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oder 2 Nthlr. Einzelne Nunimern koste» 12 kr. oder 4 Sgr.

Die Puppe.

(Fortsetzung.)

Mit dem dazu ausgesetzten Gelde sollten die beiden alten
Gärtnerleute unter der Bedingung bezahlt werden, daß sie im
Hause wohnen blieben, und „ihr kleines Louischen" pflegten.
„In ihrem neunzehnten Jahr," war serner im Testament ange-
geben worden, „würde ein junger Mann kommen, der um
Louischens Hand anhielt — dem solle man sie zur Frau geben.
Wenn das nicht geschähe, würde sie sterben." Für ihren einsti-
gen Tod fanden sich ebenfalls die nöthigen «Zeremonien vorge-
schrieben, wie auch die Kosten deponirt. Das Haus sollte hier-
nach ebenfalls der Stadt anheimfallen, und von dem Ertrag
nur noch das letzte Pflegepaar „des Kindes" bis an sein Ende
unterhalten werden.

Man kann sich leicht denken, welches Aussehen eine solche
unerhörte Bestimmung in der Stadt erregte, wobei nichts desto
weniger eine Menge Stimmen laut wurden, welche die genaue Be-
folgung des Testaments, schon aus Dankbarkeit für die wohlthäti-
gen Geber verlangten. Die Triebfeder desselben sei ja doch nur
das edle und bei ihnen gewaltsam unterdrückte Gefühl der Eltern-
liebe gewesen, und das müsse, als an sich etwas Heiliges, geehrt
werden, selbst wenn die vorgeschriebene Art noch so wunderlich
| erscheinen möge.

Der Rath begab sich vor allen Dingen, nach Eröffnung
des Testaments, in corpore in das nach dem Tod verschlossene
und versiegelte Haus, den Thatbestand dort selber in Augen-
schein zu nehmen. Die Herren waren nämlich alle mit einander
zu neugierig, dieses nur einer kleinen dazu erwählten Commis-
sion zu überlassen.

Im Hause selber fanden sie Alles in musterhafter Ordnung,
das Wichtigste und Interessanteste aber für sie, die Puppe, lag
in ihrem Nachtkleid im Bett, und cs war ein wunderlich un-
heimliches Gefühl mit dem sie diesem leblosen Wesen cntgegen-

traten, das durch den gläubigen und wirklich rührenden Irrsinn
der alten Leute fast wie belebt, jedenfalls wie ein lcbend.es
Wesen behandelt war.

Die Puppe hatte die Größe eines fast erwachsenen sechzehn-
jährigen Mädchens; das Antlitz war von lieblicher Schöne,
wie es schien aus Wachs geformt, der halb entblößte auf dem
Deckbett liegende Arm ebenfalls von Wachs und so wundervoll
modellirt, die ganze Gestalt in ihrer Lage und Kleidung über-
haupt so täuschend nachgeahmt, daß es den etwas steifen Herren
vom Rathe ganz eigens vorkam, hier in feierlicher Prozession und I
mit ernsten Amtsmienen am Bette eines jungen schönen schlafenden
Mädchens zu stehen. Ihre Unterhaltung im Zimmer wurde sogar
im Anfang nur flüsternd geführt, als ob sie sich fürchteten, die
Schlummernde zu stören, und als Einer von ihnen, der das
Lächerliche solcher Situation fühlen mochte, mit lauter Stimme
sprach, sahen sich Alle rasch und fast erschreckt nach ihm um
und — mußten sich wirklich zuletzt mit Gewalt zwingen, das-
selbe zu thun.

Kopf und Arm wurde jetzt untersucht; — die Größe der
ganzen Figur ließ sich leicht nach den runden Umrissen unter
der leichten Decke schließen, und es ergab sich, daß die Puppe
eine besondere kleine mit der übrigen Wohnung nur durch eine
Thür in Verbindung stehende Stube mit daranstoßender Schlaf-
kammer hatte. In der Kammer waren außerdem in zwei großen
Rußbrum-Schränken all' ihre Anzüge, ihr früheres Spielzeug,
ihre späteren Bücher verwahrt. Es blieb auch in der That nicht
dem geringsten Zweifel unterworfen, daß das Gerücht in der
Stadt vollkommen gegründet gewesen, als es behauptete, die
Puppe sei wie ein lebendes, vernünftiges Wesen behandelt worden.

Die Rathsherren waren in der That nicht wenig um
Rath verlegen, was sie mit dem Testament beginnen sollten.


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