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Curtis Brautfahrt.

»1

Einige Minuten lang überlegte sich der Alte die Sache,
und schien das pro und conkru bedeutend in Betracht zu ziehen;
endlich mußte aber doch wohl das pro den Sieg davon getragen
haben, denn er stand auf, und verließ, unter dem Vorwand
nach den Pferden zu sehen, das Hans. Curtis war auch wirklich
gar so keine üble Parthie! er hatte was er brauchte, ja von
diesem wohl mehr als sieben Zehntel der übrigen Ansiedler, und
die kleine am Fourche la fave freilich ziemlich bekannte Eigenheit,
daß er inimer von seinem kleinen Neger erzählte, durfte, wie
der Alte meinte, bei einem Mädchen auch weiter keinen Unter-
schied machen, wenn der Mann nur sonst brav und gut wäre.

Curtis, der nicht einmal diese Eigenschaft gegen sich,
wohl aber alle die andern für sich kannte, merkte gar bald, wenn
er auch sonst gerade keine übermäßigen Verstandeskräfte besaß,
daß er den Allen auf seiner Seite habe, und beschloß nun
mit der Tochter die Sache ebenfalls schnell in's Reine zu
bringen. Wie er aber allein mit ihr war, verließ ihn auf
ein Mal aller Muth; es war ihm, als ob ihm Jemand mit
zwei Fingern die Nase, und mit der ganzen Hand die Kehle
zuhielte, und er nun mit jedem Augenblick ersticken müsse.
Anna brach auch endlich zuerst das ihm wenigstens peinlich
werdende Schweigen und frug ganz unbefangen: „Wie befin-
det sich Nancy, Mr. Curtis? warum komnit sie nicht einmal
herauf zu uns; sie hat es mir doch schon so oft versprochen."

Curtis rückte eine Weile auf dem Ssuhl umher, faßte sich
aber endlich ein Herz und frug das junge Mädchen mit einem
seiner zärtlichsten Blicke: „Wollten Sie nicht lieber einmal

Nancy besuchen, Miß Ewis? vielleicht gefiel Ihnen der Ort?"

„Nancy muß erst zu mir koinmen", sagte Anna, „sie
hat es versprochen."

Eine lange Pause entstand jetzt, bis endlich der zaghafte
Werber auf's Neue das Wort nahm und die Unterredung
mit einem leisen:

„Es ist heute schönes Wetter" wieder anzuknüpfen suchte.

„Ja!" sagte Anna.

Curtis sah sich im ganzen Hause um, und seine Augen
flogen bald über die an der Wand hängenden Kleider, bald
über die im Schornstein angebrachten Speckseiten, und hafteten
endlich wieder auf Annas schlanker Gestalt, die an das Feuer
getreten war, um nach dem beigestellten Maisbrod zu sehen.

„Miß Anna!" sagte Curtis.

„Mr. Curtis?" frug Anna, sich nach ihm umdrehend.

„Ich muß Ihnen nur gestehen", stotterte der Freier,
„daß ich einzig und allein darum hierher gekommen bin, um
— um Sie — um mich bei Ihnen — bei Ihnen zu er-
kundigen, — ob Sie —"

„Cb ich?" — fragte das Mädchen, den neugierig lä-
chelnden Blick fest auf ihn gerichtet.

Er war so schön im Zuge gewesen, wie er ihr aber
wieder in das dunkle Auge sah, das ihn so schelmisch, und
doch auch so — er wußte selbst nicht wie, so — trotzig an-
blickte, da verließ ihn auf's Neue sein Selbstvertrauen, und

er stammelte, nach einigen vergeblichen Versuchen, die Fassung
wieder zu gewinnen, auf das Fleisch deutend —

„Haben Sie das selber geräuchert?"

Wohl zwei Minuten mußte er aber auf die Antwort
warten, denn so lange dauerte es, ehe sich Anna erholen
konnte, die bei den letzten Worten in ein fast nicht zu be-
schwichtigendes Lachen ausgebrochen war.

„Und deshalb also sind Sie die zwölf Meilen geritten?"
frug sie endlich mit. noch thränenden Augen, „blos um sich
zu erkundigen, ob ich das Fleisch geräuchert hätte? o bester
Mr. Curtis, das hätten sie bequemer haben können, Nancy
mar dabei, wir haben es zusammen eingesalzen."

Curtis wurde leichenblaß — er wußte, sein böses Ge-
schick arbeite jetzt an seinem Verderben; dieselbe Sehnsucht
nach irgend einer noch unentdecklen Felsspalte oder nach einem
bodenlosen Abgrund erfaßte ihn —

„Ich habe einen kleinen 'Neger —"

„Und hundert und fünfzig Dollar in baarem, hartem
Gelde" kicherte Anna, Nancy hat mir das mehr als zwan-
zig Mal erzählt.

„Kinder, was habt Ihr denn?" sagte der alte Ewis
der durch das Gelächter angelockt, in die Thüre trat. „Ihr
seid ja ungemein lustig — ich glaubte —"

„O Vater, denke dir nur," — lächelte Anna — aber ein
flehender Blick des Unglücklichen traf sie, und dem konnte sie nicht
widerstehen. Sie hatte Curtis Absicht bei seinem ersten Eintritt
gemerkt, denn wenn ein lediger Mann an einem Wochentage, noch
dazu in so nölhiger Arbeitszeit, und in seinen besten Kleidern,
mit dem besten Sattel auf dem Pferd, auf einer Farm übernach-
tet, wo junge heiratsfähige Mädchen sind, da wird und kann
fast stets ein Heiratsantrag vorausgesetzt werden. Curtis war
aber überdies noch in der ganzen Ansiedelung schon gewisiermaßen
prophezeit worden, da er einige dunkle Worte hatte fallen lassen,
was wie ein Lauffeuer von Farm zu Farm geflogen. Bei Stepp-
decken- und Klötzerollfesten hatten die jungen Mädchen auch schon
zusammengekichert und gelacht, welche von ihnen die Glückliche
sein werde, der „der kleine Neger und die hundert fünfzig Dollar"
zuerst angeboten würden. Auf diese Art war gewissermaßen ein
Complott gegen den armen Mann entstanden, und er glich jetzt
einem Menschen, der wohlvermummt und verlarvt auf einem
Maskenball umherwandert, fest überzeugt ist, daß ihn Niemand
erkennen kann, und hinten auf dem Rücken, durch irgend eine
boshafte Hand angeheftet, seine eigene Visitenkarte trägt.

Anna fiirchtete aber fast, den Scherz zu weit getrieben zu
haben, lenkte also ein, speiste den Vater mit einer ausweichen-
den Antwort ab, und war dann sehr beschäftigt, das Abendeffen
herzurichten und aufzutragen, wich aber sorgfältig jeder Erklärung
von Curtis Seite aus, ja ging sogar ebenfalls hinaus, als sie
merkte, daß sie der Vater nach Tische auf's Neue mit dem
jungen Manne allein lasten wollte, und überzeugte die beiden
Herren der Schöpfung gar bald, daß sie auf die Pläne, die sie
zu brüten beliebten, nicht einzugchen gesonnen sei.
iFortsetzung folgt.)

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