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o

Oer Wunsch des Schauspielers

Don Josef Robert Larrer

Kardos Jenö war ein großer Schauspieler, allerdings wörtlich
genommen; denn er maß 185 dreiviertel Zentimeter ohne Schuh-
absätze. Als Künstler war er nur in jenen Rollen groß, die im Stück
gestrichen waren. So war auch Jenös Gage mehr als gering; deshalb
blieben auch so gut wie alle seine Wünsche unerfüllt. In seiner sehn-
süchtigen Phantasie beschwor er einen von ihm selbst erdachten
Schutzgeist unverstandener Schauspieler. Und da jeder Mensch min-
destens einmal im Leben die große Gelegenheit hat, kam sie auch
für Jenö und zwar gerade in dem Augenblick, als er sagte: „O edler
Geist, erscheine!" Da trat der Geist wirklich hinter dem Ofenschirm
hervor und sagte mit shakespearischer Gebärde:

„Jenö, du hast mich gerufen! Za, ich will dir einen Wunsch er-
füllen! Aeberlege dir aber den Wunsch gut, du hast bis Mitternacht
Zeit! And wenn du deinen Wunsch gefunden hast, sprich ihn laut aus!"

Ehe sich noch Jenö fasten konnte, war der Geist wieder ver-
schwunden. Aeberglücklich streckte sich Jenö auf das alte Seegrassofa
hin und dachte stundenlang nach, was er sich wünschen sollte . . . .
Ich habe noch Zeit, dachte er. Aber
da kam er darauf, daß er keine Se-
kunde mehr verlieren durfte, wenn er
rechtzeitig im Theater erscheinen woll-
te. Tadelnde Blicke und unwirsche
Worte empfingen ihn dort. Der Di-
rektor fuhr ihn an:

„Auf Sie werden wir noch einmal
warten I"

Jenö lächelte nur. Was ging ihn
alles ringsum an? Er hatte ja seinen
Wunsch noch vor sich! Dann stand
er auf der Bühne. Seine Rolle war
viel zu klein, als daß er nicht unun-
terbrochen an seinen Wunsch hätte
denken können. Er sagte seine wenigen
Worte. Als die Vorstellung zu Ende
war, ließ ihn der Direktor in seine
Kanzlei rufen. Er sagte:

„Kardos Jenö, hier ist die Gage
und die Abfertigung! Ich brauche Sie
nicht mehr, und Sie brauchen dieses
Laus nicht mehr zu betreten!"

Jenö ging und lachte; er hatte ja
seinen Wunsch! Was ging ihn die
Schmiere seines Direktors, seines ge-
wesenen Direktors noch an? Er schlen-
derte durch Budapest. Im Stadtwäld-
chen suchte er ein Restaurant auf. And
plötzlich wußte er, was er sich wünschen
sollte. Das Wichtigste war schließlich,
daß man sich jeden Tag satt essen
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konnte. Jenö blickte auf die Ahr. Ja, er hatte noch genügend Zeit
für seinen Wunsch. Er bestellte sich ein fürstliches Mahl mit dem
besten Wein und allem, was dazugehötte. Die Kellner schossen hin
und her. Als Jenö satt war, bestellte er eine Luxuszigarre, er wickelte
sie aus dem Silberpapier, er zündete sie an und sagte, als sich die
Kellner zurückgezogen hatten:

„Lieber Geist, jetzt will ich meinen Wunsch äußern! Ich wünsche
mir nur, daß mein Leben lang meine Mahlzeiten samt Zubehör von
einem anderen bezahlt werden!"

Kaum hatte er gesprochen, als sich ein eleganter Lerr seinem
Tisch näherte. Jenö lächelte; denn allem Anschein nach arbeitete sein
Schutzgeist prompt. Jenö fragte den Lerrn gönnerhaft, was er
wünsche.

„Erlauben Sie," sagte der elegante Lerr, „daß ich mich zuerst
vorstelle I Ich bin der Besitzer dieses Lokals. Ich hoffe, daß Sie mit
der Bedienung zufrieden waren, und daß Sie uns noch oft die Ehre
schenken werden! Jetzt aber muß ich Sie leider darauf aufmerksam

machen, daß wir Sperrstunde ha-
ben!"

Jenö starrte sprachlos den Lerrn
an. And schon trat der Zählkellner
hinzu und legte die Rechnung auf
den Tisch ... Eine halbe Monats-
gage mußte Jenö für das fürstliche,
für das mehr als großfürstliche Essen
opfern. Traurig wantte er durch die
Nacht heimwärts. Nie mehr im Leben
würde er, so schwor er sich, an einen
Geist glauben. And dabei hatte ihm
der Geist wirklich seinen geäußerten
Wunsch sofort erfüllt. And das war
gegen Ende des dritten Attes ge-
gewesen, als Jenö, seiner Rolle ent-
sprechend, laut den Wunsch äußerte:
„Wenn ich nur nicht mehr dieses Laus
zu betreten bräuchte!" Keine zehn Mi-
nuten später hatte ihm der Direttor
die Erfüllung des Wunsches mit-
geteilt.

Aber da das Schicksal oft milder
ist, als viele glauben, fand Jenö, vor
seinem Wohnhaus ankommend, einen
Lerrn auf ihn wartend vor, der aus-
rief: „Endlich, wo stecken Sie denn?
Ich komme von der Lungaria-Film-
A.-G.I Wir brauchen für unsere
nächste Jahresproduttion einen großen
Schauspieler! Lier ist der Vertrag!
Morgen beginnen die Aufnahmen!"

„Gleich im Nachbarort betreibt mein Schwager auch
eine Gastwirtschaft, zum Weißen Ochsen, wie Ihnen viel-
leicht bekannt sein dürfte."

„Natürlich! Mit diesem Ochsen Hab' ich ja vor Jahren
mal einen Prozeß g'habt!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gleich im Nachbarort betreibt mein Schwager auch eine Gastwirtschaft, zum Weißen Ochsen, wie Ihnen vielleicht bekannt sein dürfte"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Gaststätte
Wirt
Gast
Gespräch <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5152, S. 5152_194
 
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