Fliegende Blätter (28.1858 (Nr. 653-678))

84 Die neuen Hemden.

Da kommt eines Tages in der sehr besuchten Naumann'-
scheu Restauration das Gespräch auf Herrenwäsche. Der
herkulische Stallmeister Reutling, der immer auf sehr feine
Wäsche hielt, behauptet, er habe auS Einem Stück Leinwand
' 18 Stück Hemden bekommen. „Das ist nicht möglich," ruft
j der kleine dürftige Rentier Schmaling aus, „ich habe nie mehr
als ein Dutzend aus dem Stücke bekommen." „Dann sind Sie
betrogen Bester," entgegnctc ihm der Stallmeister, „aus Ehre be-
trogen, hier ist die Adresse der Nätherin, überzeugen Sic sich selbst."

Am andern Tage hat der Rentier nichts nothwendiger zu

thun, als ein Stück Leinwand zu kaufen, dieses zu der bezeich-
netcn Nätberin bringen zu lassen, und sich selbst zu dieser zu
verfügen. „Fertigen Sie mir aus diesem Stücke Heinde»,
aber gerade so gemacht, wie sic der Stallmeister Reutling
trägt, verstanden?" — „Sehr wohl mein Herr!" — Wie viel
werde ich wohl daraus bekommen?" — „Wenn das Stück richtige
60 Ellen hat, so bekommen Sic wenigstens 22 Stück daraus."
— „Schön! und wann kann ich die Hemden erhalten?" —
„In acht Tagen werde ich sie Ihnen zuschicke»!" — „Ich
rechne darauf, leben Sic wohl!

Acht Tage später.

„Aber mein Gott, das sind ja keine Hemden?" — „Ja
wohl, mein Herr, das sind Reithemdcn!" — „Reithemden??
was soll ich denn mit Reithemden? Ich kann ja gar nicht

reiten!" — „Thut mir leid, mein Herr, Sie haben sic ge-
rade so bcftellt, wie sie der Herr Stallincister Reutling trägt,
sic sind genau nach demselben Schnitt, nur Ihrer Figur ange-
messen, ich habe Ihnen sogar 25 Stück geliefert!"