Große Vorschläge für ein kleines Land
Erlebnis tn Venedig
gehabt habe. Ja, es mußte sein: Laura Knöpfler aus Apolda mußte
vernichtet werden. Kören Sie!
Mir war also heute schon den ganzen Morgen nicht gut. Bald
fror ich, und bald war mir wieder heiß, und der Kopf dröhnte mir,
und alle Dinge schienen mir so fern, wie das eben bei Fieber ist.
Ich habe lange Zeit in den Anlagen gesessen, im Königlichen Garten,
aber da wurde mir auch nicht besser. Kurz vor Zwölf rappelte ich
mich auf und ging den kurzeil Weg bis zum Campanile, wo ich
mich unten, wie viele andere Leute, auf eine der Steinstufen setzte,
um aufzupassen, wenn gegenüber auf dem Ahrturm die beiden Riesen
die gewaltigen Lämmer heben und aus die Glocken losschlagen würden.
Am zwölf lohnt das doch am besten; da haben die Kerle am meisten
zu tun.
Oben auf der Plattform, wo die Riese» stehen, wimmeln, wie
immer um diese Zeit, allerlei Leute herum. Ich gucke hinauf, und
da — wen sehe ich? Die Laura Knöpfler steht auch da oben; deutlich
erkenne ich sie an ihrem rosafarbenen Lütchen, das sich zu ihrem
zitronengelben Gesicht ganz blödsinnig ausnimmt. Dicht neben dem
einen Riesen steht sie, neben dem linken — von unten gesehen —
und schaut verzückt in die Ferne. Und da kommt mir nun eine Vor-
stellung, die mich nicht mehr losläßt: Wie schön wäre es doch, wenn
jetzt der Riese, der sich gleich rühren wird, mit seinem Lämmer der
Laura Knöpfler auf den Kops hauen würde! Er brauchte seinen
Platz gar nicht zu verlassen, was er wohl auch nicht könnte — nur
den Arm ein wenig herumdrehen und den Lämmer ein bißchen
höher heben müßte er.
Ich stelle mir das eindringlich vor. In Gedanke» rede ich mit
dem Riesen; ich bitte und ersuche ihn, ich befehle ihm. „Tu mir den
einzigen Gefallen, Kerl, und klopfe ihr auf den Schädel! Sei doch
so gut! Es macht dir ja keine Mühe. Du mußt es tun, Kerl! Laue
ihr ordentlich auf den Kopf! Glaube mir, sie hat es verdient. Du
sollst es tun! Kaputt gehn sollst du, wenn du es nicht tust!"
So rede ich, und die Laura Knöpfler steht da und schaut immer
noch auf die Lagune hinaus. Da rasselt das Ahrwerk los, die Niesen
rühren sich, der linke, dicht hinter der Knöpfler, hebt seinen Lämmer
— „Lau zu, Kerl!" befehle ich, und da-ja, da haut er zu. Die
Knöpfler fällt um, wie vom Blitz getroffen; ich sehe noch, wie ein
paar Leute zu ihr hinspringe», und dann bin ich losgelaufen. And
jetzt ist mir ganz furchtbar Übel. Sie haben keine Ahnung, wie mir
ist. Ich möchte weit fort sein, zu Lause möchte ich sein."
Der Forstassessor Greber fiel beinahe um. Ich brachte ihn in
sein Lotelzimmer, ließ ihn ins Bett gehe», gab ihm drei Tabletten
Aspirin und ein halb Liter Chianti und blieb noch eine Stunde bei
ihm sitzen. Dann war er fest eingeschlafen und schien furchtbar zu
schwitzen.
Nachher ging ich zum Lotel Bauer-Grünwald und erkundigte
mich bei dem Portier. „Wohnt hier nicht eine deutsche Dame, ei»
Fräulein Knöpfler aus Apolda?"
„Ja, Nummer 17. Der Arzt war schon da; es geht ihr wieder
ganz gut."
„Was war denn mit ihr?"
„Ja, das war eine Eselei von dem Wärter auf dem Ahrturm.
Er hätte die Dame zur Zeit aufmerksam machen müssen. Sie hat
keine Ahnung gehabt und sich wohl sehr erschreckt, als hinter ihr
das Ahrwerk losging und die Glocke angeschlagen wurde. Da ist sie
in Ohnmacht gefallen."
Die Frage
„Emil, warum hast du deine Flamme nicht geheiratet?"
„Sie sagte mir nicht zu!"
„Was denn? Sie sagte dir nicht zu?"
„Nun eben, sie sagte ab!"
11
Erlebnis tn Venedig
gehabt habe. Ja, es mußte sein: Laura Knöpfler aus Apolda mußte
vernichtet werden. Kören Sie!
Mir war also heute schon den ganzen Morgen nicht gut. Bald
fror ich, und bald war mir wieder heiß, und der Kopf dröhnte mir,
und alle Dinge schienen mir so fern, wie das eben bei Fieber ist.
Ich habe lange Zeit in den Anlagen gesessen, im Königlichen Garten,
aber da wurde mir auch nicht besser. Kurz vor Zwölf rappelte ich
mich auf und ging den kurzeil Weg bis zum Campanile, wo ich
mich unten, wie viele andere Leute, auf eine der Steinstufen setzte,
um aufzupassen, wenn gegenüber auf dem Ahrturm die beiden Riesen
die gewaltigen Lämmer heben und aus die Glocken losschlagen würden.
Am zwölf lohnt das doch am besten; da haben die Kerle am meisten
zu tun.
Oben auf der Plattform, wo die Riese» stehen, wimmeln, wie
immer um diese Zeit, allerlei Leute herum. Ich gucke hinauf, und
da — wen sehe ich? Die Laura Knöpfler steht auch da oben; deutlich
erkenne ich sie an ihrem rosafarbenen Lütchen, das sich zu ihrem
zitronengelben Gesicht ganz blödsinnig ausnimmt. Dicht neben dem
einen Riesen steht sie, neben dem linken — von unten gesehen —
und schaut verzückt in die Ferne. Und da kommt mir nun eine Vor-
stellung, die mich nicht mehr losläßt: Wie schön wäre es doch, wenn
jetzt der Riese, der sich gleich rühren wird, mit seinem Lämmer der
Laura Knöpfler auf den Kops hauen würde! Er brauchte seinen
Platz gar nicht zu verlassen, was er wohl auch nicht könnte — nur
den Arm ein wenig herumdrehen und den Lämmer ein bißchen
höher heben müßte er.
Ich stelle mir das eindringlich vor. In Gedanke» rede ich mit
dem Riesen; ich bitte und ersuche ihn, ich befehle ihm. „Tu mir den
einzigen Gefallen, Kerl, und klopfe ihr auf den Schädel! Sei doch
so gut! Es macht dir ja keine Mühe. Du mußt es tun, Kerl! Laue
ihr ordentlich auf den Kopf! Glaube mir, sie hat es verdient. Du
sollst es tun! Kaputt gehn sollst du, wenn du es nicht tust!"
So rede ich, und die Laura Knöpfler steht da und schaut immer
noch auf die Lagune hinaus. Da rasselt das Ahrwerk los, die Niesen
rühren sich, der linke, dicht hinter der Knöpfler, hebt seinen Lämmer
— „Lau zu, Kerl!" befehle ich, und da-ja, da haut er zu. Die
Knöpfler fällt um, wie vom Blitz getroffen; ich sehe noch, wie ein
paar Leute zu ihr hinspringe», und dann bin ich losgelaufen. And
jetzt ist mir ganz furchtbar Übel. Sie haben keine Ahnung, wie mir
ist. Ich möchte weit fort sein, zu Lause möchte ich sein."
Der Forstassessor Greber fiel beinahe um. Ich brachte ihn in
sein Lotelzimmer, ließ ihn ins Bett gehe», gab ihm drei Tabletten
Aspirin und ein halb Liter Chianti und blieb noch eine Stunde bei
ihm sitzen. Dann war er fest eingeschlafen und schien furchtbar zu
schwitzen.
Nachher ging ich zum Lotel Bauer-Grünwald und erkundigte
mich bei dem Portier. „Wohnt hier nicht eine deutsche Dame, ei»
Fräulein Knöpfler aus Apolda?"
„Ja, Nummer 17. Der Arzt war schon da; es geht ihr wieder
ganz gut."
„Was war denn mit ihr?"
„Ja, das war eine Eselei von dem Wärter auf dem Ahrturm.
Er hätte die Dame zur Zeit aufmerksam machen müssen. Sie hat
keine Ahnung gehabt und sich wohl sehr erschreckt, als hinter ihr
das Ahrwerk losging und die Glocke angeschlagen wurde. Da ist sie
in Ohnmacht gefallen."
Die Frage
„Emil, warum hast du deine Flamme nicht geheiratet?"
„Sie sagte mir nicht zu!"
„Was denn? Sie sagte dir nicht zu?"
„Nun eben, sie sagte ab!"
11
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Große Vorschläge für ein kleines Land"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5142, S. 5142_077
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg