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DIE KOPIEN
Von Alfred Richter
Mister Dunbar wußte nicht mehr, wohin mit dem Geld. Die
Rüstungsaktien warfen enorm ab. Er hatte sich zeitig genug damit
eingedeckt. Wie also legte man den Zaster in neuen Werten an?
Mister Dunbar begann, Gemälde zu kaufen. Er verstand zwar nichts
davon, aber er fand einen brotlosen Gelehrten, der ihn beriet, und
so erwarb er nach und nach eine ganze Reihe kostbarer Originale.
Das war im ersten Weltkrieg.
Zn dem zweiten ging es den umgekehrten Weg. Es fielen Bom-
ben, und ob er die teuren Bilder würde retten können, vermochte
Mister Dunbar nicht zu ermessen. Am besten war es wohl, er stieß
sie wieder ab. Ein inneres Verhältnis zu ihren Werten hatte er
sowieso nie gewonnen. Sie waren eben Bilder, die eine gute Ka-
pitalanlage dargestellt hatten, mehr nicht. Mister Dunbar überlegte,
wie man möglichst viel aus den geplanten Verkäufen Herausschlitzen
könnte. Er erkundigte sich
nach einem Mann, der da-
für bekannt sei, gute Ko-
pien zu malen, und suchte
ihn auf. „Lören Sie," sagte
er zu ihm, „ich besitze die
Originale, die auf dieser
Liste stehen. Wollen Sie
sie kopieren?"
Der Maler überflog die
Liste und warf einen Blick
voller Lochachtung auf den
Besitzer solcher Kostbar-
keiten. Das mußte ja ein
KennerundLiebhaber erster
Ordnung sein! „Kopieren
würde ich diese Werke alle-
samt," sagte er höflich,
„leider kann ich mir ein
solches Vergnügen aber
nicht leisten. Ich bin da-
rauf angewiesen, in festem
Auftrag zu arbeiten. Da-
zu zwingt mich die Be-
grenztheit meiner Wirt-
schaftslage. Ich kann es
mir nicht leisten, auf Ri-
siko Kopien zu malen und
sie hinzuhängen, bis viel-
leicht ein Käufer kommt."
Dunbar konnte ihn be-
ruhigen. „Sie verstehen
242
mich vollkommen falsch," sagte er zu dem Maler, „Sie sollen die
Kopien für mich anfertigen. Ich will die Originale und die Ko-
pien besitzen. Ich würde Ihnen den festen Auftrag geben, meinet-
wegen auch Vorschuß gewähren. Also, wollen Sie es übernehmen?"
Der Maler, aus diesem Gebiete in Britannien nicht verwöhnt,
schlug mit Freuden ein und schrieb den Namen eines so großzügigen
Mäzens, wie dieser Dunbar offensichtlich einer war, mit goldenen
Lettern in sein Gedächtnis, machte sich mit brennendem Eifer ans
Werk und konnte sehr bald dem Gönner, wie er ihn nannte, die
erste fertige Arbeit vorlegen. Dunbar betrachtete sie, verglich sie
mit dem Original und brummte: „Soweit ganz gut, aber es fehlt
was dran."
„Es fehlt etwas? Ja, was denn?"
„Lierl" sagte Dunbar und deutete auf die Stelle, wo bei dem
Original des Künstlers
Namenszug stand, durch
den die Echtheit der Ar-
beit bezeugt war. „Das
fehlt, mein Verehrter!"
Der Künstler trat einen
Schritt zurück. „Wie?"
stammelte er, „Sie erwar-
ten, daß ich sogar das Sig-
num mitkopiere, das ist
doch gegen allen Gebrauch,
ja gegen das Gesetz, mein
Lerr! Das Signum kann
und darf nur auf dem Ori-
ginal stehen. Das wissen
wir doch alle!"
Mister Dunbar riß die
Augen auf. Dergleichen
hatte er noch nicht gehört.
„So?" sagte er ärgerlich,
„Sie sind also ein Prin-
zipienreiter?"
„Aber, Mister Dun-
bar — I"
„Ach was I Das Signum
muß darauf, basta! Ich
will verkaufen und-."
„Wie? Sie wollen Ko-
pien mit falschem Signum
sogar verkaufen?"
„Mensch," prusteteDun-
bar ungeduldig, „ich will ein
„Sieh nur, der schaufelt wahrhaftig das Apfelkompott mit dem Bratenmesser ein!"
„Bring ihm wenigstens ein Obstmesser!"
DIE KOPIEN
Von Alfred Richter
Mister Dunbar wußte nicht mehr, wohin mit dem Geld. Die
Rüstungsaktien warfen enorm ab. Er hatte sich zeitig genug damit
eingedeckt. Wie also legte man den Zaster in neuen Werten an?
Mister Dunbar begann, Gemälde zu kaufen. Er verstand zwar nichts
davon, aber er fand einen brotlosen Gelehrten, der ihn beriet, und
so erwarb er nach und nach eine ganze Reihe kostbarer Originale.
Das war im ersten Weltkrieg.
Zn dem zweiten ging es den umgekehrten Weg. Es fielen Bom-
ben, und ob er die teuren Bilder würde retten können, vermochte
Mister Dunbar nicht zu ermessen. Am besten war es wohl, er stieß
sie wieder ab. Ein inneres Verhältnis zu ihren Werten hatte er
sowieso nie gewonnen. Sie waren eben Bilder, die eine gute Ka-
pitalanlage dargestellt hatten, mehr nicht. Mister Dunbar überlegte,
wie man möglichst viel aus den geplanten Verkäufen Herausschlitzen
könnte. Er erkundigte sich
nach einem Mann, der da-
für bekannt sei, gute Ko-
pien zu malen, und suchte
ihn auf. „Lören Sie," sagte
er zu ihm, „ich besitze die
Originale, die auf dieser
Liste stehen. Wollen Sie
sie kopieren?"
Der Maler überflog die
Liste und warf einen Blick
voller Lochachtung auf den
Besitzer solcher Kostbar-
keiten. Das mußte ja ein
KennerundLiebhaber erster
Ordnung sein! „Kopieren
würde ich diese Werke alle-
samt," sagte er höflich,
„leider kann ich mir ein
solches Vergnügen aber
nicht leisten. Ich bin da-
rauf angewiesen, in festem
Auftrag zu arbeiten. Da-
zu zwingt mich die Be-
grenztheit meiner Wirt-
schaftslage. Ich kann es
mir nicht leisten, auf Ri-
siko Kopien zu malen und
sie hinzuhängen, bis viel-
leicht ein Käufer kommt."
Dunbar konnte ihn be-
ruhigen. „Sie verstehen
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mich vollkommen falsch," sagte er zu dem Maler, „Sie sollen die
Kopien für mich anfertigen. Ich will die Originale und die Ko-
pien besitzen. Ich würde Ihnen den festen Auftrag geben, meinet-
wegen auch Vorschuß gewähren. Also, wollen Sie es übernehmen?"
Der Maler, aus diesem Gebiete in Britannien nicht verwöhnt,
schlug mit Freuden ein und schrieb den Namen eines so großzügigen
Mäzens, wie dieser Dunbar offensichtlich einer war, mit goldenen
Lettern in sein Gedächtnis, machte sich mit brennendem Eifer ans
Werk und konnte sehr bald dem Gönner, wie er ihn nannte, die
erste fertige Arbeit vorlegen. Dunbar betrachtete sie, verglich sie
mit dem Original und brummte: „Soweit ganz gut, aber es fehlt
was dran."
„Es fehlt etwas? Ja, was denn?"
„Lierl" sagte Dunbar und deutete auf die Stelle, wo bei dem
Original des Künstlers
Namenszug stand, durch
den die Echtheit der Ar-
beit bezeugt war. „Das
fehlt, mein Verehrter!"
Der Künstler trat einen
Schritt zurück. „Wie?"
stammelte er, „Sie erwar-
ten, daß ich sogar das Sig-
num mitkopiere, das ist
doch gegen allen Gebrauch,
ja gegen das Gesetz, mein
Lerr! Das Signum kann
und darf nur auf dem Ori-
ginal stehen. Das wissen
wir doch alle!"
Mister Dunbar riß die
Augen auf. Dergleichen
hatte er noch nicht gehört.
„So?" sagte er ärgerlich,
„Sie sind also ein Prin-
zipienreiter?"
„Aber, Mister Dun-
bar — I"
„Ach was I Das Signum
muß darauf, basta! Ich
will verkaufen und-."
„Wie? Sie wollen Ko-
pien mit falschem Signum
sogar verkaufen?"
„Mensch," prusteteDun-
bar ungeduldig, „ich will ein
„Sieh nur, der schaufelt wahrhaftig das Apfelkompott mit dem Bratenmesser ein!"
„Bring ihm wenigstens ein Obstmesser!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sieh nur, der schaufelt wahrhaftig das Apfelkompott mit dem Bratenmesser ein!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5129, S. 242
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg