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Die Liebe weint

Von Jo Lanns RSSler

„Wie ich meinen Mann kennenlernte?" antwortete Mathilde und Tanzes sprach er nicht, aber zum Abschied legte er noch einmal das Tuch

sah träumend in die Ferne. „Das ist eine romantische Geschichte. Ich an seine Lippen. — „Ich habe eine große Bitte," sagte er dann.

war damals gerade zwanzig Jahre
alt geworden und wußte nicht viel
von der Welt. Wohl hatte ich mich
von Studenten küssen lassen, aber
es waren lustige Küsse gewesen,
und wenn mich einer umarmte,
hatten wir dabei gelacht. Du kennst
ja den liebermut der Jugend, die
über alle Zäune steigt und in Nach-
bars Garten Kirschen stiehlt, ohne
sich viel dabei zu denken. Ich aber
lebte mit meinen Gedanken in
einem Märchenreich, ich stellte mir
einen Prinzen vor, der auf einem
goldgezäunten Schimmel über die
Dornenhecke des Alltäglichen setzen
würde, und der gegen das Pfand
seines Kopfes die sieben Rätsel zu
lösen bereit war, da er lieber sterben
wollte, als mich nicht zu besitzen. So
malte ich mir die Liebe aus. Da
trat Marinus in mein Leben."

„DerPrinzaufdem Schimmel?"

„Er kam auf einem Fahrrad.
Es war ein kleines Gartenfest bei
Freunden. Erst fiel er mir gar nicht
auf. Er hatte ein alltägliches Ge-
sicht, war nicht sehr groß, und als
er mich zum Tanzen aufforderte,
war es mir eigentlich gar nicht
recht. Lieber hätte ich mit dem
jungen Mediziner getanzt, der mich
schon einmal hinter der Lecke ge-
küßt hatte, aber er machte jetzt
meiner Freundin Marianne den
Los, und ich sah gerade, wie er sie
hinter die gleiche Lecke führte, hinter
der er mit mir gestanden hatte.
Ich nickte also dem unscheinbaren
jungen Mann zu, erhob mich und
ließ mich zum Tanze führen. Ich
hatte ein kleines Tuch in der Land,
wie es damals die jungen Mädchen
beim Tanzen trugen. Wie überrascht
war ich,als meinTänzer dasTaschen-
tuch nahm und es an sein Gesicht
führte, um es erst dann wieder in
meine Land zu legen. Während des
290

„Ist denn der Brief überhaupt an dich gerichtet?"
„Die Anrede,Mein Liebstes auf der Welt" stimmt,
aber die Adresse ist eine andere."

„Kann ich sie Ihnen erfüllen?"
fragte ich.

Er nickte. Tränen standen in
seinen Augen.

„Geben Sie mir das Tuch, das
Sie bei unserem Tanz trugen,"
flehte er, „ich wäre sehr, sehr glück-
lich darüber!"

Welch sonderbarerMensch,dachte
ich. Wenn er mich um einen Kuß ge-
beten hätte, ich hätte es ihm nicht
verwehrt. So sehr liebt er mich
also, so keusch sind seine Gedanken,
daß er sie nur dem Tuch, dem stum-
men Unterpfand der Liebe, anver-
trauen kann! Ich gab ihm das Tuch.
Aber seine Schwärmerei hatte mich
angesteckt, ich mußte immer an ihn
denken, ich konnte die ganze Nacht
nicht schlafen, und meine Gedanken
waren bei meinem Tuch in seiner
Land. Wie brennend heiß war diese
Land gewesen, als er von mir ging.
Es gab also einen, jauchzte mein
Lerz, der die Liebe nicht als leich-
tes Spiel nahm, es gab den Ritter
aus dem Märchenland, auf den ich
gewartet hatte. Wie groß muß die
Liebe eines Mannes sein, dem das
Tuch der geliebten Frau so viel
bedeutet, daß er mit Tränen in den
Augen darum bittet! Wir haben
uns später geheiratet und sind sehr
glücklich geworden."

„Wie ich meine Frau kennen-
lernte?" sagte Marinus und lachte
vergnügt. „Das ist eine ganz einfache
Geschichte. Ich war auf einem Gar-
tenfest und hatte einen schrecklichen
Schnupfen, der mir die Tränen in
die Augen trieb. Zum Aeberfluß
hatte ich mein Taschentuch vergessen
und bat ein junges Mädchen um ihr
Tuch. Aber verrate meiner Frau
nichts davon, sie ist ein wenig roman-
tisch und hat sich eine Geschichte aus-
gedacht, die sie sehr glücklich macht."
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ist denn der Brief überhaupt an dich gerichtet?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5133, S. 290
 
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