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Die Falsche und doch die Rechte.

tcnes, daß ich mich wohl zu sehr dadurch verstimmen lasse,
ich hoffe aber, cS soll vorübergchcn, ich habe bereits einen
Arzt darüber zu Rathe gezogen." — Diese Erklärung Krackte
sichtlich neues Leben in Vater und Tochter, und beide machten
mir frcundschaftlicke Vorwürse, daß ich eS ihnen verschwiegen
und mich gequält hätte, es zu verbergen; sie hätten wohl ge-
merkt, daß mir nicht wohl zu Muthc sei. Unter dem Vor-
wände der Kopfschmerzen zog ich mich frühzeitig zurück, denn
mich verlangte nach Ruhe und Ueberlegung. Als ich heim-
kam, setzte ich mich nieder und wiederholte mir daS Gehörte.
Mit Laura war also unter keiner Bedingung etwas, sie hätte
mir unbedingt einen Korb gegeben. Also, seit sic mich ge-
sehen, hatte sic nur ihren Spott mit mir, das freundliche
Lächeln, das mich an ihr entzückte, ging auf meine Kosten,
und ich war ihr nur merkwürdig gewesen, als das ungelenkste
steifste Exemplar von einem Menschen, das sie je erblickt, und
ach, daß sic darin nicht Unrecht hatte, war mir ja leider nur
zu bekannt, bloS meine thörichte Leidenschaft hatte mich'S ver-
gessen lassen.— Mit Laura also war's nichts, und — wenn
ich mir'S ruhig überlegte, so konnte ich mit Mathilden schon
zufrieden sein. Konnte ich diese auch (>o meinte ich damals)
nie so lieben, wie Laura, so mußte sich'S doch recht still und
zufrieden mit ihr leben lassen, den» verständig war sic und
freundlich und geduldig. Zch hatte ihr, wie ick mir mit
Scham gestehen müßte, nur zu viel Gelegenheit geboten, dieß
zu zeigen. Kurz, feit ich so bestimmte Auskunft über Lauras
Empfindungen in Betreff meiner Wenigkeit erhalten, fing ich
an, mich in mein Schicksal zu ergeben. „Pech mußt du nun
einmal haben, Weber!" sagte ich zu mir, verbrannte jenen
Brief, den ich so lange bei mir getragen, und mit der Er-
gebung ins Unvermeidliche kehrte Ruhe in meine Seele zurück.

Mein Kopfweh ließ ich nack und nach vorübergehen und
stellte mich nun bestmöglichst aufmerksam und freundlich an,
so daß wenigstens die bcsckcidcnc Mathilde ganz zusricdcn ge-
stellt war. Leugnen will ich's übrigens nicht, daß mich zu
dieser Umwandlung am meisten gereizter Stolz trieb. Zch will
der Laura doch zeigen, dachte ich, daß ich kein so miserabler
Mensch bin, als sie mich geschildert.

Die beständige Nähe meiner ersten Flamme machte meine
Stellung allerdings zuweilen recht schwer, und ich war froh,
als wir, glücklich getraut, nach unscrm Dorfe hier abrcisten.
— Und hier nun, lieber Freund, in dem ruhigen, stillen
Zusammenleben lernte ich meine Frau eigentlich erst recht lie-
ben. Eine solche Liebe, die erst nach der Trauung hcran-
wächst, mag immerhin viel ruhiger, viel unscheinbarer sein,
aber ich glaube, sic ist ächt in der Farbe und bleicht weniger
aus. — Nach einem Zähre mußte ich mir gestehen, daß ich
Mathilden um Alles in der Welt nicht hcrgcbcn möchte und
zum Erstcnmalc segnete ich mein Mißgeschick, das mir durch
eine bei mir so gewöhnliche Confusion die Thore zu einem
ruhigen, friedlichen Glücke geöffnet.

Vor drei Zähren, Laura hatte sich indessen mit einem
Kaufmannc vcrheirathct, schrieb uns mein guter Schwieger-
vater: „Denkt Euch, Laura wird sich scheiden lassen. Die

Leute leben ganz unglücklich mit einander und man sagt all-
gemein und ich fürchte, nicht mit Unrecht, Laura trage die
Schuld daran. Zhr Benehmen als Braut gefiel mir schon
nicht, ich sagte ihr oft: Laura, ich bitte Dich, stoße doch Dei-
nen Bräutigam nicht vor den Kopf, sei freundlicher! aber da
erhielt ich immer nur zur Antwort: man muß ihn nicht ver- I
wöhnen! Es ging, wie ich gefürchtet; sie machte ungeheuere
Ansprüche, auf Putz und Tand ging das halbe Einkommen '
des Mannes darauf, er widersetzte sich endlich dieser Ver-
schwendung, es soll zu häßlichen Sccnen gekommen sein, und
jetzt ist bereits auf Scheidung angetragcn." — Als ich dies
gelesen, ging ich in mein Kämmerlein und dankte Gott in- !
brünstig, daß er meine Angelegenheit damals so geleitet; wie
bodenlos unglücklich wäre ich jedenfalls mit der Laura ge- z
worden; und meiner armen Mathilde bat ich in meinem Her- j
zen nochmals tausendfältig mein abscheuliches Benehmen in
meiner Bräutigamszeit ab.

Unter dieser Erzählung hatten wir das Städtchen erreickt. j
Zch bat meinen Freund, an dem Nachfrühstück thcilzunchmen, '
das ich bestellte, um nur etwas in dem Gasthofe zu verzehren. j
Wir saßen noch eine Stunde heiter und vergnügt beisammen ;
und ließen die gute Mathilde in dem allerdings sehr mittel- ;
mäßigen Weine des WirtheS hoch leben, und als ich in mein
Lohnfuhrwcrk cingcsticgen und mir Fritz manches Lebewohl
zuricf, da beugte ich mich noch einmal heraus und rief: „Nun,
so grüße mir nur Deine gute Frau daheim noch viel tausend
Male, die Falsche und doch die Rechte!"

Und seclcnzufrieden nickte mir der Pastor zu.

Zerstreutheit.

„Aber, Herr Professor, Sie nehmen ja den Braten mit
den Fingern!" — „Ah so, entschuldigen Sic, ich glaubte,
es wäre Spinat."

2«;
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Zerstreutheit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Spinat
Braten <Speise>
Hand <Motiv>
Speise <Motiv>
Tischmanieren
Gast <Motiv>
Hochschullehrer
Restaurant
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Zerstreutheit <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 33.1860, Nr. 808, S. 203
 
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