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Der Drückeberger

„Darf ich Sie meinen Töchtern vorstellen, Lerr Grämlich?"

„Danke, ich heirate nicht!"

Erlebnis tu Venedig

dann wollte sie ein Gedicht aufsage»: „O König, schöner König mit
deinem goldnen Laar-"

Sowas vertrage ich nicht. Deshalb sagte ich: „So sehr geschmachtet
hat er wohl nicht. Da war doch die schöne Dame Viadagola, mit
der er sich erheblich getröstet haben muß, denn es gibt ja noch heute
eine Familie, die ihren Ursprung von diesen Tröstungen ableitet,
die Bentivoglios nämlich."

Damit hoffte ich sie zu verscheuchen. Aber nein. „Ach, wie roman-
tisch!" flötete sie. Und dann ließ sie mich wirklich nicht los und kam
mit nach 5an Stefano und fragte mich da nach allein Möglichen, wo-
von ich keine Ahnung hatte, nach dem heiligen Vitalis und »ach
dem Langobardenkönig Liutprand, der da in einer Inschrift erwähnt
wird. Ja, und dann las sie in ihrem Reisehandbuch etwas
von einem Santo Sepolcro und wollte durchaus wissen, wer der
heilige Sepolcro gewesen wäre. Ich klärte sie aber über ihren durch
Vokabelarmut verursachten Irrtum nicht auf. Ich sagte ihr, der
heilige Sepolcro wäre der Schutzpatron der Totengräber; das hat
sie auch geglaubt. Dann bin ich ihr aber entkomme», weil es Mit-
tagszeit war und sie in ihr Lotel mußte.

Aber wie das so auf einer Reise mit herkömmlichen Touren ist:
man trifft einander immer wieder. In Ravenna wohnte sie auch im
Lotel Byron. Da tat sie schon wie eine alte Bekannte und ließ
mich überhaupt nicht los. Zum Grabmal Dantes mußte ich sie
führen, das übrigens so häßlich an der Straße liegt. Wenn man
das kleine Gebäude von weitem sieht, möchte man meinen, da säße
eine alte Frau, die einkassiert und einen fragt, ob man sich auch
die Lände waschen wolle. Aber die Laura Knöpfler war begeistert.
Ein Buch lag da auf, in das man sich einschreiben konnte. Sie
kritzelte natürlich was hinein — ein paar Verse, glaube ich. „Er-
hab'ner Geist!" fing es an. Dann sollte ich. durchaus auch etwas
einschreiben, aber das tat ich doch nicht. Mir siel freilich auch
nichts ein. Dummerweise kam ich mir dumm dabei vor, aber eigent-
lich hatte ich doch recht, nicht wahr? Es wäre doch geschmacklos ge-
wesen, wenn ich, der Forstasseffor Greber aus Allenstein, da dem
alten Dante etwas in sein posthumes Stammbuch geschmiert hätte.
„Sie sind auch gar zu schüchtern," sagte aber die Laura Knöpfler
aus Apolda.

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Zum Grabmal des Theoderich kam sie selbstverständlich auch
mit, und ebenso selbstverständlich fing sie dort an, vom Kampf um
Rom und Felix Dahn zu reden, und daß der Theoderich da ja
gar nicht begraben sein könnte, denn die Goten hätten seine Leiche
mitgeführt und nach Tejas Niederlage am Vesuv auf die Reise
nach der Insel Thule mitgenommen. „Wir sind die letzten Goten.
Wir tragen keine Schätze mit: wir tragen einen Toten!" piepste
sie dabei.

Das mochte ich nicht, und deshalb erzählte ich ihr, der Theo-
derich wäre doch da begraben gewesen, aber Belisar hätte seine
Gebeine herausholcn und verbrennen laffen. Das glaubte sie denn
auch, aber nicht gern, den» Felix Dahn gefiel ihr besser. Sie meinte,
der Belisar wäre ein Schurke gewesen, und das war der einzige
Punkt, in dem ich mit der Laura Knöpfler übereinstimmte. Nach-
her wollte sie durchaus, daß wir einen Wagen nehmen und nach
der Pineta hinausfahren sollten, dem Pinienwalde, in dem Dante
herumspaziert ist und gedichtet hat. Aber dagegen wehrte ich mich
entschieden. Ich als deutscher Forstasseffor, erklärte ich ihr, hätte
gar kein Begehren, durch eineu Pinienwald zu spazieren; da würde
ich zuviel zu beanstanden haben. Das sah sie ein. „Ach ja, unsere
unvergleichlichen deutschen Wälder!" flötete sie.-

Wie es mir dann hier in Venedig gegangen ist, werde» Sie sich
denken können: die Laura Knöpfler ist mir wieder in den Weg ge-
laufen. Beinahe um den Lals gefallen ist sie mir. Das wäre herr-
lich, daß sie mich träfe, jubelte sie, und ich müßte ihr einen großen
Gefallen tun. Sie möchte nämlich eine Oper in Italien hören; ins
Fenice-Theater möchte sie, aber in Italien könnte eine Dame nicht
gut allein ins Theater gehn, und ich würde gewiß gern mitkommen.
Reizend, was? Leute sollte das sein; ich sollte sie abholen, im
Lotel Bauer-Grünwald wohnt sie. Aber nun ist das ja erledigt;
nun wird sie nicht mehr in die Oper gehen, und jetzt, nachdem ich
Ihnen das alles erzählt habe — jetzt glaube ich doch, daß ich recht

„Dunnerlittchen, sitzt der Proppen fest!"
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Titel

Titel/Objekt
"Der Drückeberger" "Dunnerlittchen, sitzt der Proppen fest!"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flemig, Kurt
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Vater <Motiv>
Tochter <Motiv>
Hochzeit <Motiv>
Junger Mann <Motiv>
Kran
Weinflasche

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5142, S. 5142_076

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