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XLI. Bd.

Sgr.

Die Anschlagsäulen.

Die „Landeökinderbewahranstalt" der Residenz Pickel-
heim, oder, wie man anderswo sagt, das Polizeiamt der-
selben, erhielt an einem s. g. heiteren Frühlingsmorgen d. I.
1864 die Nachricht, daß an den Hauptbrennpunkten der
Stadt, d. h. solchen, die durch Gaslatcrncn ausgezeichnet
sind, bedenkliche Zeichen von Aufregung zu bemerken seien.
In der That gewahrten die sogleich ausgesandten uniformir-
ten Augen des Gesetzes an den genannten Orten Schwärme
von fragenden und antwortenden Residcnzlcrn, welche sich
von gewissen festgeschlossenen Knäueln thcils loslösten, theils
angezogen fühlten. Aus dem Mittelpunkte je eines dieser
Knäuel aber sah man wunderbarerweise eine Steinröhre
hervorragen, welcher die ganze Aufmerksamkeit zugewandt war.
„Waö bedeuten diese Röhren?" so ging es von Mund zu
Munde. Niemand vermochte Auskunft zu geben. Man wußte
nur, daß die Steinchlinder in der Nacht wie aus dem Boden
gewachsen waren und kam nothgedrungen und obwohl die Er-
scheinung mehr einer napoleonischen Ucberraschung, als einer
deutschobrigkeitlichen „Maßnahme" glich, zu dem Schluß, der
Magistrat müsse die Röhren gesetzt haben. Aber, warum?
Man umschritt sie, ob man nicht eine Oeffnung fände, die
einen inneren Zweck offenbarte. Vergebens. Man klopfte daran.
Der stumme Chlinder gab keinen hohlen Klang.

So verging der Morgen unter Fragen, Betasten, An-
gaffen, bis endlich gegen Mittag an die räthselhaften Sphinxe
ein blaues Plakat geklebt wurde. Alles lief herbei, um die
vermeintliche ausklärende Proklamation des Magistrats zu
lesen; statt dessen las man:

„Der Schirmfabrikant Aron Seligleben aus Sülze
„empfiehlt zum bevorstehenden Markte sein wohlassortirtes
„Lager von Sonn- und Regenschirmen."

Kaum hatte sich das Publikum von seiner Enttäuschung
erholt, so wurde auch schon ein zweiter Zettel angeklcbt,

welcher die erste Vorstellung eines von Berlin angclangtcn
Affentheaters dem geborenen und hochgeborenen Publikum
bekannt machte.

Wie in Rom bei Aufrichtung des berühmten Obelisken
auf dem Pctcröplatze unter der lautlosen Menge, welche kein
Mittel sah, die zu lang befundenen Seile zu verkürzen,
plötzlich eine Stimme „Wasser" rief und mit diesem einem
Worte den Funken der Ueberzeugung in Tausenden entzün-
dete, so hörte man hier aus der Menge auf einmal das
Wort: „Anschlagsäule!" rufen. „Anschlagsäule!" Das
Wort der Wahrheit schallte tausendstimmig in die Lüfte,
von Nachbar zu Nachbar, von Haus zu Haus. Von dem
Augenblicke an gab eö nur ein Stadtgespräch: die Anschlag-
säule wurde in alle Cafos getunkt, in Bureaux und Comp-
toirs discutirt, die Anschlagsäule drängte sich in alle Ge-
spräche, wandelte mit den Lustwandelnden, setzte sich mit zu
Tische und legte sich mit in'ö Bett.

Aus allen diesen Erscheinungen aber entwickelte sich die
Kritik. Das Publikum der Residenz übt dieselbe in Kunst-
sachen zwar durchschnittlich, ehe das Begreifen voran-
gegangen ist, bei Nutzlichkeitsfragcn aber urtheilt cS
selten, ohne vorher Grund und Zweck erwogen zu haben.
Diesmal waren die Leute allgemein entschieden, das steinerne
eorxus delicti müsse begriffen werden; es gehöre also
nicht dem künstlerischen Gebiete an. Als Nützlichkeits-
röhrc verfiel es dann aber einer erbarmungslosen Kritik.
„Was den Magistrat bewogen habe, bei städtischen Schöpf-
„ungen den Weg des „geschichtlichen Reifens" zu
„verlassen und den des kalt aeoompli oder „Magistrats-
„strcichs" zu wählen? Und warum überhaupt derart
„die Stadt in Kosten stürzen und die belebtesten Stadt-
„thcilc durch Stcinklötze unwegsam machen? Denn den
„aus vielen Bierkellern in später Stunde an's Gaslicht
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