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o

2ie Abfindung

Von Alfred Richter

Mister Good aus Chicago konnte es sich leisten. Er begab sich
mit seiner achtzehnjährigen Tochter Men auf Reisen und zeigte ihr
die Welt. Nicht zeigte er ihr den jungen Briten John Knox; es war
nicht nötig, denn den fand sie selber. In Kairo war es. Dort kam
der alte Good reichlich spät dahinter, daß Ellen sich in diesen Lerum-
treiber, der gar nichts besaß als ein schönes Gesicht und ein ge-
wandtes Auftreten, dazu allerdings einen ungewöhnlichen Verstand
nach Britenart, rettungslos verliebt hatte und nun heulend erklärte,
sie würde John oder niemand aus Erden heiraten.

Der alte Good machte es kurz. Er bestellte den jungen Mann
her und sagte zu ihm: „Mister Knox, Sie haben sich in meinem
Lause eingeführt, um mir Ellen zu rauben.

Schweigen Sie! Sie sind durchschaut! Aus
dieser Leirat wird aber nichts. Ich habe mit
meiner einzigen Tochter ganz andere Pläne,
wie Sie sich eigentlich hätten denken können."

„Aber wir lieben uns, Mister Good."

„Es kann auf der Welt keine dümmere
Ausrede geben für einen beschäftigungslosen
Menschen wie Sie, der mühelos zu Geld
kommen will."

„Mister Good—!"

Der alte Good griff leicht in die Hintere
Losentasche, blickte den unseligen Mann wie
ein Adlerjäger seine unentrinnbare Beute an
und sagte kalt: „Kurz und gut, ich biete Ihnen
die respektable Summe von 20000 Dollar.

Dort in jenem Schreibtisch liegen sie abgezählt
bereit. Wollen Sie, oder wollen Sie nicht?"

John Knox besann sich keine Sekunde. „Ich
will," sagte er schlicht.

„Das dacht« ich mir," erwiderte der alte Good trocken, „ganz so
sehen Sie auch aus. And Sie," brüllte er plötzlich los, „wollten mir
weismachen. Sie liebten meine Ellen? Wo Sie nun ohne weiteres
die Abfindungssumme annehmen?"

„Sie zwingen mich ja dazu," antwortete John und nickte nach
der Land hin, die der alte Good in der Losentasche an der Pistole
hatte. In Wahrheit war es übrigens nur ein Schlüffelbund.

„Also los," sagte der alte Good, „nehmen Sie das Geld und
hauen Sie schleunigst ab." John Knox trat nicht ohne beleidigte
Würde an den Schreibtisch, fand das Fach aber verschlossen. „Machen
Sie es auf!" befahl der alte Good. Da fuhr der junge Mann aber
doch herum. „Wie? Da müßte ich es ja aufbrechen I" schrie er.

„Allerdings," grinste der alte Good freundlich, „ich ersuche Sie
nur, sich zu beeilen. Dort liegt ein Brecheisen nebst einem Lämmer.
Greifen Sie nur zu!"

„Sie wollen mich vor Ellen dann als Einbrecher hinstellen I"
„Spielen Sie hier kein Theater," sagte der alte Good, sondern
beeilen Sie sich lieber. Ich gebe Ihnen noch drei Minuten Zeit."
Da schnaufte John Knox wie ein Walroß, zuckte dreimal mit den
Achseln, daß die Gelenke krachten, und machte sich dann ergeben
daran, den Schreibtisch aufzubrechen. Es gelang ihm ziemlich ge-
schwind, offenbar war es ein gutes Brecheisen. Wie er das Fach
offen hatte, zögerte er eine Sekunde. „Los, los," drängte der alte
Good, „keine Rührseligkeiten, ich falle auf Lysterien nicht herein, das
glauben Sie mir nur! Nehmen Sie das Geld und verschwinden Sie."
„Sie Tyrann!" brüllte der gepeinigte junge Mann und grapste
wild in das Fach, stopfte das Zeug in seine
Brusttasche und rannte, als wäre die Krimi-
nalpolizei hinter ihm, aus dem Zimmer. Ohne
Gruß. Aber darauf verzichtete der alte Good
gerne. Er tat noch ein übriges, legte auf den
Fußboden vor den Schreibtisch John Knox's
Visitenkarte, die jener bei seinem ersten Besuch
abgegeben hatte, und damit war die Szenerie
aufgebaut. Am nächsten Morgen konnte man
Ellen herbeizetern und sie anschreien: „Lierl
Bitte! Sieh dir das an! So ist dein John!"
Sehr befriedigt legte sich der alte Good schlafen.

Am nächsten Morgen bediente er sich mit
Behagen des Zimmerfernsprechers und rief
Ellen an. Keine Antwort. Da wurde ihm
merkwürdig kribbelig im Lalse. Er rannte
hinüber zu ihrem Zimmer. Es war abgeschlossen,
der Schlüssel beim Portier abgegeben. Man
öffnete, und der alte Good fand diesen Brief:
„Lieber Pa! Für die 20000 Dollar danken
John und ich dir herzlich. Ohne dieses Geld hätten wir gar nicht
abreisen können. Es reicht aber nur für die ersten nötigsten Aus-
gaben, Trauung und so. Wir schlagen dir vor, das Scheckbuch
zurückzukaufen, das John aus Versehen — du hast ihn so unge-
duldig gedrängt — beim Zugreifen mit aus dem Schreibtischfach
gerissen und in der Last eingesteckt hat. Wie wir soeben sehen,
hast du vorsorglich bereits eine Reihe Blankoschecks ausgestellt.
Damit nichts Anrechtes damit geschieht, wenn das Scheckbuch etwa
in fremde Lände käme, schlagen wir dir vor, John in die Familie
aufzunehmen, indem du uns verzeihst. Dann ist jq alles in bester
Ordnung. Deine Ellen. — Nachschrift: Wieviel würdest du uns
denn für das Scheckbuch ersetzen?"

Der alte Good setzte sich erst mal hin. Dann las er den Brief
noch einmal viel ruhiger. Darauf stellte er fest, daß ihn diese
Tausendsasas — sie imponierten ihm in Wahrheit mächtig wegen

J AHRESTAQ

Hoch halt ich deine k^and,
die du mir damals ließest,
als ich noch kaum verstand,
was du mir stumm verhießest.

Daß du der D^reue Pfand
vertrauend hingegeben,
die Liebe hats erkannt
dankbar ein langes Leben.

Richard von Schaukal

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