Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vorlesungen des berühmten Dr. S chn n bellvi tz über Länder- und Völkerkunde k. 119

den Magen regelmäßig zu Grunde richten oder schon mit einem
zu Grunde gerichteten ans die Welt kommen.

Die Bewohner der Erde kann man, nne die des Uni- !
versums, in zwei Classen eintheilen, was viel richtiger sein
wird, als die Raceneintheilung Diefenbach's. Es gibt nem-
lich wilde und zahme Völker. Zn den ersteren gehören alle
Völker, welche Haare aus den Zähnen haben, zn den letzteren
fast ausschließlich die Deutschen.

Die wilden Völker sind sehr kriegerisch, haben aber die
Untugend, daß sie einander oft selbst, oder doch znni Min- j
desten ihre Feinde, auffressen, während die zahmen und civi-
lisirten Völker einander höchstens aufreiben. Die ivilden i
Völker kleiden sich ganz nackt und tätowiren ihre Haut,
während die civilisirteu Crinolinen tragen und sich blos
schminken. 'Hinsichtlich der Sprache sind die Menschen
auch sehr verschieden. Die Einen sprechen Ivenig und den-
ken und handeln viel, die Andern sprechen viel und denken
und handeln wenig. Im Uebrigen herrscht eine babylo-
nische Sprach-Verwirrung. Kein Mensch versteht mehr den
andern, keine Regierung und keine Nation die andere, und
die Diplomaten verstehen einander gar nicht mehr. In Be-
! zug ans Sitte, Sittlichkeit und Religion steht es auch
i nicht viel besser. Die gute alte deutsche Sitte schwindet im-
mer mehr, um den französischen Unsitten Platz zn machen;
die Sittlichkeit weicht Schritt für Schritt der Unsittlichkeit
und den Spielhöllen, und die Religion wird gar oft znm
! Deckmantel unlauterer Bestrebungen mißbraucht. Und so
I kommt cs denn, daß die Menschen sich Iviedcr in ztvei Partheien
! scheiden, in solche, die Alles glauben, und in solche, die gar
nichts glauben. Die Einen verzweifeln an der Menschheit,
die Andern hoffen Alles von ihr. Die Einen sind Pessimi-
: sten, die Andern Optimisten. Die Einen sehen das goldene
Zeitalter kommen, die Andern prophezeihen den Untergang
! der Welt.

Verehrteste! Was soll uns nun aus diesem Labyrinth
heränsreisscn? Etwa gar ER selbst, der Untrügliche, der
„Ueberall und Nirgends?" Oder die „deutsche Einigkeit,"

! der „National-Verein", oder die „Würzburger Conferenzen",

! oder gar die „Gothaer Parthei?"

Verehrteste! Sie werden ans meiner bisherigen Dar-
stellung der Länder-, Völker- und Naturkunde entnommen ha-
ben, daß oft der Kopf oder ein Kopf eine große Rolle

spielt, daß cs mehr Menschen als „Köpfe" gibt, obgleich es
mehr dumme Köpfe gibt, als kluge Menschen, daß jeder „sei-
nen eigenen Kopf" hat, und daß es „so viel Köpfe gibt als
Sinne". Das klingt Alles ganz sonderbar und räthselhaft,
aber es ist doch wahr! Wie die Geschichte, die Politik, die
Diplomatie, die Jntrigue und andere verfängliche Wissenschaf-
ten mehr ihre „vollendeten Thatsachcn" haben, so ist auch
meine Wissenschaft eine „vollendete Thatsache" zn nennen,
zn deren Beglaubigung es nichts weiter als Ihrer respektiven
Anerkennung bedarf. Sie selbst lvissen, daß man häufig im
Leben sagt: der Mensch ist ganz kopflos! Oder: er hat gar
keinen Kopf, oder auch: er ist ein tüchtiger Kopf!

Nicht minder als der Kopf, spielt im Leben der Men-
schen, der Völker und — Schicksale auch das Herz eine
Rolle. Man spricht von gebrochenen Herzen, von starken und
festen Herzen, von großen und edlen Herzen und von Men-
schen, die das Herz ans deni rechten Fleck haben. — Gebro-
chene Herzen gibt es bei unglücklicher Liebe und anderen Un- ;
glücksfällen. Gebrochene Herzen und verdorbene Mägen findet
man oft nahe beisammen. Die Ersteren findet man bei sen- j
timentalen Mädchen und Jünglingen, die Letzteren dagegen

bei Gourmands, Lebemännern, Routiniers und — Hunger-
leidern. — Starke und feste Herzen findet man nur bei de-
nen, welche der Wett und den Schlägen des Schicksals Trotz
bieten, die Welt überwinden, und auch im Unglück nicht ver-
zagen. Denn nur „dem Mnthigen gehört die Welt!" Teß-
halb trifft man auch so viel „gebrochene Herzen" an, und
darum hört man auch so oft sagen: „Mir bricht schier das
Herz!" Gebrochene Herzen sind, in Spiritus aufbewahrt,
von anderen nicht zn unterscheiden, während Sie dagegen einen
verdorbenen Magen leicht an seiner Verdorbenheit erkennen
können. Starke und feste Herzen sind daher auch eine Sel-
tenheit, während die anderen schon häufiger Vorkommen. •—
Verehrteste! Wenn Ivir von Kopf und Herz sprechen, so
kann ich bei dem Anlaß nicht unterlassen, Sie ans eine neu
auftauchende Erfindung in der Wissenschaft anfnierksam zn
machen. Es ist dies; die sogen. Phrenologie. Diese Wis-
senschaft hat es fast ausschließlich mit dem Kopfe zn thnn,
und es dürfte das Studium derselben namentlich angehenden
Staatsmännern und Diplomaten zn empfehlen sein, da sich
die im Staatsdienste schon Ergrauten doch nicht mehr recht
in diese neue Wissenschaft schicken können. Es ist ein großer
Fehler der Kabinetspolitik, und sie hat es jetzt schwer zu
büsscn, daß' sie dieser Wissenschaft nicht von jeher mehr Auf-
merksamkeit zngewendet hat, da sie mit Hilfe derselben a priori
zu Resultaten gelangt wäre, die sic a posteriori nur mit
schweren Opfern erkaufte. Dieselbe ist schon deßhalb von
großer Wichtigkeit, weil sie am Kopfe des Menschen eine
Menge neuer Sinne entdeckt hat, von denen die frühere Wis-
senschaft so viel als nichts weiß. (Schluß folgt.)

Ir
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Vorlesungen des berühmten Dr. Schnabelwitz über Länder- und Völkerkunde, und moderne Naturwissenschaft"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fremdbild
Schattenriss
Haar <Motiv>
Liebespaar <Motiv>
Kaiser <Motiv>
Kopf <Motiv>
Zahn <Motiv>
Profil
Volk
Phraseologie
Karikatur
Liebe <Motiv>
Silhouette <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Deutsche <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 32.1860, Nr. 771, S. 119
 
Annotationen