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Das Hexengrab.
„Kann nicht!" war die kurze Antwort des Wundermannes,
und er rauchte ruhig weiter.
Nun wandte sich der Maier an Thaddäus; aber der hörte
nicht, und die Wirthin brachte eine solche Menge Geschichten
und Ausreden von rückständigen Zahlungen, von Zinsen und
Steuern, die man täglich zu leisten habe, und anderweitigen
Ausgaben, daß alle Hoffnung auf Hülfe rundweg abgeschnitten
war. Da erbarmte sich endlich der weichherzige Viehhändler,
und machte dem Maier den Vorschlag, die braune Kälberkuh
sammt dem Kalbe, die er letzten Samstag angefeilscht hätte, ihm
abzukaufen; aber meinte er, den nämlichen Werth habe jetzt
das Vieh nimmer wie dortmals, denn er habe vernommen,
daß der Preis auf dem Viehmarkt zu haberbrcit bedeutend '
gesunken. Nach einigem Sträuben ging der Maier den Handel !
ein; von Neuem wurden die Karten gemischt, und bald rollten
die Thaler wieder auf dem Tisch. Aber das Glück wollte nicht
kommen. Da setzte der Maier in toller Spiellust Wagen und
Pferde, indem der Wnndermann, Wunders halber, wie er sich
ausdrückte, sie um einen Spottpreis an sich gebracht. Aber
Schrannengeld, Kuh und Kalb, Roß und Wagen waren in
wenigen Stunden verloren. Da saß der unglückliche Spieler
in finsterer Verzweiflung, und blickte starr vor sich hin, regungs-
los wie ein SteinbUd. Er dachte an sein Hauswesen, an sein
Weib, und die Haare begannen ihm allmählig bergan zu stei-
gen. Schon hörte er ihre giftigen Schmähreden, und in seine
Ohren drang wie die Posaune des Gerichtes ihre kreischende
Stimme; der kalte Angstschweiß drang ihm aus allen Poren,
und große Tropfen hingen an seiner Stirne und Nase. Doch
das Necken seiner Mitspieler, welche die Angst nur zu deut-
lich merkten, brachte ihn wieder zum Leben; er trank und
begann mit weinerlicher Stimme von den Unglücksfällen zu er-
zählen, die ihn immer und ewig träfen, und je länger er
erzählte, desto häufiger wurde seine Stimme von Schluchzen
unterbrochen, bis er am Ende weinte wie ein schwaches Kind.
„Und was ist Schuld an Allem? was?" fragte er seine
Zuhörer, die das laute Lachen, welches ihre Kehle kitzelte, kaum
unterdrücken konnten; „ich weiß es nur zu gut. Kennt ihr
das Hexengrab auf dem Gottesacker drinnen? wißt ihr die Ge-
schichte? nein! ihr wißt sie nicht, ich will sie euch erzählen."
Aber er konnte vor Weinen, das ihm gar sonderbar anstand,
nicht weiter reden und suchte vergebens nach Worten, um den
Jammer seines Herzens auszuschütten.
Da hielt ein Wagen vor dem Hause, der Wirth eilte hin-
aus , indeß die Gäste an's Fenster liefen. um den Herrn des
Fuhrwerkes zu beaugenscheinen.
-„Ha!" brummte der Viehhändler, indem er seinen Platz
wieder cinnahm, „das ist ja der Güterschacherer von Ripers-
weiler! was treibt denn den in diese Gegend?"
Bei diesen Worten war cs. als ob der Blitz neben dem Maier
von Erdmannsdorf niedergeschmettert wäre. Die Röthe, welche bei
der weinerlichen Erzählung seines Unglückes ihm das Gesicht bis
Bläste, und ein heftiges Zittern ergriff seinen ganzen Körper.
Der Händler trat herein, ohne Wort und Gruß, wie ein
Mann, der sich seines Gewichtes, nämlich des Gewichtes seines
Geldbeutels, beioußt ist, setzte sich, den Hut auf dem Kopf und
die Peitsche in der Hand, ohne viele Umstände neben den
Wundermann an den Tisch, und rief mit lautem Lachen, als
er den Maier ansichtig wurde: „Aha! hat man einmal das
Glück, Euch zu sehen? ich glaubte schon, Ihr wäret mit den
Storchen aus dem Lande gezogen, so lang ist es schon her, daß
Ihr Euch nimmer habt sehen lasten."
Der Maier Hub auf diese Anrede seine schweren Augen-
deckel, ließ die Blicke über den Tisch hin nach dem schrecklichen
Ankömmling schweifen, betrachtete ihn Zoll für Zoll und starrte
dann scheu wieder auf seinen Krug.
„Was ist's denn mit ihm?" fragte der gewichtige Mann die
Andern; „hat er gewiß wieder brav verspielt?" und als Jene
bejahten, fuhr er fort, indem er mit der Hand auf den Mantel
i schlug, als wollte er auf seine Börse klopfen: „ei was da, wegen
dem Bagatell wird doch der Maierbauer nicht so erbärmlich hin-
hocken ? gibt es ja Geld genug im Lande, und an Kredit fehlt es
dem braven Mann nicht in der ganzen Gegend. Oder seid Ihr
vielleicht wegen mir so erschreckt? Ach was, wegen dem Pfiffer-
ling da, ist's ja kaum der Mühe werth, daß man davon redet."
Solche Rede ermunterte den bangen Jakob sichtlich. Er
schaute dem Redner halbzweifelnd in's schmunzelnde Gesicht, ob
er dem Gesagten auch glauben dürfe, und als er darin voll-
kommene Bestätigung las, oder zu lesen meinte, trank er seinen
i Krug leer und rief: „Thaddäus, hier ist's leer!"
„Hahaha!" lachte der Freund zertrümmerter Güter und
ruinirter Familien; „daran erkenn ich meinen Mann! Er ist
doch immer der Alte. Jaja er hat auch Recht; für was ist
man auf der Welt? Hat man doch so Plage genug. Da seh'
einmal Jemand das abscheuliche Wetter an, aber unsereiner
muß hinaus, ob's Kanonenkugeln regnet oder Hellebarden
schneit Ei, ei," rief er dem eben eintretenden Schmuel entge-
gen, „bist du auch da, verdammter Betteljude? Hast du noch
nicht so viel zusammengeschachert um deinen Bart scheeren zu
lasten? aber gelt, du scheerst zuvor andere Leute?!"
Schmuel bückte sich aber'gar demüthig, nahm seinen Platz
am Feuer, um sich zu wärmen und zu trocknen, ohne sich um
das Gerede am vorderen Tische zu kümmern. Als aber nach
' einer guten Weile der Güterhändler den Maierbauern fragte,
wie cs mit seinein vor einem halben Jahr schon aufgekündigten
Kapital stehe und mit den rückständigen Zinsen, trat auch er
vor und rückte demselben zu Leibe, so daß der Maier nicht
mehr wußte, sollte er links hinhorchen oder rechts, oder mit
jedem einzelnen Ohr auf einen andern.
„Ich ziehe mein Geld zurück, so war ich leb," sprach der
Jüd; „ich kündige meine neuntausend Gulden auf, ja —"
„Was?" unterbrach der Maier den Juden, „neuntausend
Gulden?"
„Da.steht cs," sprach der Hebräer, ohne eine Falte seines
verwitterten Gesichtes zu verziehen, „geschrieben und unterschrieben
Das Hexengrab.
„Kann nicht!" war die kurze Antwort des Wundermannes,
und er rauchte ruhig weiter.
Nun wandte sich der Maier an Thaddäus; aber der hörte
nicht, und die Wirthin brachte eine solche Menge Geschichten
und Ausreden von rückständigen Zahlungen, von Zinsen und
Steuern, die man täglich zu leisten habe, und anderweitigen
Ausgaben, daß alle Hoffnung auf Hülfe rundweg abgeschnitten
war. Da erbarmte sich endlich der weichherzige Viehhändler,
und machte dem Maier den Vorschlag, die braune Kälberkuh
sammt dem Kalbe, die er letzten Samstag angefeilscht hätte, ihm
abzukaufen; aber meinte er, den nämlichen Werth habe jetzt
das Vieh nimmer wie dortmals, denn er habe vernommen,
daß der Preis auf dem Viehmarkt zu haberbrcit bedeutend '
gesunken. Nach einigem Sträuben ging der Maier den Handel !
ein; von Neuem wurden die Karten gemischt, und bald rollten
die Thaler wieder auf dem Tisch. Aber das Glück wollte nicht
kommen. Da setzte der Maier in toller Spiellust Wagen und
Pferde, indem der Wnndermann, Wunders halber, wie er sich
ausdrückte, sie um einen Spottpreis an sich gebracht. Aber
Schrannengeld, Kuh und Kalb, Roß und Wagen waren in
wenigen Stunden verloren. Da saß der unglückliche Spieler
in finsterer Verzweiflung, und blickte starr vor sich hin, regungs-
los wie ein SteinbUd. Er dachte an sein Hauswesen, an sein
Weib, und die Haare begannen ihm allmählig bergan zu stei-
gen. Schon hörte er ihre giftigen Schmähreden, und in seine
Ohren drang wie die Posaune des Gerichtes ihre kreischende
Stimme; der kalte Angstschweiß drang ihm aus allen Poren,
und große Tropfen hingen an seiner Stirne und Nase. Doch
das Necken seiner Mitspieler, welche die Angst nur zu deut-
lich merkten, brachte ihn wieder zum Leben; er trank und
begann mit weinerlicher Stimme von den Unglücksfällen zu er-
zählen, die ihn immer und ewig träfen, und je länger er
erzählte, desto häufiger wurde seine Stimme von Schluchzen
unterbrochen, bis er am Ende weinte wie ein schwaches Kind.
„Und was ist Schuld an Allem? was?" fragte er seine
Zuhörer, die das laute Lachen, welches ihre Kehle kitzelte, kaum
unterdrücken konnten; „ich weiß es nur zu gut. Kennt ihr
das Hexengrab auf dem Gottesacker drinnen? wißt ihr die Ge-
schichte? nein! ihr wißt sie nicht, ich will sie euch erzählen."
Aber er konnte vor Weinen, das ihm gar sonderbar anstand,
nicht weiter reden und suchte vergebens nach Worten, um den
Jammer seines Herzens auszuschütten.
Da hielt ein Wagen vor dem Hause, der Wirth eilte hin-
aus , indeß die Gäste an's Fenster liefen. um den Herrn des
Fuhrwerkes zu beaugenscheinen.
-„Ha!" brummte der Viehhändler, indem er seinen Platz
wieder cinnahm, „das ist ja der Güterschacherer von Ripers-
weiler! was treibt denn den in diese Gegend?"
Bei diesen Worten war cs. als ob der Blitz neben dem Maier
von Erdmannsdorf niedergeschmettert wäre. Die Röthe, welche bei
der weinerlichen Erzählung seines Unglückes ihm das Gesicht bis
Bläste, und ein heftiges Zittern ergriff seinen ganzen Körper.
Der Händler trat herein, ohne Wort und Gruß, wie ein
Mann, der sich seines Gewichtes, nämlich des Gewichtes seines
Geldbeutels, beioußt ist, setzte sich, den Hut auf dem Kopf und
die Peitsche in der Hand, ohne viele Umstände neben den
Wundermann an den Tisch, und rief mit lautem Lachen, als
er den Maier ansichtig wurde: „Aha! hat man einmal das
Glück, Euch zu sehen? ich glaubte schon, Ihr wäret mit den
Storchen aus dem Lande gezogen, so lang ist es schon her, daß
Ihr Euch nimmer habt sehen lasten."
Der Maier Hub auf diese Anrede seine schweren Augen-
deckel, ließ die Blicke über den Tisch hin nach dem schrecklichen
Ankömmling schweifen, betrachtete ihn Zoll für Zoll und starrte
dann scheu wieder auf seinen Krug.
„Was ist's denn mit ihm?" fragte der gewichtige Mann die
Andern; „hat er gewiß wieder brav verspielt?" und als Jene
bejahten, fuhr er fort, indem er mit der Hand auf den Mantel
i schlug, als wollte er auf seine Börse klopfen: „ei was da, wegen
dem Bagatell wird doch der Maierbauer nicht so erbärmlich hin-
hocken ? gibt es ja Geld genug im Lande, und an Kredit fehlt es
dem braven Mann nicht in der ganzen Gegend. Oder seid Ihr
vielleicht wegen mir so erschreckt? Ach was, wegen dem Pfiffer-
ling da, ist's ja kaum der Mühe werth, daß man davon redet."
Solche Rede ermunterte den bangen Jakob sichtlich. Er
schaute dem Redner halbzweifelnd in's schmunzelnde Gesicht, ob
er dem Gesagten auch glauben dürfe, und als er darin voll-
kommene Bestätigung las, oder zu lesen meinte, trank er seinen
i Krug leer und rief: „Thaddäus, hier ist's leer!"
„Hahaha!" lachte der Freund zertrümmerter Güter und
ruinirter Familien; „daran erkenn ich meinen Mann! Er ist
doch immer der Alte. Jaja er hat auch Recht; für was ist
man auf der Welt? Hat man doch so Plage genug. Da seh'
einmal Jemand das abscheuliche Wetter an, aber unsereiner
muß hinaus, ob's Kanonenkugeln regnet oder Hellebarden
schneit Ei, ei," rief er dem eben eintretenden Schmuel entge-
gen, „bist du auch da, verdammter Betteljude? Hast du noch
nicht so viel zusammengeschachert um deinen Bart scheeren zu
lasten? aber gelt, du scheerst zuvor andere Leute?!"
Schmuel bückte sich aber'gar demüthig, nahm seinen Platz
am Feuer, um sich zu wärmen und zu trocknen, ohne sich um
das Gerede am vorderen Tische zu kümmern. Als aber nach
' einer guten Weile der Güterhändler den Maierbauern fragte,
wie cs mit seinein vor einem halben Jahr schon aufgekündigten
Kapital stehe und mit den rückständigen Zinsen, trat auch er
vor und rückte demselben zu Leibe, so daß der Maier nicht
mehr wußte, sollte er links hinhorchen oder rechts, oder mit
jedem einzelnen Ohr auf einen andern.
„Ich ziehe mein Geld zurück, so war ich leb," sprach der
Jüd; „ich kündige meine neuntausend Gulden auf, ja —"
„Was?" unterbrach der Maier den Juden, „neuntausend
Gulden?"
„Da.steht cs," sprach der Hebräer, ohne eine Falte seines
verwitterten Gesichtes zu verziehen, „geschrieben und unterschrieben