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Der Schneider von Ulm.

(Fortsetzung.)

4.

.Wo stolz der Aar geherrscht allein.

Zm luftige» Reich', im weiten,

Da dringt jetzt ein Srod'rer ein,

Den Rang ihm adzustreiten."

Welch »ine unvermuthete Wendung der Dinge! Das ver-
kannte und mißhandelte Genie begann nun seine Triumphe zu
feiern. Der Spott wurde kleinlaut und der Hohn ging über
in Bewunderung. Diejenigen, welche den sogenannten tollen
Schneider am unbarmherzigsten mit ihrem Witze gegeiffelt hat-
ten, wurden nun seine feurigsten Lobredner. Man staunte über
die kühne Erfindung, und erging sich in Betrachtungen ihrer
Wichtigkeit für die Folgezeit. So großartig auch die neue
Kunst austritt, hieß es, so ist dieses doch nur ein Anfang.
Die Erfahrungen wiederholter Versuche werden gewiß Verbes-
serungen nach sich ziehen, und staunen wir heute noch über
einen fliegenden Schneider, so werden wir vielleicht schon
nach wenigen Jahren ganze Armeen hoch über unfern Häup-
tern in der Luft manövriren sehen. Diese Erfindung trägt den
Keim einer gänzlichen Umwandlung aller Verhältnisse des
Kriegs und des Friedens in ihrem Schooße. Man bedenke
nur, wenn einmal Jedermann Flügel haben wird!

„Wollen wir nicht miteinander ein wenig spazieren fliegen?"
wird dann eines schönen Morgens die Frau ihren Mann ftagen.

„Nein, ich danke Dir, meine Liebe," kann der hierauf er-
wiedern, „ich habe heute einige Geschäfte in der Nachbarschaft
zu besorgen und will nur gleich auf und davon fliegen. In
einer Stunde beiläufig schweb' ich nach Stuttgart, lasse dann
den Straßburger Münster ein paar hundert Klafter unter mir
liegen und frühstücke in Nancy. In Paris mach' ich Mittag '

und wenn ich dort meine Angelegenheiten werde bereiniget ha-
ben, bring' ich dir zum heutigen Cafinoball einen ganzen An-
zug nach der allerneuesten Mode von heute Morgen mit."

Wo aber den Leuten der Verstand förmlich stille stand, das
war auf der Schneiderherberge.

„Der Joseph?" rief Einer.

„Der Joseph!" sagte der Andere.

„Und ich Hab' ihn davongejagt!" seufzte mit kläglichem
Gefichte sein ehemaliger Meister.

„Und wir haben ihn hinausgeworfen!" erwiederten die
Uebrigen, und Alle kratzten sich hinter den Ohren. Es war
ein trauriger Anblick, so viele betrübte Schneider beisammen
fitzen zu sehen. Da erhob fich Einer aus der Versammlung >
und nach kurzem Räuspern begann er also:

„Geehrte Herrn College»! es ist wahr, wir, die wir beru-
fen find, alle menschlichen Blößen zu bedecken, wir haben uns
selbst die ungeheuerste Blöße gegeben. Wie konnte nur eine
ganze ehrsame Zunft so verblendet sein, das größte Licht in
ihrer Mitte nicht zu sehen! Statt in seinem Glanze uns zu
sonnen, haben wir, wie dumme Jungen, uns an ihm verbrannt.
Meine Herren! der Schaden, denn das Schneiderpanier dabei
erlitten, ist so groß, daß er nur dann gründlich ausgebeffert
werden kann, wenn die gestimmte Zunft Hand anlegt. Meine
Herren! unsere Ehre steht auf dem Spiele, und wir vermögen
fie nur dadurch zu retten, daß wir uns schleunigst mit dem
gefeiertsten Schneider des Jahrhunderts aussöhnen, und ihn
zur Rückkehr in unsere Mitte zu bewegen suchen. Joseph ist
ein guter Mensch — er wäre ja sonst kein Schneider! — ge-
wiß er wird, wenn wir ihm gute und getreue College» find, l
uns Theil nehmen lassen an seinem Ruhme, der jedes Schnei- !
derherz stolzer schlagen macht. Sein Ehrentag naht. Der
hochlöbliche Stadtrath hat unseres großen Joseph Erfindung
geprüft und anerkannt, der König selbst wird Augenzeuge

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