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Herrn Graf's Tagebuch über eine Reise nach Prag und Wien.

wobei Einen ganz anders werden that. Wie ich das zweite
Glas getrunken hatte, da nahm ich Kohlen heimlicht bei die
Hand, faßte mein Meißner Landweinfeßchen unter den Arm
und winkte ihn, daß er mit mir sollte einmal hinausgehn.
Wie wir draußen waren, gingen wir gans stille bis hinunter
an die Elbe und da sagte ich zu Kohlen:
„Lieber Herr Mahlermeister Kohle," sagte ich, „ich glaube
es gicbt hier doch bessre Sorten, als bei uns; wir wollen also
unsern Landsmann wieder zu Hause schicken."
Nun zog ich den Stebsel aus das Feßchen und ließ die
ganse Bastehte in die Elbe laufen, wo er also auch wieder
nach Pirne stoß, aber nur ein kleines bischen verdinnt mit
Wasser. Dann aber gingen wir wieder in die Restohrazion
und tranken gemiethlicht weiter, wovon wir auch gans sidehl
werden thaten. Als der Dambfwagen wieder weiter gehn wollte
und schon gefisten hatte, waren wir gans sehlig und benebelt,
so daß wir in die. Eile bald in die Ferde- und Ochseneisen-
bahnkuhbös gestiegen wären.
Wir schlummerten aus diesen Grunde nun auch balde in
Mohrfeisens Arme ein, so daß wir erst in der alten beriemten
Stadt Prag aufwachen thaten und dariber natirlich nicht wenig
verwundert waren, denn das war eine Reise im Schlafe mit
Dambfe gemacht, ohne daß man etwas gemerkt haben that.

Wie ich mich immer von jede Stadt wohin ich komme,
nach die Geschichte der Vergangenheit erkundige, so habe ich
es auch in Prag gethan und da muß wirklich Einer vor so
einer Stadt Rehspcckt haben, denn die ist ja so alt, daß sie
bis in das alte Testamende hinaufreichen thut, wo es noch
keine Schneider und keine Schuster nicht gab, sondern wo die
Menschen sich blos mit Baumblettern bekleideten, worin eS aber
auch schon manche Abwechselung gab, denn wenn in einem
Jahre mehr Feichenbletter Mode waren, so trugen sie das Jahr
darauf wieder mehr Eigenlaub oder auch Kirbißbletter, welche
letzte besonders mehr eine Tracht für den Winter waren und
mit Flahnell gefittert werden thaten, damit man sie bei großer
Kälte tragen kennen konnte. Als aber die alten Nehmen,
welche man auch Tschechen nannte, in speterer Zeit sogar die
Verschwendungssucht so weit trieben, daß sie die Tobaksflanzc
als Kleidungsstücke brauchen thaten, da legte sich ein damaliger
Birgermeister hinein und verbot den Tobak, was man Mohni-
Pole nennt, weil er ihn wollte nicht mehr als Kleidungsstick
tragen lassen, sondern ihn blos selber rauchen. Jetzt ist dieses
aber schon anders, weshalb man es Trafike nennt, weil jetzt
auch andre Leite als die Birgermeister den Tobak rauchen dir-
fen. Zum Andenken an diesen alten behmischen Thierannen
nennt man auch noch die schlechteste Sorte Tobak mit einen
sehr sonderbaren Namen, den ich aber mich gar nicht wage
wörtlich auszudricken.
Wie nun aber der damalige Gemeinderath immer iber-
mithigcr wurde, so kam endlich einmal ein sehr röselviertes
Frauenzimmer auf das Prager Rathhaus, mit Namen war sie
Libusa genannt und die trieb mit ein Bandoffel die gansen
Rathsmitglieder aus einander. Es soll dies sehr hibsch aus-

! gesehn haben, wie die damaligen alten Augenzeichen berichtigen
und Kohle hat von diesen geschichtlichen Moament ein Bild
entworfen.
Dieser Mamsell Libusa konnte es aber auf den Prager
Birgermeisterstuhle nicht recht lange gefallen und sie rickte im-
mer mit sehnsichtigen Gefihlen darauf hin und her, weil der
Birgermeisterstuhl so weitleifigt war, daß recht gut noch eine
andre Versöhn daraus Blatz haben konnte. (Von dieser breiten
und bequemen Einrichtung solcher Stihle kommt es auch, daß
die Herren Birgermeister so oft in die Rathssitzungen auf ihren
weichen Sitze noch heitzutage einschlasen!) Libusa faßte also
einen kurzen Endschluß und heirathete sich einen gewissen
Przemitzel, der bis dahin als ein schlichter Polizeischreiber und
Lottounternehmer ein stilles und unbekanntes Leben gefihrt
hatte. Das überglückliche Baar lebte nicht sehr lange einig
und ihre Familienzwiste nannte man die sogenannten Huhsiten-
kriege, weil es dabei immer ein bischen sehr derb hcrging.
Die neueren Geschichtscreigniffe werde ich speter bei den
wichtigsten Stellen noch näher berühren, wenn sich eine ginstige
Gelegenheit dazu anbietet.

Prag hat eine sehr liebliche Lage, welches man bitteres-
kische Umgebung nennt und auch für das öffentliche Vergingen
ist das Röthige gethan, wie es auch Bier- und Weinheiser
und andre gemeinnitzlichte Erziehungsanstalten in sehr großer
Menge dort giebt. Dahingegen giebt cs hier einen gans son-
derbarlichten Diolekt, welches man tschechisch-schlasische Sprache
nennt und was Keiner nicht verstehn kann, wenn er cs nicht
schon mit seinen Kindesbeinen frühzeitig gelernt hat. Diese
Sprache scheint mir cichentlich 176 ro^umim zu Hessen, denn
wenn ich auf der Strafe Jemanden nach etwas fragen that,
so antworten sie Einen allemal 17s ro^umiin und machen Einen
einen sehr stechenden Augenblick dazu, daß man sich ordentlich
firchten könnte, wenn man sonst nicht schon als ein kurahschich-
ser Kerl bekannt wäre.

Das Beriemtestd unter den Sehenswirdigkeiten ist vor
einen Fremden in Prag der Ratschien, welcher sich cichentlich
Hrrradschin schreibt, welches man aber gar nicht aussprechen
kann, wenn man sich nicht will den Mund weh thun.
Auf den Wege dorthin kommt man über die schene Mol-
thaubricke, woran nemlich Prag liegt. Diese Bricke ist auf
jeden Feiler mit Heiligen verziert, welche wir uns gern genau
ansehn wollten, aber unser Reisegeferde und Fremd Spreeberger
ließ uns immer dazu gar keine Zeit nicht.
„Ach Jott," sagte er in seinen Berliner Diolekt, „Sie
wollen nu man in Berlin jewesen sind un Sie halten sich auf
diese janz jewöhnliche Bricke so länglich uff? Wat sehn Se
denn hier? De wahre Kunst is doch man blos uff unsre
Berliner Schloßbricke zu sehn."
„Oh nein," sagte ich, „das sind mir doch gar zu blos
gestellte Versöhnen aus die andicke Miethelochie, welches nur
die Jugend verwirren und verderben kann. Und dann ist doch

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