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DAS TÄUBCHEN

Mr. Trunk und Mr. Draward schlenderten Wallstreet herab.
An der Ecke des Broadway verabschiedeten sie sich. „Es würde meine
Frau und mich sehr freuen, wenn Sie und Mrs. Draward heute
abend zum Dinner kämen."

„Sehr liebenswürdig, Mr. Trunk, wir nehmen mit Vergnügen
an, aber bitte unseretwegen keine Umstände I"

„Durchaus nicht, Mr. Draward, ein einfaches Abendbrot, im
engsten Freundeskreise."

„Empfehlungen an Mrs. Trunk."

„Empfehlungen an Mrs. Draward. Auf heute abend um sieben
Ahr."

Es war ein ganz einfaches Abendmahl in unzähligen Fortsetzungen,
zu dem die Damen glitzerndes Gehänge und umfassende Blößen an-
gelegt hatten. Als sechsten Gang gab es gefüllte Täubchen, appetit-
liche, leckere Täubchen, deren Fettgehalt und körperliche Gepflegtheit
einem feineren Lause alle
Ehre machte.

Mägen find oft launisch,
kennen keine Prinzipien-
treue, keine Tharakterfestig-
keit. Zu diesen launischen
Mägen zählte auch der
Mr. Drawards. Lundert-
mal hatte er gefüllte Täub-
chen unbeanstandet hinge-
nommen, heute, gerade
heute empfand er ausge-
sprochenenWiderwtllen da-
gegen und spiegelte ihn in
süßfauren Mienen wieder.

„Was hast du denn?"
flüsterte seine Frau.

„Mir ist Übel," flüstette
er zurück.

„Wovon?"

„Von dem Täubchen."

Sie runzelte die Stirn:

Bon dem Täubchen! Un-
auffällig ließ sie ein Stück-
chen von dem beargwöhn-
ten Tier in ihre Land-
tasche gleiten. „Gehen wir,"
entschied sie, und beide er-
hoben sich wie ein Mann.

„Sehr verehrteMrs.Trunk,
sehr verehrter Mr. Trunk,
meinem Mann ist leider
nicht recht wohl. Entschul-
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digen Sie gütigst, wenn wir uns vorzeitig verabschieden."

„Das tut uns aber aufrichtig leid," wehklagte Mrs. Trunk, „daß
Sie uns schon verlassen wollen."

„Ans nicht minder, Mrs. Trunk, daß wir Ihre liebenswürdig«
Gastlichkeit nicht länger genießen können."

Als sie im Auto saßen, zischte Mrs. Draward los:

„Eine solche Niedertracht, einen einzuladen, um ihn zu vergiften!"

„Aber wo denkst du hin!" fuhr Mr. Draward auf, „ich habe nur
eine kleine Magenverstimmung, sonst nichts!"

„Was verstehst du von deinem Magen! Du weißt doch, was in
den nächsten Börsentagen für dich auf dem Spiele steht. Diesen
Umstand wollte dieser Trunk ausnützen, darum hat er dich außer
Gefecht gesetzt. Das ist doch klar!"

Was Mrs. Draward klar war, hatte es auch Mr. Draward zu
sein. Er mußte sich ernstlich krank fühlen, ob er wollte oder nicht.

Zu Lause angekommen,
wurde er sofort unter Dek-
ken und Kissen begraben.
Unverzüglich wurde der
Lausarzt, Dr.Dreadwood,
gerufen, ein rrstNassiger
Leilkünstler, wie nur erst-
klassige Lerrschaften ihn
sich leisten können. Er ent-
wickelte erstklassige Umsicht
und Gründlichkeit, nahm
Dr. Drawards Zunge in
Augenschein, erforschte des-
sen Puls, ergründete dessen
Temperatur, betupfte des-
sen Magen, rückte mehr-
mals seine Lornbrille zu-
recht, holte seinen Füllfe-
derhalter und seinen Re-
zeptblock hervor und ver-
faßte in wissenschaftlicher
Anleserlichkeit einen che-
mischen Speisezettel, kurz,
widmete dem zahlungs-
kräftigen Patienten von
seiner kostbaren Nachtzeit,
die besonders hoch im Kurse
stand, ein kostbares Viertel-
stündchen. Das von MrS.
Draward beschlagnahmte
Taubenstückchen versprach
er von einem erstklassigen
Nahrungsmittelchemiker
untersuchen zu lassen.

'mhMok

Ich fahr in einer Eisenbahn,
Ganz losgelöst und glückioärts.
Die Landschaft stürzt nur so heran.
Wenn man die Augen zumacht, dann
Fährt man in dubio rückwärts.

Wir brausen durch Hannover hin
Und unentwegt nach Norden.

Hat dieses Tempo denn noch Sinn?
Der Mann in seinem Lokstand drin
Ist wohl verrückt geworden?

Ich sehne midi nach Liselott
Und habs ihr auch geschrieben.
Und doch, in diesem Rasseltrott
(Die Räder stöhnen: Gottogott)
Ist es doch übertrieben.

Jetzt halten wir. Ich schau hinaus:
Die Sterne funkeln süchtig.

Im Wald niest eine Haselmaus —
Das beste wär, ich stiege aus
Und würde fahnenflüchtig.

Natürlich ist es nicht an dem.

Wir fahren schon, und — glückwärts.
Ich bleibe sitzen, sehr bequem.
Und schließ die Augen — kein Problem
Und, fahre wieder rückwärts.

A..W
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