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Fliegende Blätter — 49.1868 (Nr. 1199-1224)

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Nr. 1204
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https://doi.org/10.11588/diglit.3294#0045
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42

Eine glückliche Fami

Stadträthin selber hat mich herbeordert, einem Weindiebe auf-
zupassen. "

„Und mich hat sie hergeschickt," gab der Stadtrath vor,
„Sic . . . zu . . . controliren. Aber stehen Sie endlich
auf! Wir können, denk'ich, das Weitere im Stehen besprechen."

Mit einem Sprunge mar der überraschte Schreiber auf
den Füßen und half auch unserem Helden auf die Beine.
„Das ist ein verdammt trauriges Mißverständniß!" stammelte
er zu seiner Entschuldigung, „das mir Zeit meines Lebens
' Reue und Kummer machen wird, ja wahrhaftig, Reue und
Kummer."

„Na! Geschehenes ist einmal nicht zu ändern," meinte
der Stadtrath, sich den Buckel reibend. „Aber Sic schreiben
eine verdammt schwere Hand, Federmann."

„Ach! werde Ihnen doch nicht ernstlich weh gethan
haben, verehrter Herr Prinzipal?" seufzte der verdutzte Schreib-
gchilfe.

„Werde Ihre Frakturschrift noch vier Wochen in blauen
und gelben Farben auf meinem Buckel lesen können," stieß
der Stadtrath heraus, setzte aber gleich begütigend hinzu:
„Doch darum keine Feindschaft nicht. Nichts als löblicher
Diensteifer. Bleibt aber Alles unter uns, verstehen Sie?
Lumina summarum ich denke, wir trinken zusammen ein Glas
oder auch zwei auf den fatalen Schrecken. Was meinen Sie?"

„Topp! ich bin dabei," lachte der umgewandelte Schrei-
ber, der inzwischen den Zusammenhang zu ahnen anfing.
„Wozu hat man Wein im Keller, wenn man ihn nicht trin-
ken wollte?"

„So ist's!" bestätigte der Stadtrath und zündete ein
mitgcbrachtes Wachslicht an. „Na! ich denke, wir fangen
mit einer Flasche Rothen an; der schlägt am ersten den
Schrecken und die Aufregung nieder." Mit noch zitternden
Händen schloß er nun den Verschlag vollends auf und brachte
1 ____

ilien-Vereinigung.

eine Flasche ächten Asmannshäuser zum Vorschein. „Heute
wollen wir unfern Durst gleich für ganze vierundzwanzig
Stunden löschen," sagte er dann mit der Zunge schnalzend,
holte aus einer verborgenen Kiste Gläser hervor, ein stehen-
des Ohmfaß bildete den Tisch, leere Ankcrfässer dienten als
Stühle; dann hielt er das schnell gefüllte Glas gegen das
Licht und liebäugelte' erst eine Weile mit dem funkelnden
Inhalte, indem er sagte: „Dies Gewächs braucht zwar das
Licht nicht zu scheuen, aber doch liegt's am besten in der
ewigen Finsterniß des Magens;" und dabei leerte er das
Glas auf einen Zug. „Trinken Sie, Federmann, aber em-
siger als Sie zu schreiben pflegen. Meine Frau soll uns
nicht umsonst in den Keller geschickt haben, ha! ha! ha!"

Der Schreiber ließ sich nicht lange nöthigen. Er dachte:
„einmal und nicht wieder!" und nahm die Gelegenheit wahr.
Es ist unglaublich, was so eine eingetrocknete Schreiberseele
für Feuchtigkeit bedarf, um wieder aufgeweicht zu werden.
Der Stadtrath ließ es bei sich auch nicht fehlen. „Wenn's
einmal regnet," meinte er schmunzelnd, „muß man Fässer
ausstellen und Vorrath sammeln."

So saßen sie und zechten lustig fort. Auf den Asmanns-
häuser folgte ein Rüdesheimer. „Sie wachsen nicht weit von
einander und sollen auch im Blagen beisammen wohnen,"
lachte der Stadtrath, der immer aufgeweckter wurde. „Trinken
Sie, Fedcrmann!"

„Ja, Herr Prinzipal," erwiderte der Schreiber, „die
Sache ist nur die, wenn ich trinken soll, muß ich auch dazu
singen dürfen."

„Topp! singen Sic mit, aber schreien Sie nicht so laut."

Und der Schreiber sang:

„Hab' ich den grünen Becher
Gefüllt mit edlem Wein
Vom Rhein,

Dann leer' ich als ein kluger Zecher
Den Becher

Nicht aus auf einen einz'geu Zug.

Ich war' des edlen Tranks nicht werth,

Würd' er auf einen Zug geleert!

Ich setze meinen Krug
Zum Nippen

Recht oft an meine Lippen,

Und meine Lippen dürfen
Nur langsam, kostend schlürfen."

Hier stürzte er das gefüllte Glas auf einen Zug die
durstige Schrcibcrkehle hinab.

„Sie singen Weisheit wie Mirza-Schaffy und saufen
wie ein Schwerenöther," lachte der Stadtrath und füllte ihm
das Glas wieder.

Und Fedcrmann sang weiter:

„Hab' ich am Sommcrabend
Mein Liebchen stell und warm
Im Arm,

Wie schmeckt mir dann so süß und labend
Am Abend
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine glückliche Familien-Vereinigung"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Keller
Stadtrat
Dunkelheit <Motiv>
Schreiber
Überfall
Missverständnis
Karikatur
Dieb <Motiv>
Diebstahl <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 49.1868, Nr. 1204, S. 42

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