre eigenen Taschen.
So war es im vorigen Krieg,
So ist es wiederum heute;
Die gleichen Schufte sind da
Und holen sich ihre Beute.
Das Publikum aber setzt
Sich nicht dagegen zur Wehre;
Man zog aus dem vorigen Krieg
Doch nicht die nötige Lehre.
In diesem Zusammenhang
Möcht' man beinahe erklären:
Wir ließen uns überhaupt
Durch den vorigen Krieg nicht belehren.
—on.
Erichs Leistungen
vierwöchigen Periode zusammen, was dir an rationierten Lebens-
mitteln zur Verfügung steht, und teilst die gegebene Menge auf
die einzelnen Woche» aus. Das gibt soviel Fleisch, soviel Fett, so-
viel Käse, soviel Weiß- und Schwarzbrot, soviel Nährmittel usw.
Mit diesem Wochenquantum mußt du auskommen. Das ist das
ganze Geheimnis der Selbsternährung."
Erich ist die Genauigkeit in Person. Was er tut, tut er
gründlich. Alles Obenhin, alles Angefähr, alle Lalbheiten sind
ihm ein Greuel. Er gab sich nicht mit der annähernden, summarischen
Einteilung seines Nahrungsquantums zufrieden, wie ich es ihm in
meiner oberflächliche», leichtfertigen Art angeraten hatte. Er wollte
nicht aufs Geratewohl aus der Kartentasche in den Mund leben.
Er ist Bürokrat, den nur das Papier beseligt. Ordnung ist für ihn
erst dann Ordnung, wenn sie schriftlich niedergelegt ist. Lätte er
die Welt geschaffen, so sicher nicht ohne Kostenvoranschlag. Erich legte
also eine richtige Buchführung an, eröffnete seinem Fett, seinem
Fleisch — wohlverstanden: dem käuflichen, nicht dem körperlichen
seiner Butter, seinem Brot besondere Konten, vermerkte bei Ein-
käufen, bei Einnahme seiner Mahlzeiten m den Gaststätten sofort in
seinem Notizbüchlein jeden Abgang von Marken, verbuchte ihn abends
auf den Konten und prüfte an Land des Markenbestandes de»
Stand der Konten nach. Wie wohltuend war die Feststellung, wenn
dieses oder jenes Konto an einem oder gar mehreren Tagen keine
Verminderung erfuhr. Unwillkürlich regte sich bei dem kaufmännischen
Verfahren der kaufmännische Ehrgeiz nach Gewinnen. Schon trieb
Erich bewußt und vorbedacht eine auf tunlichste Schonung der Sub-
stanz gerichtete Lebensmittelpolitik. Im Gasthaus entschied er sich
für Gerichte, die mit einem Minimum von Marken zu bestreiten
waren, vergrößerte seinen Kartoffelkonsum, unternahm Forschungs-
expeditionen durch alle Stadtviertel nach markenfreien Fischwaren.
Als überzeugter Nurkonsument, wagte er zwar keine Experimente
auf dem Kochherde, improvisierte aber kühne kalte Küche, die ihn
mit sichtlicher Erfinderfreude erfüllte, wenn sie auch vor dem ge-
strengen Auge Frau Trude keine Gnade gefunden hätte: Lachspaste
„Na, wie hat dir denn der Onkel Doktor gefallen, Lore?"
„Ach, ich mag Lerren mit grau möbliertem Laar nicht."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"John Bull im Mond" "Na, wie hat dir denn der Onkel Doktor gefallen, Lore?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5126, S. 210
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg