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Der Staatsstreich des Prinzen von Aurignon.

der Unglaube, die Empörung wider das göttliche Recht der
Fürsten eben so spurlos an de» getreuen und loyalen Unter-
thanen von Aurignon, die Eurer Obyut anvertraut sind, vor-
übergegangen sein!"

Der Seneschall verbeugte sich abermals.

„Ich hoffe das. Im übrigen werde ich morgen beginnen,
mich genauer über die Verhältnisse dieser Besitzung zu unter-
richten. Ich werde morgen einer Session des Hofes beiwohnen.
Haltet Euch in den Stand, mir dabei die Rcchnungsbücher und
Rentenregister und vor Allem die Uebersicht über die baaren
Caffenbestände vorzulegen. Mein Haus legt in diesem Augen-
blick großen Werth aus Aurignon. Ihr wißt, daß >vir vor
dein Sturme, der seit einiger Zeit Frankreich durchtobt, emi-
griren mußten. Die Nationalversammlung hat darauf alle
unsre Güter cingezogen; unsere Renten haben aufgehört zu
fließen und wir bedürfen dringend neuer Fonds. In dieser
Verlegenheit hat sich mein erlauchter Vater dieser Besitzung
erinnert. Begib dich nach Aurignon, Eamille, hat er zu mir
gesprochen, ich habe aus diesem Lande seit undenklichen Zeiten
keine Einkünfte mehr bezogen. Die Berichte, die ich von
Zeit zu Zeit von meiner dortigen Behörde erhielt, sind höchst
niiklar und dürftig. Ja, so sagte mein erlauchter Vater, Herr
Seneschall. Höchst unklar und dürftig. Aber sie lassen mich
dennoch einen durchaus geordneten Zustand der ganzen Ver-
waltung voraussetzen. Es müffen sich bedeutende Summen in
den Kassen ausgehäuft haben. Gehe hin, Camille, und laß
dir diese Summen, jetzt unsere einzige Zuflucht, überantworten."

Ter Seneschall verbeugte sich zum drittenmale und zwar
dieses Mal weit tiefer als vorhin und dann versetzte er:

„Ter souveraine Hof kann Seiner Durchlaucht nicht
anders als äußerst dankbar sein für die gute Meinung, die
Hochdieselben vom Zustande der ganzen Verwaltung zu hegen
geruhen. Aber es dürfte vielleicht zweifelhaft sein —"
„Zweifelhaft? was ist zweifelhaft?"

„Ob der Hof nach Pflicht und Gewissen Ew Durch-
laucht gnädigen Befehlen alsvgleich zu obtempiren sich be-
müßigt finde, da diese letzter» mir unmaßgeblich fast wider
hergebrachte Gewohnheiten zu laufen scheinen, den ganzen
Geschäftsgang der Behörde Umstürzen dürften, auch eine 'Neuer-
ung einführen, welche als höchst bedenklicher Art sich erweisen
zu können im Stande sein möchte!"

„Herr Seneschall!" — brauste der Fürst aus.

Der Seneschall verbeugte sich wieder und versetzte mit
unerschütterter Kaltblütigkeit:

„Der souveraine Hof von Aurignon ist auf die Rechte,
Rechtsgewohnheiten und langjähriges Herkommen als Richt-
schnur und Norm für seine amtliche Thätigkeit nun einmal
vereidet. Nun ist aber in Ew. Durchlaucht Gebiet von Au-
riguon eine Ausantwortnng von Reuten an die Herrschaft, !
Vorlage von Rechnungsbüchern oder ähnlichen bis anhero
nicht vorgekommen. Ich wagte deßhalb meine bescheidenen
unmaßgeblichen Bedenklichkeiten zu äußern. Doch nicht ich, nur
der Hof in vollständiger Sitzung hätte wohl zu beschließen."
„Theurer Seneschall, Ihr seid in der That ein rechter

alter Narr!" sagte der Prinz halb entrüstet, halb verwundert.
„Geht und sorgt nur, daß ich morgen bei Zeiten den Hof
in vollständiger Sitzung beisammen finde; unterrichtet ihn
von meinem Willen und auch von dem, keinerlei Art von
Ungehorsam zu dulden! Ich hasse alle Pedanterie. Nun geht!"

Der Seneschall verbeugte sich nochmals und ging.

Am Abend machte der Prinz einen Spaziergang durch das
Städtchen. Es wurden ihm eine Menge Bittschriften überreicht.
In allen wurde Klage geführt über die Despotie des souverainen
Hofes, und, • den Versicherungen der Supplikanten zu glauben,
waren die Mitglieder desselben sammt und sonders wahre Un-
geheuer. Der Fürst schüttelte bedenklich den Kopf und bereitete
sich auf eine donnernde Strafrede vor, mit welcher er nöthigcn-
falls seine ungetreuen Diener am andern Tage zerschmettern wolle.

Dieser Tag kam. Der Fürst begab sich, begleitet von seinem
Sekretair, in die Sitzung des Hofes. Beim Eintritt bemerkte
er zu seinem Mißvergnügen, daß man ihm nicht den Präsi-
dentenstuhl geräumt, sondern einen einfachen Sessel an die
andere Seite des Tisches gestellt hatte, da, wo gestern noch
Lambert als Angeklagter stand. Aber er setzte sich schweigend:
ich muß, dachte er, suchen, mit diesen, nach dem Moder des
Schlendrians duftenden grauenhaften Pedanten so lange wie
inöglich in freundlichem Vernehmen zu bleiben. Die gewissen-
hafte Ablieferung der Kassenvorräthe ist von zu wesentlichem
Interesse für meine Familie, als daß ich nicht durch die
Finger sehen sollte! „Seneschall," hob er dann mit großer
Leutseligkeit zu sprechen au, „habt Ihr unsres durchlauchtig-
sten Herrn Vaters Willensmeinung und unsre eigene Absicht
bei unsrem Anherkommen diesem unsrem versammelten, mit
der Verwaltung unsrer souveraineu Herrschaft betrauten Hofe,
kund und zu wissen gethau?"

Ter Seneschall erhob sich, verneigte sich dreimal aufs tiefste
und dann antwortete er:

„Sehr hoher, sehr mächtiger Herr! Ew. Durchlaucht gnä-
dige Intentionen sind bereits mit pflichtschuldigster Devotion
und Unterthänigkcit von dem hier versammelten Hofe ver-
nommen, auch reiflich vebattirt und danach abvvtirt worden.
Der Beschluß aber, den ich die unaussprechliche Ehre habe,
Ew. Durchlaucht mitzutheilen, ist des Inhalts: wasmassen
und alldieweilen eine Ablieferung von Renten, oder Ablegung
von Rechnungen, oder Ausantwortnng von Naturaleinkünften
oder ähnliche Tinge in der Herrschaft Aurignon Seitens des
hochfürstlichen wohlbestallten souverainen Hofes nie vorge-
nommen worden, auch sich wider alles Herkommen und gang
und gäbe Gewohnheit erweisen, einen freventlichen Umsturz
bestehender Rechtsverfassung involviren, dem verwalteten Lande
zum äußersten Nachtheil gereichen —"

„ Was" — unterbrach der Prinz zornig aufspringend —
„Ihr weigert Euch in der That, meine» Befehlen zu gehorchen
— Ihr wagt solche offene Euipöruug — so wahr ich Rvhan

heiße — ich will Euch züchtigen lassen-heda —

sind keine Diener — ist keine bewaffnete Macht hier —"

Er ergriff die Klingel, die vor deni Seneschall stand und
schüttelte sie heftig. Dann faßte er den Amtsstab des Bor-
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