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Curtis Brautfahrt.

»«

Das nächste Haus, das jetzt in seinen Augen einigen
Werth hatte — denn diejenigen Farmen, auf denen keine
jungen Mädchen lebten, existirten gegenwärtig gar nicht für
ihn — gehörte eineni Leidensgefährten, einem Wittwer, Namens
Ewis; der Magnet aber, der ihn dorthin zog, war des alten
Ewis einziges Töchterlein, ein liebes, holdes Mädchen, schlicht
und einfach, doch brav und häuslich erzogen, und eine ameri-
kanische Jungfrau im reinsten und vollsten Sinne des Wortes.
Darum war übrigens Curtis nicht gleich von allem Anfang
hierher geritten, iveil — die Neger fehlten. Ewis konnte
mit zu den wohlhabenderen Farmern gerechnet werden, seine
Heerden weideten in allen Theilen der weitverbreiteten Rohr-
brüche, sein Land trug herrliche, reichliche Frucht, und es gab
in einem nicht geringen Umkreis keinen gutmüthigeren und
zugleich rechtlicheren alten Mann, als eben ihn; aber die
Neger fehlten, und Curtis hatte dcßhalb Lucy und Bet —
aber nein, er wollte gar nicht mehr an die Mädchen denken

— sie verdienten es nicht.

Jetzt hatte er die äußersten Fenzen erreicht; im Osten
wurden schon an dem erdunkelnden Nachthimmel einzelne,
blitzende Sterne sichtbar, und nur im Westen verrieth ein
schmaler bleicher Streif die geschiedene schlummernde Sonne;
aber dort wirkte und schaffte noch reges Leben; die Hunde
bellten, die Kühe blöckten, eine feine Kindesstimme rief das
lockende „Huph — huph" in den Wald hinaus und dazwischen-
durch schallten die eintönigen Schläge der Axt, die noch
Feuerholz für die kühle Nacht herbeischaffen mußte.

Gleich darauf betrat er den inneren, von den verschiedenen
Feldern und Gebäuden eingeschlossenen Raum, der gewisser-
maffen als Hof gelten konnte, und fand sich bald darauf,
von fünf bellenden heulenden Rüden umgeben, vor einem
einstöckigen, aber ziemlich hochgiebligen Blockhaus, aus dessen
Innerem ihm schon ein freundlich gemüthlicher Lichtglanz,
Wärme und Geselligkeit versprechend, entgegenleuchtete.

„Hallo Curtis!" rief der alte Ewis, als er den, wenn
auch etwas fernwohnenden „Nachbar" erkannte, während er
im Holzhacken einhielt und dem Ankommenden entgegentrat.

— „das macht Ihr gescheidt, daß Ihr Euch endlich einmal
' sehen laffet; habt mir's lange genug versprochen. Komm

Bill — nimm das Pferd und führ' es in den Stall; jag'
nur die anderen hinaus, die haben jetzt gefressen, und wir
brauchen sie morgen doch nicht; tretet ein; laßt nur den
Sattel sein, Bill wird schon auf Alles Acht geben."

Curtis athmete hoch auf — in der Thür der Hütte stand
Anna, das holde liebe Kind, und lächelte ihm so freundlich
entgegen, daß er vor lauter seligen Gedanken des Vaters
Hand gar nicht wieder losließ. Er stieg aber vom Pferd,
schüttelte die dargebotene Rechte des Alten recht derb und herz-
lich, und trat mit klopfendem Herzen iu's Haus, wo er der
Jungfrau nach alter wackerer Sitte die Hand zum Gruß bot.

„Nun Curtis, wie geht's?" fragte Ewis, als sie sich zu-
sammen zum Feuer gesetzt hatten und der Frciersmann emsig
beschäftigt war, mit seinem Genickfänger einen Spahn zu zer-
schneiden, — „wie steht Euer Mais? schon gepflanzt? habt

wohl fruchtbares Wetter abwarten wollen? ja, 's ist merk-
würdig trocken dieses Jahr."

„Nicht so ganz — wenigstens nicht bei mir" erwiderte
Curtis, denn es war, als ob ihm das Herz die Brust zer-
sprengen müsse, denn Anna stand dicht neben ihm und holte
die blankgescheuerte Kaffeekanne zum am Feuer brodelnden
Abendeffen vom Gesims herunter — „mein Feld liegt, wie
Ihr wißt, ein wenig tief im Thalland d'rin — neun Acker
urbar gemachtes Land und daneben noch ein kleines Stück-
chen für Rüben — eine schöne Fenz, drum —"

„Ja, ja, 's ist gutes Land, kann's aber doch mit meinem
hier nicht aufnehmen."

„Mr. Ewis," entgegnete Curtis etwas pikirt, (denn das
heißt einem Ansiedler der westlichen Staaten an's Herz ge-
griffen, wenn man behauptet: entweder besseres Land, ein
schnelleres Pferd, eine sicherere Büchse oder tüchtigere Hunde
zu haben), „Mr. Ewis, mein Land wurde durch die Feld-
messer ausgesucht, und für das fruchtbarste im ganzen County
erklärt; überdies habe ich noch ein recht gutes Wohngebäude,
ein Rauchhaus, eine kleine Küche —"

„Haben Euch denn die Eichhörnchen und Truthühner
dies Frühjahr viel Saat weggefressen? ich mußte an den Fenzen
herum schon wenigstens zweimal nachpflanzen."

„Das war bei mir nicht so bedeutend," entgegnete Curtis,
auf's Neue die Gelegenheit ergreifend, all sein bewegliches und
unbewegliches Eigenthum im besten Lichte erscheinen zu lassen;
„Ihr wißt, ich habe einen kleinen Neger, und der muß ge-
hörig aufpaffen; es ist sehr angenehm, einen kleinen Neger"
— er sah sich schnell um, denn er konnte fast darauf schwören,
es hätte Jemand hinter ihm gekichert, Anna stand aber ganz
ernsthaft am Tisch, und war emsig beschäftigt, die Messer
und Gabeln zu ordnen, und weiter sah er Niemand im
Zimmer — „kleinen Neger zu haben," fuhr er nach einer
Pause in der unterbrochenen Rede wieder fort; „dabei die
hundert und fünfzig —"

„Wie ist's denn mit dem Brunnen geworden, den Ihr '
wolltet graben lassen? oder trinkt Ihr noch immer aus dem
Bach? wenn ich Nancy wäre, ließ ich mir das gar nicht
gefallen; im Sommer ist's ein schauderhaftes Getränk."

„O bewahre — ich nahm Mowers Jim auf vierzehn
Tage in Arbeit, und da ich doch hundert und sechzig Dollars
in baarem, hartem Gelde liegen hatte, so wendete ich gleich zehn
daran, diese wirklich nothwendige Arbeit gethan zu bekommen."

„Hm," sagte Mr. Ewis, und schaute den redseligen
Curtis, während er init dem Daumen und Zeigefinger der
linken Hand die Unterlippe beobachtend zusammenkniff, for-
schend an. Zum erstenmal schien die Ahnung der Absicht
seines Besuchs in ihm aufzudänimern. Zu jetziger Zeit war
Alles eifrig in den Feldern beschäftigt, und Curtis hatte
mitten in der Woche seine Sonntagskleider angezogen und
sich zu ihm verfügt, blos um bei ihm zu übernachten —

„Hm" — sagte er dann noch einmal, und sah forschend bald
seine Tochter, bald Curtis an, der, als er dies bemerkte, feuerroth
wurde und mit eisernem Fleiße an seinem Spahn fortschnitzte.
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