Fliegende Blätter (199.1943 (Nr. 5109-5135) = 99. Jahrg.)

Der ungläubige Thomas Am Grabenrand

Von Werner Granville Schmidt

Thomas Schulze ist ein kritisch veranlagter Mensch,
dem man nicht leicht ein F für ein st mache» kann.

Seine Lieblingsausdrücke sind: „Zch hab's nicht
gesehen!" und: „Und das glaubst?"

Bei seinen Stammtischbekannten heißt er in-
folgedessen nur „der ungläubige Thomas".

Besonders den Müller, der immer so gerne
von seinen Erlebnissen im Ausland erzählt, hält
Schulze für einen großen Angeber. Dabei ist es
Schulze bisher nie möglich gewesen, diesen Müller
bei einer Lüge zu ertappen.

Einmal sieht er seine Stunde aber doch gekom-
men, wo er den Nimbus, init dem dieser wichtig-
tuerische Müller sich umgibt, mit Wonne zer-
reißen kann.

Bäuchlings lieg’ ich am Grabenrand,
Wie damals in jungen Tagen —

O, scheltet es nicht Unverstand,
Solch kindhaftes Betragen!

Es mag, wer will, mit Würde allein
Stocksteif durchs Leben stelzen —
Das Kind im Mann soll ledig sein
Und sich im Grase wälzen!

Den Wasserkäfern schaue ich zu
Und spiele mit schwimmenden Zweigen —
Daß ich’s vergnügt und eifrig tu,
Warum sollt’ ich s verschweigen?

Der tierische Ernst ist ohnehin groß —-
Wie gut, daß ich fern von ihm liege!
Ich strample von Hemd und Hose mich bloß

Thomas Schulze hat genug gehört. Diesmal
begnügt er sich nicht, zu murmeln „und das
glaubst?", sondern er fährt schwereres Geschütz
aus. Zuerst schlägt er eine meckernde Äohn-
lache an. Es hört sich an, als ob ein gekitzelter
Ziegenbock lacht. Dann prustet er ironisch-über-
legen: „Nein, was Sie auch alles erlebt haben,
Äerr Müller! — Also Winter in Deutsch-Ost-
afrika mit richtigem Schnee? — Lerr, das könne»
Sie jemand erzählen, der keine Knöpfe an der
Lose hat — aber mir nicht! — Zufällig haben
wir nämlich in der Schule gelernt, daß es so
dicht am Aequator keinen Winter gibt. — Nun,
lderr Müller weiß es besser! — Sie sind ertappt,
mein Lieber!"

„Wieso ertappt?" lächelt Müller. „Wenn
es Ihnen nichts ausmacht, können wir ja um
eine Lokalrunde wetten, daß ich die lautere
Wahrheit gesprochen habe."

Als er nämlich kürzlich zur gewohnten Stunde
die Stammtischrunde begrüßt, fiihrt Müller gerade
wieder das Wort- Die letzten Sätze vermag Schulze
noch aufzuschnappen:

„Jawohl, meine Lerren, Sie mögen mir es glauben oder nicht;
aber danials haben mir während meines Aufenthaltes in Deutsch-
Ostafrika vor Kälte die Zähne geklappert. Der Schnee, wir wuschen
uns übrigens, der Not gehorchend, auch damit, behinderte stark
unser Fortkommen. Zur Stärkung bereiteten wir uns zwischendurch
mit Schnee-Schmelzwasser einen kräftigen Tee. Noch heute schüt-
telt's mich innerlich, wenn ich an die Kälte denke. Da war der
letzte Winter, den wir hier erlebten, ja der reine Waisenknabe da-
gegen. So lernten wir also Deutsch-Ostafrika auch noch von einer
anderen Seite kennen."

„Abgemacht!" kräht Schulze. Er ist sonst
nicht für Lokalrunden, und am besten schmeckt
es ihm, wenn andere zahlen; aber hier sind ja
alle Gewinnchancen aus seiner Seite. Zur Vorsicht fügt er
aber hinzu: „Wohlgemerkt: das mit dem Schnee und Zähne-
klappern vor Kälte bezog sich doch auf Deutsch-Ostafrika, nicht
wahr?"

„Ganz richtig," bestätigt Müller, „stnd wenn Sie den Anfang
gehört hätten, wüßten Sie auch, worum es sich handelte — nänilich
um eine Gipfelbesteigung auf den sechstausend Meter hohen Kili-
mandscharo. Vielleicht wissen Sie zufällig auch noch von der Schule
her, daß dieser Berg in Deutsch-Ostafrika liegt. — Ober, Äerr
Schulze möchte gerne eine Lokalrunde zahlen!"

Und krähe wie einst in der Wiege.

Herbert Lestiboudois

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Das Badoglioungeziefer wird lästig „Du, Britenlöwe, da haben wir uns was Schönes in den Pelz gesetzt!“
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