„Du, Faver, beim schweren Bier, do is eim fei leicht u»is Lerz worn,
aber beim leichten, do wirds eim schwer ums Lerz."
Bescheiüenheii
Von Josef RobertLarrer
Von der Bescheidenheit behauptet man, daß sie eine Tugend sei, die selten belohnt
werde. Immer wieder heißt es, daß nur der Mensch mit Ellbogen zum Erfolg komme.
Wir sprachen über dieses Thema und kamen schließlich zur allgemeinen Ansicht,
daß Bescheidenheit eine Schwäche sei und daß nur Anbescheidenheit, ja Frechheit
allein Erfolg bringe.
Nur einer schüttelte den Kopf und sagte:
„Ihr mögt vielleicht recht haben, aber eigentlich habt ihr doch wieder nicht rechtI
Wenn nämlich die Bescheidenheit schlau ist, müssen Frechheit und Anbescheidenheit
unbedingt geschlagen werden. Ich will euch ein Beispiel aus dem Leben erzählen,
eine wahre Begebenheit. Als ich vor Jahren beim Militär diente, hatten wir jungen
Leute außer Mut und Lebenslust auch .Hunger, ganz gewaltigen Hunger. Wen» wir
mittags vom Exerzierplatz oder von einer Feldübung in die Kaserne einrückten,
knurrten unsere Magen wie getretene Lunde.
Wenn es dann zum Menageholen ging, glänzte» unsere Augen und das Wasser
rann uns im Munde zusammen. Lilles in uns schrie: Essen, viel essen!
Man hielt dem Koch die Menageschale hin und machte ihm freundliche Augen, und
er verstand uns. Er füllte uns die Menageschale bis zum Rand an; kein Tropfen
hätte mehr Play gehabt.
Nur einer von uns war bescheiden. Wenn seine Menageschale
zur Lälfte gefüllt war, sagte er: „Danke!" . . . Die Amstehenden
lachten und spotteten über seine Bescheidenheit, so wie ihr jetzt über
eine Tugend gespottet habt, die man auch schlau anwenden kann.
Ihr dürft eben nicht vergessen, daß jede Tugend aufhört, eine Tugend
zu sein, wenn sie nur aus Schwäche, aus Dummheit oder gar aus
Angst ausgeübt wird.
Anser Kamerad ließ sie ruhig auslachen; ohne auf die Worte
zu achten, zog er sich in seinen Winkel zurück und verzehrte sein
Essen.
Nun blieb im großen Kessel immer etwas zurück, das an die
verteilt wurde, die ihr Essen rasch verzehrt und zum zweitenmal um
Menage kamen. Deshalb wurde auch das Essen von allen gierig und
hastig hineingestopft, so daß manchem die Tränen aus den Augen
traten und Schweiß auf der Stirne stand. Denn eine Menageschalc
faßte nicht wenig! Einige von uns waren geeichte Vielfresser und
noch dazu Schnellfresser. Diese kamen natürlich immer zu ihrer
zweiten Portion; sie waren nicht zu schlagen. Sie fraßen so schnell,
daß man seinen Augen nicht traute. Sie hatten aber auch immer
einen verdorbenen Magen.
Aber auch der bescheidene Kamerad, um den sich niemand mehr
kümmerte, kam zu seiner zweiten Portion. Er aß in Ruhe seine
halbe Menageschale leer und war selbstverständlich auch unter den
Ersten, die zum zweitenmal den Weg zum Menagekessel antraten.
Er ließ sich jetzt seine Schale ganz anfüllen, so daß er Tag für Tag
einundeinehalbe Menageschale Essen erhielt.
Ihr seht, daß die Bescheidenheit auch belohnt werden kann.
Anser Kamerad hatte überdies nie einen verdorbenen Magen; denn
niemals mußte er das Essen wie ein heißhungriger Wolf hinunter
schlingen. Die Bescheidenheit kann also auch eine Waffe der Schlau-
heit sein. Ich kann es ja gestehen! Ich war dieser Kamerad! Wie
ich damals von meiner Bescheidenheit Vorteil hatte, so habe ich
auch heute noch den Vorzug, als bescheidener Mensch zu gelten.
Nein, ich habe meine Bescheidenheit noch nie im Leben bereut; mein
Motto ist: Zuerst eine halbe Menageschale Essen, hinter welcher aber
bereits eine zweite bis zum Rand gefüllte Menageschale steht!"
116
Britische Klage
(„Daily Sketch“ hat geklagt: „England ist nicht mehr der
Kern der Welt.")
Briten, wir gestehn uns ein.
Wenn wir jetzt auf England schauen,
Ach, da müssen alle wir
Doch verspüren sachtes Grauen.
Unser altes England ist
Seiner Bürger Stolz gewesen,
Und vor andern Ländern schien
Es mit Recht uns auserlesen.
Unsre Bank von England könnt'
Aller Wirtschaft fester Grund sein;
Unser Pfund, so dachten wir,
Müßt’ für alle Zeit gesund sein.
Wo sich Englands Union Jack
In der Ferne mochte zeigen —
Ueberall war man bereit,
Höflich sich vor ihm zu neigen.
Auf dem ganzen Globus war
Englands Macht stets hoch geachtet,
Und wir haben es darum
Als den Kern der Welt betrachtet.
Aber ach — das war einmal,
Und Old England ist begraben I
An dem neuen aber kann
Wohl kein Brite Freude haben.
Von dem alten England merkt
Man nichts mehr, dem einst so stolzen;
Seine Größe ist dahin,
Und sein Reichtum ist zerschmolzen
Jammer fällt den Briten an,
Und sein Hochmut muß zerstieben;
Statt des Kernes ist nur noch
Eine hohle Nuß geblieben.
—on
Der Hollywooder Filmheld
.Schnell noch eine Portion Kartoffelsalat, ich brauche Kraft,
ich muß in der nächsten Szene noch 82 Germans erledigen I
aber beim leichten, do wirds eim schwer ums Lerz."
Bescheiüenheii
Von Josef RobertLarrer
Von der Bescheidenheit behauptet man, daß sie eine Tugend sei, die selten belohnt
werde. Immer wieder heißt es, daß nur der Mensch mit Ellbogen zum Erfolg komme.
Wir sprachen über dieses Thema und kamen schließlich zur allgemeinen Ansicht,
daß Bescheidenheit eine Schwäche sei und daß nur Anbescheidenheit, ja Frechheit
allein Erfolg bringe.
Nur einer schüttelte den Kopf und sagte:
„Ihr mögt vielleicht recht haben, aber eigentlich habt ihr doch wieder nicht rechtI
Wenn nämlich die Bescheidenheit schlau ist, müssen Frechheit und Anbescheidenheit
unbedingt geschlagen werden. Ich will euch ein Beispiel aus dem Leben erzählen,
eine wahre Begebenheit. Als ich vor Jahren beim Militär diente, hatten wir jungen
Leute außer Mut und Lebenslust auch .Hunger, ganz gewaltigen Hunger. Wen» wir
mittags vom Exerzierplatz oder von einer Feldübung in die Kaserne einrückten,
knurrten unsere Magen wie getretene Lunde.
Wenn es dann zum Menageholen ging, glänzte» unsere Augen und das Wasser
rann uns im Munde zusammen. Lilles in uns schrie: Essen, viel essen!
Man hielt dem Koch die Menageschale hin und machte ihm freundliche Augen, und
er verstand uns. Er füllte uns die Menageschale bis zum Rand an; kein Tropfen
hätte mehr Play gehabt.
Nur einer von uns war bescheiden. Wenn seine Menageschale
zur Lälfte gefüllt war, sagte er: „Danke!" . . . Die Amstehenden
lachten und spotteten über seine Bescheidenheit, so wie ihr jetzt über
eine Tugend gespottet habt, die man auch schlau anwenden kann.
Ihr dürft eben nicht vergessen, daß jede Tugend aufhört, eine Tugend
zu sein, wenn sie nur aus Schwäche, aus Dummheit oder gar aus
Angst ausgeübt wird.
Anser Kamerad ließ sie ruhig auslachen; ohne auf die Worte
zu achten, zog er sich in seinen Winkel zurück und verzehrte sein
Essen.
Nun blieb im großen Kessel immer etwas zurück, das an die
verteilt wurde, die ihr Essen rasch verzehrt und zum zweitenmal um
Menage kamen. Deshalb wurde auch das Essen von allen gierig und
hastig hineingestopft, so daß manchem die Tränen aus den Augen
traten und Schweiß auf der Stirne stand. Denn eine Menageschalc
faßte nicht wenig! Einige von uns waren geeichte Vielfresser und
noch dazu Schnellfresser. Diese kamen natürlich immer zu ihrer
zweiten Portion; sie waren nicht zu schlagen. Sie fraßen so schnell,
daß man seinen Augen nicht traute. Sie hatten aber auch immer
einen verdorbenen Magen.
Aber auch der bescheidene Kamerad, um den sich niemand mehr
kümmerte, kam zu seiner zweiten Portion. Er aß in Ruhe seine
halbe Menageschale leer und war selbstverständlich auch unter den
Ersten, die zum zweitenmal den Weg zum Menagekessel antraten.
Er ließ sich jetzt seine Schale ganz anfüllen, so daß er Tag für Tag
einundeinehalbe Menageschale Essen erhielt.
Ihr seht, daß die Bescheidenheit auch belohnt werden kann.
Anser Kamerad hatte überdies nie einen verdorbenen Magen; denn
niemals mußte er das Essen wie ein heißhungriger Wolf hinunter
schlingen. Die Bescheidenheit kann also auch eine Waffe der Schlau-
heit sein. Ich kann es ja gestehen! Ich war dieser Kamerad! Wie
ich damals von meiner Bescheidenheit Vorteil hatte, so habe ich
auch heute noch den Vorzug, als bescheidener Mensch zu gelten.
Nein, ich habe meine Bescheidenheit noch nie im Leben bereut; mein
Motto ist: Zuerst eine halbe Menageschale Essen, hinter welcher aber
bereits eine zweite bis zum Rand gefüllte Menageschale steht!"
116
Britische Klage
(„Daily Sketch“ hat geklagt: „England ist nicht mehr der
Kern der Welt.")
Briten, wir gestehn uns ein.
Wenn wir jetzt auf England schauen,
Ach, da müssen alle wir
Doch verspüren sachtes Grauen.
Unser altes England ist
Seiner Bürger Stolz gewesen,
Und vor andern Ländern schien
Es mit Recht uns auserlesen.
Unsre Bank von England könnt'
Aller Wirtschaft fester Grund sein;
Unser Pfund, so dachten wir,
Müßt’ für alle Zeit gesund sein.
Wo sich Englands Union Jack
In der Ferne mochte zeigen —
Ueberall war man bereit,
Höflich sich vor ihm zu neigen.
Auf dem ganzen Globus war
Englands Macht stets hoch geachtet,
Und wir haben es darum
Als den Kern der Welt betrachtet.
Aber ach — das war einmal,
Und Old England ist begraben I
An dem neuen aber kann
Wohl kein Brite Freude haben.
Von dem alten England merkt
Man nichts mehr, dem einst so stolzen;
Seine Größe ist dahin,
Und sein Reichtum ist zerschmolzen
Jammer fällt den Briten an,
Und sein Hochmut muß zerstieben;
Statt des Kernes ist nur noch
Eine hohle Nuß geblieben.
—on
Der Hollywooder Filmheld
.Schnell noch eine Portion Kartoffelsalat, ich brauche Kraft,
ich muß in der nächsten Szene noch 82 Germans erledigen I
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Du, Xaver, beim schweren Bier..." "Der Hollywooder Filmheld"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1943
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1948
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 199.1943, Nr. 5118, S. 116
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg