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o

Cinc Ohrfeige

Von Peter Robinson

Korthals und Roller sitzen in einem gemütlichen kleinen Lokal in
einer besonders gemütlichen Ecke, wo man vor den übrigen Gästen
angenehm verborgen ist. Es steht da nur ein Tisch für drei Personen,
an dem sich gewöhnlich Korthals und Roller zu einer beide be-
friedigenden abendlichen Zweisamkeit zusammenfinden. Aber manch-
mal kommt auch noch Plaschke hinzu, und dann scheint Korthals
und Roller die Ecke nicht so gemütlich.

Korthals seufzt: „Leute wird Plaschke kommen; er hat's mir
mittags angekündigt."

„Da kann man nichts machen," brummt Roller.

„Ich kann den Menschen immer weniger ertragen," stöhnt Kort-
hals. „Alles will er besser wissen, mit einer aufreizenden Aeber-
heblichkeit."

Roller nickt. „And dabei ist er von einer Dummheit, die einen
geradezu schmerzhaft berührt."

„Ja, man möchte sich manchmal die Ohren zuhalten," bestätigt Kort-
hals. „Besonders, wenn er ironisch sein will. Dabei versteht er sich
nur auf die simpelste, erbärmliche Form der Ironie, die sich zum
Spott den Schein des Bewunderns und Preisens gibt. Gestern hat
er mich heimgesucht und sich meinen Garten angesehen. Da Hab' ich
dieses Jahr allerlei Pech gehabt. Als es so trocken war, Hab' ich
nicht ordentlich gießen können; mein Rheumatismus quälte mich.
Der Salat ist kümmerlich geworden, die Bohnen sind zurückgeblieben
und so weiter. Ein vernünftiger, anständiger Mensch würde mir dazu
sein Bedauern ausdrücken. Aber was hat
Plaschke getan? Gegrinst hat er und ge-
sagt: ,Wunderbarer Salat!' und ,Lerrliche
Bohnen!' und so weiter. In den Länden
hat es mir dabei gekribbelt; eine Ohrfeige
hätte ich ihm 'runterhauen mögen."

ALLES WAQEN

„Ist doch klar: um sich selbst immer wieder zu zeigen, was für
ein überlegener Kerl er sei, braucht er solch ein Objekt, und Sie
eignen sich dazu, weil Sie geduldiger sind als andere. Sie sind eben
höflich, und Plaschke ist unhöflich. Die unhöflichen Leute sind den
höflichen gegenüber im Vorteil: sie können, wenn es ihnen nutzt, auch
einmal höflich sein, während die höflichen Leute, auch wenn es ganz
angebracht wäre, nicht unhöflich werden."

„Ach, es ist auch eine gewisse Antüchtigkeit dabei," seufzt Kort-
hals. „Ich würde Plaschke ja so gern einmal eine tüchtige Tachtel
verabfolgen, aber ich habe Scheu vor dem Spektakel, den es dann
geben würde."

Roller denkt nach. Dann sagt er: „Ich glaube, es ginge ohne Spek-
takel, wenn Sie ein kleines Geldopfer bringen wollten. Ich müßte
mich sehr irren, wenn das nicht für zwanzig Mark zu machen wäre.
Plaschke ist ja furchtbar geldgierig."

Korthals wundert sich über Roller. „Sie können doch nicht an-
nehmen, daß Plaschke sich für zwanzig Mark eine Ohrfeige von mir
geben läßt."

„Natürlich nicht; solche Geschäfte macht er denn doch nicht. Er
muß die zwanzig Mark von mir bekommen, unter einer Vorspiegelung,
auf die der Dummkopf sicherlich 'reinfällt. Ich möchte nämlich —

-" Roller unterbricht sich und horcht. „Aber da ist er schon;

er krakeelt am Büfett über die Speisekarte. Also gut: ich werde
Ihnen die erwünschte Gelegenheit verschaffen, ohne daß es Spektakel
geben kann; Plaschke wird sogar ganz
zufrieden sein. Ich bitte Sie nur, zu erzäh-
len, daß Sie gestern irgendwelche Schmerzen
gehabt haben. Ihr Rheumatismus kann sich
ja wieder gemeldet haben."-

„Lätten Sie's nur getan!" wünscht
Roller.

Korthals zuckt bekümmert die Achseln.
„Das ging doch nicht, er war ja mein Be-
sucher. Aber ich kann nicht garantieren,
daß ich mich nicht doch einmal bei einer
andern Gelegenheit Hinreißen lasse. Gerade
auf mich hat Plaschke es abgesehen. Er
lacht mich aus, wen» es gar nichts zu lachen
gibt; er will mich belehren wie einen Schüler,
wenn ich etwas gesagt habe, worüber er
— das kommt natürlich oft bei ihm vor —
anderer Meinung ist; er stellt sich hoch über
mir auf und schaut auf mich hinunter.
Warum muß gerade ich das Objekt seiner
Aeberheblichkeit sein?"

302

ALLES WAQEN

ALLES WAQ E N.

N I E VERZAQEN
SOLL DEIN HOFFEND HERZ;
NUR IM STREBEN
ZWINQT DEIN LEBEN
JEDEN BANQEN SCHMERZ.
*

NUR NICHT WEICHEN
VOR DEN ZEICHEN
EINER DUNKLEN NOT;
VORWÄRTS SCHAUEN
UND VERTRAUEN
AUF EIN MORQENROT.

FRANZ CINQIA

Run taucht der also besprochene Plaschke
auf. „Ihr Diener, Lerr Roller!" sagt er.
Sonst grüßt er nicht so; er tut es heute
nur, weil er für Korthals eine ihm spaß-
haft scheinende Variante dieses Grußes
bereit hat; er sagt nämlich: „Gehorsamster
Stiebelknecht, Lerr Korthals!"

Korthals nickt nur dazu, mit einer etwas
verärgerten Miene. Plaschke freut sich:
„Nanu, Sie sehen ja so verdrossen aus,
Lerr Korthals?"

„Ich habe eine schlechte Nacht ge-
habt," sagt Korthals. Das stimmt nicht;
er hat sehr gut geschlafen, aber er
will jetzt gleich Rollers Wunsch erfüllen
und auf angebliche Schmerzen zu sprechen
kommen.
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