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8tn glücklicher Mensch

barschast des Friedhofs hätte mich auf die Dauer vielleicht bedrückt.
In einem Bericht über Kaspar Lauser habe ich neulich gelesen, daß
dieser rätselhafte Findling, als er zum ersten Male nach seinem
Auftauchen in Nürnberg mit seinem Pflegevater — das war der
Orientalist Daumer, nicht wahr? Der den Lafis.übersetzt hat! —
bei einem Spaziergange auf einen Friedhof zu ging, von dem er
nichts wußte, schon tausend Meter davor über einen ihm entgegen-
schlagenden entsetzlichen Geruch klagte und beinahe ohnmächtig wurde.
Er war allerdings überaus sensibel, aber immerhin zeigt das doch,
daß man eigentlich nicht so nahe an einem Massenlager von Toten
wohnen sollte. Aeberhaupt scheint mir jetzt die Feuerbestattung vor-
zuziehen. Ich werde jetzt auch mitten in der Stadt wohnen. Das
hat auch sein Gutes; dann ist das weite Laufen nicht nötig, und ich
werde Stiefelsohlen sparen."

„Aber die filia hospitalis?" fragte ich.

Saltmann machte ein betrübtes Gesicht, über das dann aber gleich
ein Lächeln zog. „Ja, da könnte mich das Fortziehen traurig stim-
men, aber es ist doch ein Glück, sicherlich ein großes Glück. Denn
ganz offen gesagt: ich hätte mich bald in das Mädchen verliebt,
rettungslos verliebt, ich hätte ihr einen Leiratsantrag gemacht, sie
hätte wahrscheinlich Ja gesagt, die Verlobung wäre fertig gewesen,
und dann wäre das arme Ding an einen unbesoldeten Assessor
gebunden gewesen und hätte Jahre und Jahre dasitzen und warten
müssen, bis ein einigermaßen nahrhafter Lausstand gesichert sein
würde. Verblüht wäre sie darüber. Nein, so ist es besser, und ich
bin ganz zufrieden." —

Saltmann zog dann in einer häßlichen Straße in eine muffige
Bude, in der es immer etwas feucht und dampfig war, denn unten
im Lause befand sich eine Waschanstalt. Ich lud ihn deshalb öfter
zu mir ein, als daß ich zu ihm ging, denn wir waren jetzt meist die
Abende zusammen und wurden bald gute, ja die besten Freunde.
Immer wieder erlebte ich, wie er allen Anannehmlichkeiten eine
vergnügliche Seite abzugewinnen wußte. Da war z. B. sein Land-
gerichtsrat, bei dem er zu arbeiten hatte. Der war ein ekelhafter
Lerr, ein grauslicher Pedant, der ihn ziemlich schikanierte. Aber sogar
darüber freute sich Saltmann. „Weißt du," sagte er — da duzten
wir uns schon — „was ich mir denke, wenn er recht Übel mit mir
umgeht? Dann denke ich mir, daß ich vielleicht später einmal ein
lustiges Buch schreiben werde mit allerhand Erinnerungen, und darin
könnte dann der Lerr Landgerichsrat eine Lauptrolle spielen. Je
kurioser er sich also benimmt, desto mehr Vorteil habe ich für mein
Buch; er ist gewissermaßen mein vortrefflicher Gratismitarbeiter." —
Meist handelte es sich ja um Kleinigkeiten, aber auch einem tüch-
tigen Schlage zeigte sich Saltmanns glückliches Gemüt gewachsen
und seine sofortige Bereitschaft, einen neuen Standpunkt einzunchmen.
Da handelte es sich um eine Zukunftsaussicht. Er hatte einen Onkel,
der in einer andern Stadt ein gesuchter Anwalt war. In dessen
Praxis einzutreten, hoffte er, und er schwärmte schon davon, wie er
sich dann Mühe geben würde, ein tüchtiger Anwalt zu sein. Besonders
freute er sich daraus, unschuldige Leute, die in die Iustizmaschinerie
geraten würden, wieder herauszuholen, mit scharfsinniger Wider-
legung scheinbar sicherer Verdachtsgründe, glänzenden Plaidoyers
vor Strafkammern und Geschworenen und prächtiger Abfuhr ver-

„Für jeden Strumpf, den ich ihm stopfe, zahlt mir mein Vater eine Mark." — „Zerreißt er viel?"
„Bis jetzt nicht. Aber nun hat ihm sein Arzt geraten, jeden Tag zwei Stunden zu laufen."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Für jeden Strumpf, den ich ihm stopfe, zahlt mein Vater mir eine Mark"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1944
Entstehungsdatum (normiert)
1939 - 1949
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Junge Frau <Motiv>
Stricken
Stopfen <Handarbeiten>
Handarbeiten

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 200.1944, Nr. 5169, S. 5169_089

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