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138 Die Puppe.

auch der Stadtrath vermied, mit dem Zimmer selber, in dem
sie „beigcsetzt" stand, in irgend welche Berührung zu kommen,
sing er doch an, sich in den, ihm anfänglich höchst unheimlichen
Räumen, sicherer und behaglicher zu befinden. Die Gewohnheit
trug viel dazu mit bei, und wie nun erst einmal einige Monate
vergangen waren, lachte er oft selber heimlich über die tollen
Ideen, denen er sich in früheren Zeiten hingegeben.

Aus dieser theilwcisen und trügerischen Ruhe sollte er aber
bald, und zwar aus höchst unerwartete Weise aufgeschreckt werden,
denn eines Abends, an dem er früher. wie gewöhnlich aus seinem
Club zu Hauö gekommen und gleich in sein Studirzimmcr
gegangen war, irgend eine sehr nothwcndige Arbeit zu erledigen,
kam plötzlich die Köchin, die sonst des Herrn Zimmer nie betrat,
fast ohne anzuklopfen, mit todtenbleichem Gesichte zu ihm her-
eingestürzt und war auch in der That kaum im Stande, das
eine entsetzliche Wort über die Lippen zu bringen: „Die Puppe!"

„Unglückseliges Frauenzimmer!" rief der Stadtrath von
seinem Stuhl cmporspringend — „was gibt es — was haben
Sie — was ist vorgefallen?"

„Die Puppe, Herr Stadtrath, ach Du lieber Gott im
Himmel, die Puppe!" war aber Alles, was das zum Tode er-
schreckte Mädchen über die Lippen brachte, und allem Respekt
und Herkommen zuwider, sank sic halb incinandergeknickt auf
den ersten Stuhl, und barg das Gesicht in die Schürze. Rur
mit Mühe und Roth brachte der selber etwas bestürzt gewordene
Stadtrath den folgenden, durch eine Menge von Ausrufungen
und Stoßgebeten unterbrochenen Bericht aus ihr heraus:

Eben wie cs zehn Uhr geschlagen,, war sie den.Gang
hinter gegangen, um ein paar Küchenschürzen, die sie dort über
Tag zum Trocknen aufgchangen und vergessen,, fortzunehmen.
Dort am äußersten Ende des Ganges, der hier eine Ecke nach
rechts hinein machte, lag auch die kleine versiegelte Kammer,
die mit dem übrigen Logis sonst in weiter gar keiner Verbindung
stand, und sic, die Köchin, hatte bis dahin sorgfältig vermieden,
Abends nach Dunkelwerden, jene Nachbarschaft zu betreten.
Nicht aber etwa, wie sie ausdrücklich hinzufügte, weil sie sich
vor Gespenstern gefürchtet, oder überhaupt an welche geglaubt
hätte, sondern „um den lieben Gott nicht zu versuchen," der
sie am Ende strafen möchte, wenn sie zu übermüthig würde.

,-Heute Abend nun, an gar nichts Böses denkend," er-
zählte sie weiter, „war ich den Gang hinter gelaufen, meine
Schürzen noch wegzuholen. Der Mond schien draußen, und
wenn auch nicht gerade in den Gang, war es doch hell genug,
daß man seinen Weg ohne Licht deutlich finden konnte. Wie
ich nun aber die Schürzen von der Leine abnchme, fallen mir
ein paar Klammern herunter, und der Spektakel, den die niach-
ten, stach. mir ordentlich wie ein Messer in's Herz. Lieber Gott,
die albernen Geschichten .sind einem ja so oft schon vorerzählt
worden, daß mau sie endlich doch mit selber glaubt. „Meine
Güte," dacht' ich bei mir, „Du machst hier so einen Spektakel
und da nebenan schläft die Puppe — wenn die nun aufwachte,"
und mit dem Gedanken ich meine. Schürzen hinwerfen und fortlau-
fen war eines, denn es war mir auf einmal, als ob mir Jemand
mit einer eiskalten Hand in den Nacken griffe. Noch hatte ich

aber keine drei Schritte gemacht, Herr Stadtrath, und die Diele
soll sich vor mir aufthun und mich bei lebendigem Leibe ver-
schlingen, wenn ich nicht die Wahrheit rede — da kam sie den
Gang herunter —"

„Wer kam? — schwatzen Sie hier keinen Unsinn!" rief
der Stadtrath Mäushuber ärgerlich.

„Die Puppe, Herr Stadtrath, und wenn Sie mich den
Augenblick in's Zuchthaus schicken," sagte das Mädchen fest ent-
schlossen, und mit einer unbestimmten Ahnung, daß ihr Herr
Leute zu dem eben genannten Ort mit befördern helfe.

„Aber so seien Sie doch vernünftig, Ricke," sagte der
Rath Mäushuber, unwillkürlich dabei auf Sie zugehend, und mit
seinen Händen gegen Sie gestikulircnd, „besinnen Sie sich doch
cs wird eines von ihren Handtüchern gewesen sein, das im Wind
geweht hat."

„Herr Stadtrath," sagte das Mädchen, „Ihr Wort in
Ehren, aber erstens Hab' ich gar kein Handtuch dort gehabt,
und dann ist auch eine Todtenstille dtaußen; — kein Lüftchen
regte sich."

„Aber die Puppe ist in dem Zimmer ciugcschlvffen und ver-
siegelt, und liegt in einem versiegelten und verschlossenen Kasten
—- ich habe sie selber mit hineingelegt. — Heiliger Gott, jetzt
wird die Geschichte losgchen, und das alberne Volk treibt Einen
zur Verzweiflung mit seinem wahnsinnigen Aberglauben. Nun
was haben Sie denn eigentlich gesehen, so rücken Sie doch
endlich einmal in des Teufels Namen — Gott verzeihe mir
die Sünde, mit der Geschichte heraus."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Puppe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schrecken <Motiv>
Dienstmädchen <Motiv>
Geister
Karikatur
Puppe
Zimmer <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 594, S. 138
 
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