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Siebenmal Regen

Von Walter Perslch

Fangen wir an dem Tage an, der Looge zum erstenmal so ganz
richtig die Ekligkeit eines regnerischen Anwetters zum Bewußtsein
brachte. Looge war ein zu Stteichen aufgelegter Junge. Bloß mit
dem Fleiß haperte es, aber Looge war immer so durchgekommen.
And nun ging er nach Lause und hatte pechschwarze Giftblälter im
Ranzen — ein saumäßig schlechtes Zeugnis. Lätte die Sonne gelacht,
Looge hätte zurückgelacht. Statt deffen goß es in Strömen, und der
Regen schlug Looge wie Prügel ins Gesicht. Beim Erkennen der
Trübseligkeit, di« es in der Welt geben kann, wenn die Bäume
herumstehen und frieren, wurde es Looge offenbar: Mensch, du hast
ja selbst Schuld I And von da an setzte
er sich auf die Losen und brachte es
dann ganz gut voran in der Schule.

*

Looge kam in das Alter, in dem
Jungen anfangen, die Mädchen mit
anderen als nur spöttischen Augen zu
betrachten. Wenn man ihn so sah mit
seinen tadelfreien Bügelfalten, den
Lut leicht aufs Ohr gedrückt, mußte
er eigentlich als kleiner Kavalier ge-
fallen. Er faßte sich daher ein Lerz.

Viel Geld hatte er nicht. Zwei Kilo-
meter vor der Stadt konnte man in
einer Gärtnerei ganz billig Blumen
kaufen. Looge kaufte Blumen, Rosen
sogar, einen ganzen Arm voll. Auf
dem Rückwege entlud sich ein Wolken-
gutz. Tausend Meter hinter und tau-
send Meter vor Looge gab es Schutz,
in Looges Nähe nicht einmal einen
dichtbelaubten Baum.

Triefend bog er in die Marttstraße ein. Das Mädchen, das wohl
von seiner Absicht schon etwas ahnen mochte, lugte aus dem Fenster,
und als es seinen zerknautschten Sonntagsnachmittagsausgehanzug
und seine so gar nicht mehr siegesgewiffe Miene erblickte, lachte es
ihn aus. Looge zog ab wie ein begoffener Pudel. And er hatte
eingesehen, daß man mit gebügelten Losen nicht die Welt, schon gar
nicht das Lerz eines Mädchens erobert. Ein einfacher Regen kann
alles zunichte machen.

Es hat in Looges Leben oft geregnet. Er entsinnt sich aber heute
noch jenes Regens, der ihn überfiel, als er für seinen Chef eine Be-
sorgung ausführen mußte, von der er wußte, daß sie eilig und oben-
drein von großer Bedeutung war. Er hatte an diesem Tage keinen
Mantel an. Wäre er nun schnell mit der Sttaßenbahn nach Lause
gefahren, so hätte er mindestens dreiviertel Stunden verbummelt. Er
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verbummelte sie nicht, sondern kam vollkommen durchnäßt ins Geschäft
zurück. Der Alte verlor über Looges Mißgeschick kein Wort. Am
nächsten Morgen aber nahm der Chef ihn beiseite. — »Looge/ sagte
er, „Petersen geht ja nun am Ersten ab. Ich wollte eigentlich einen
neuen ersten Gehilfen annehmen, aber ich kann ebensogut einen zweiten
verpflichten. Sie tteten dann also an Petersens Stelle/

Mehr sagte er nicht. Aber Looge wußte, daß er dies dem Regen
zu verdanken hatte, dem widerwärtigen . . .

Jedenfalls konnte Looge dadurch anS Leiraten denken. Die Loch-
zeit fiel in den Mai. Looge bestellte
eine offene Kutsche. Er führte seine
Künftige in der Lattung eines Prinzen
zur Trauung. Auf der Rückfahrt ver-
dunkelte sich die Sonne. Nur wenige
Straßen trennten Looge und seine
glückliche Frau von ihrem Leim, da
ging ein Negenpraffeln los wie im
häßlichsten April. Das Brautkleid
war hin, ehe noch die eigentliche Loch-
zeitsfeier begonnen hatte.

Meistens — meinte Looge philo-
sophisch — kommt man vom Regen
in die Traufe. Wir sind vom Regen
in die Ehe gekommen.

Die junge Frau machte kein Ge-
zeter. Sie zog ein anderes Kleid an
und war darin genau so hübsch.

Da wußte Looge endgültig, daß
er die richtige geheiratet hatte.

Man kann sich mit dem Regen gut oder schlecht stellen. Looges
Lausgarten bewies ihm das. Manchmal wollte alles verdorren.
Man freute sich zwar jeder sonnigen Stunde, die man nach Feier-
abend in der Lindenlaube abendbroten konnte, schielte dabei aber
zugleich besorgt nach den Bohnen. Zu anderen Zeiten war der förm-
lich herbeigeflehte Regen endlich da — dann drohten die Erdbeeren
zu verrotten. Den Kindern brachte der Regen nicht nur manche Er-
kältung, sondern auch viel Verdruß — sie konnten dann nicht im
Freien spielen. Aber das hatte dann wieder den Vorzug, daß die
Schularbeiten mit weniger mütterlichen und väterlichen Ermahnungen
erledigt wurden. Kurz, begriff Looge, die richtige Portion Regen
gehört nun einmal in die Welt.

Der Meinung war Looge sogar noch, als er das erste Mal Wache
schieben mußte. Seine Truppe hatte die Aufgabe bekommen, ein
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Hasch des alles g'heult, Mariele?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Mädchen <Motiv>
Junge <Motiv>
Weinen <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5166, S. 5166_050

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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