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Historia von den Lalenbürgern.

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Anlässen fich ungebunden hervotthat, herrschte wie im Familien-,
so auch im öffentlichen Leben der von vier ehrsamen Bürger-
meistern wohl verwalteten, mit besonder» Freiheiten auSgestat-
teten kleinen Republik, 'Ordnung, Zucht und Sitte, so daß auch
von dieser Seite der empfänglichen Seele des Knaben ein schönes
Bild jener einfachen, bürgerlichen Zustande eingeprägt blieb,
an denen er sein ganzes Leben hindurch mit treuer Liebe festhielt.

Nachdem er in der einsamen Zelle deS Predigers der Kapu-
ziner, der ihn lieb gewonnen, den ersten Unterricht genossen,
kam er nach Landsberg zum Schulbesuche, dann 1793 als
Chorknabe nach Di essen, von dort, drei Jahre später, nach
München als Zögling des Seminars. Die ihm fremde, seine
Fortschritte hemmende Lehrmethode aber, die fortgesetzten Ver-
höhnungen, denen der schwäbische Ankömmling von Seite seiner
Schulkameraden preisgegeben war, und die durch einen Besuch
seine- älter» BruderS, der in Dachau in Arbeit stand, mit
Macht geweckte Sehnsucht nach der Heimath, trieben ihn zu
dem verzweiflungsvollen Entschlüsse, fich heimlich zu entfernen.
Klopfenden Herzens sah er die Thürme und Giebel des väter-
lichen Wohnortes wieder. Mit Schmerz und Unwillen empfing
den Flüchtling die Mutter, milder gegen Erwartung der Vater,
der ihn nicht ungerne dem Geschäfte, das er selber übte, ge-
wonnen gesehen hätte. Doch die Alltäglichkeit und Plage des
Handwerks konnte seinen fähigen Geist, der höhere Bedürfnisse
kennen gelernt hatte, nicht mehr befriedigen; noch schwerer
lastete auf ihm der sichtliche Gram der guten, inniggeliebten
Mutter, und so folgte er denn willig dem Vater, als ihn dieser
wieder nach München zurücksührte und ihm Verzeihung und
Vergessenheit des Geschehenen erwirkte. Nun erhielt er wohl
Ruhe vor den Neckereien, die ihn früher gequält hatten; auch
seine Fortschritte waren überraschend schnell und glänzend; doch
sein Vater vermochte daü Drittheil des Pensionsgeldes, das er
für ihn bezahlen sollte, nicht mehr zu erschwingen, und schätzte
sich darum glücklich, als er dem Sohne im folgenden Jahre
unter weniger lästigen Bedingungen Aufnahme im Kloster zu
Ott ob euren verschaffte. Dies reiche und berühmte Stift
besaß damals eine Lehranstalt von weitverbreitetem Rufe. Die
Pracht des Klosters und seiner ganzen innern Einrichtung, die
durchgängig herrschende Ordnung, das friedliche Zusammenleben
der Stistsberrn und das strengfittliche Walten des frommen,
ehrwürdigen Abtes machten den tiefsten Eindruck auf Aurbacher.
Noch im höher» Alter, nach jahrelanger Entfernung von
Otlobeuren, gehörte sein dortiger Aufenthalt zu seinen ange-
nehmsten Erinnerungen, und er pflegte von ihm nie ohne eine
gewisse Begeisterung zu sprechen.

Nach ausgezeichneter Vollendung der Gymnasial- und Lyceal-
studien trat er im Herbste 1801 als Novize ein, und hätte
wohl sein Leben hinter den Klostermauern beschlossen, wäre
auch schwerlich der Geschichtschreiber der sieben Schwaben, noch
der Lalenbürger geworden, wenn nicht die nach geschehener
Abtretung an Bayern erfolgte Aufhebung deS Stiftes Otto-
beuren ihn genöthigt hätte, es zu verlassen. Aber erst ein
abermaliger, gleichfalls mißlungener Versuch, dem Klosterleben
treu zu bleiben, konnte ihn bestimmen, demselben für immer

zu entsagen. Er hatte im östreichischen Stifte Wiblingen
um Aufnahme als Novize nachgesucht, und fie erhalten. DieS
Kloster war überschuldet und herabgekommen, und machte an
die Dienstleistungen der Ordensgeistlichen, wie an die Studien
der Cleriker die übertriebensten Anforderungen. Aurbacher
erwarb fich zwar gute Kenntnisse, besonders auch im Griechi-
schen, in Physik und Mathematik; doch übermäßige Anstreng-
ung und die lange Dauer deS harten Noviziates brachen seine
Gesundheit, Glaubenszweifel machten ihn an dem gewählten
LebenSberufe irre, und ein unerwartet durch den Verlobten
eines braven Mädchens seiner Heimath ihm entrichteter Gruß,
zu welcher ihn als Knaben eine stille, kaum gestandne, doch,
wie er glauben durfte, nicht unerwiedert gebliebene Neigung
hingezogen, fachte seine Seelenpein zur wahren Flamme an.
Er sprengte die ihm unleidlich gewordenen Fesseln, nahm seinen
Abschied aus dem Kloster, und wanderte planlos, in düsterer
GemüthSstimmung, ohne Mittel und Gönner, fast zum Skelette
abgemagert, dem nahen Ulm zu. Dort beherbergte ihn eine
Zeitlang aus Mitleid eine gutmüthige Wirthin, bis er durch
einen günstigen Zufall mit seinem vormaligen Novizenmeister,
dann Pfarrer von Otlobeuren, Theodor Clarer, zusammentraf.
Dieser verwendete fich für ihn bei dem Stiftscanzler v. Weck-
becker, und verschaffte ihm eine Hofmeisterstelle in seinem
Hause zu Ottobeuren, durch welche seine Lebensverhältnisse
schnell eine angenehmere Wendung erhielten. In einem fein
gebildeten Familienzirkel mit Achtung und Liebe ausgenommen,
erübrigte er neben seinem Erzieherberufe Muße genug, um fich
mit der ihm bisher so gut wie fremd gebliebenen deutschen
uno französischen Literatur bekannt zu machen, und mit Gierde
verschlang er die geistige Nahrung, die sie ihm darbot. Die '
Gelegenheit hiezu war ihm thcils durch die sorgfältig gewählte
Büchersammlung des Canzlers, theils durch Benützung der
Leihbibliothek des benachbarten Memmingen gegeben.

Nachdem er vier Jahre (von 1804—1808) dort in länd-
licher Ruhe, geistig und körperlich gekrästigt, sich den Vorrath
jener bedeutenven Literaturkenntniffe gesammelt hatte, welche
die Grundlage seiner später» zahlreichen Werke in diesem Fache
bildeten, erhielt er im Jahre 1809 durch das empfehlende Für-
wort seines Freundes und Gönners, des Pfarrers Clarer, die
erledigte Professur des deutschen StylS und der Aesthetik am
k. Kadettencorps zu München, die seinen bescheidnen Wünschen
vollkommen entsprach. Sein Lehrberuf machte ihm theoretische
und praktische Sprach- und Stylstudien zur Pflicht, und so
eignete er sich bald eine große Gewandtheit, Klarheit und
Sicherheit der Darstellung an, die ihn bei der Schärfe und
Lebendigkeit seines Verstandes und seiner reichen Gemüthstiefe
befähigte, vom Jahre 1813 an eine namhafte Reihe gediegener
Schriften auf dem Gebiete des Sprachunterrichtes und der
Belletristik erscheinen zu lassen. Am bekanntesten ist unter
diesen das „Volks büch lein" geworden, das 1826 in erster,
1833 in zweiter Auflage erschien.^Wie di« „Geschichte deS
ewigen Juden" und des „Doktor Faustus" und die
übrigen darin enthaltenen kleineren Erzählungen eine ausge-
zeichnete Darstellungsgabc bekunden, so ist besonders in den
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