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Güterzertrümmerer.
fünfzehn tausend Gulden aufzutreiben, ich ließ mich'S
ein hübsches Sümmchen kosten.'
.Mein! eS gibt nichts leichter-!' lächelte der Jude. .Ick
verschaffs Euch, wenns Euch ist Ernst, und zwar ohne Hy-
pothek auf eine bloße Verschreibung, ausgefertigt von
einem Recht-freund.' Dabei verficherte der Jude, dessen
erster Besuch bei dieser Familie, die bis jetzt glücklich und
zufrieden gelebt, so sehr seine finstern Pläne zu begünstigen
schien, daß, hätte er selbst die Summe bei der Hand, er fie
sogleich holen und auf den Tisch zählen würde. So aber müsse
er fie selbst borgen.
.Gut denn, borgt das verwünschte Geld!' rief der Bauer
immer ärgerlicher, .und ich mache mich verbindlich, e- in Jahr
und Tag heimzubezahlen. Bis dahin habe ich Zeit, Mittel zu
machen oder mich anderwärtig anzukaufen, denn in einem Dorfe,
wo ich einmal Feinde habe und wo man hinter meinem Rücken
über mich spottet und lacht, da habe ich ohnehin keinen Gusto,
lange mehr zu bleiben. Der Himmel ist überall blau, und der
Boden, wenn man ihn ordentlich bewirthschaftet, nährt überall
seinen Mann, der Geld und guten Willen hat."
.Ihr sprecht, weiß Gott, so weise wie ein zweiter Daniel!'
ries der Jude, und die Bäuerin, die auch wohl hier und da
unter den Weibern des Dorfes eine Feindschaft hegen mochte,
war es zufrieden. Sechs Stunden von München entfernt,
war es schon längst ihr Wunsch, der Refivenz näher, und, wo
möglich, ganz nahe zu kommen. Sie dachte fich es so hübsch,
wenn früh Morgens eine ihrer Dirnen, sauber und niedlich
alS Milchmädchen gekleidet, in reinlichen Geschirren, mit blank
geputzten Reifen, den zum Schneiden dicken Rahm zu den
Herrschaften der Stadt befördern sollte. Auch wäre fie schon
lediglich der Kinder wegen näher bei der Stadt gewesen, um
ihnen eine bessere Erziehung und Bilvunz angedeihen zu lassen.
Auf diese Weise wurde der Abend, an welchem Lämmle
in dem Bauernhöfe zugesprochen, ein bedeutungsvoller. Die
Schmeicheleien und Ränke dieses gleißnerischen Lügners berück-
ten die argwohnlosen Leute, und da gerade der Jude, der ihren
I Ehrgeiz so geschickt zu verwunden gewußt, ihnen jetzt die Mittel
zur Beftiedigung desselben bot, so erschien er ihnen wie ein
von einem guten Geiste in's HauS geführtes Wesen. Er mußte
das Nachtmahl mit ihnen theilen, und da daS Dorf, in wel-
chem der Maierbauer ansäßig war, von der Landstraße etwa
eine Stunde entfernt lag, so schlug man ihm vor, die Nacht
über als Gast im Haufe zu bleiben.
Der Jude nahm diesen Vorschlag an, und unter ftöhlichem
Geplauder verstrick Stunde an Stunde. Erst als der Wächter
im Dorfe Eilf rief, gingen die Gatten zu Bett, und der Jude,
dem ein Knecht voranleuchtete, wurde über eine Stiege hin-
aufgeführt, und dort ihm ein hübsches fteundliches Zimmer
für die Nacht angewiesen. Als der Knecht fich entfernt hatte,
verschloß der Jude die Thür, und der Ausdruck, der fich jetzt
in seinem Gefichte abspiegelte, war entsetzend.
ES war dieß ein Gemisch von Bosheft, stolzer Befriedigung
und Heimtücke. Man sah es ihm an, daß er gerne laut auf-
gejauchzt hätte. Um nicht gehört zu werden unterdrückte er
jedoch den Aufschrei. Leise öffnete er dann ein Fenster, setzte
sein erglühendes Gesicht der kalten Nachtluft aus, und blickte
auf die dunkeln Ränder eines Tannenwaldes hinaus, über denen
graue und kupferfarbene Wolken hinsegelten, beleuchtet von der
vollen Scheibe des Mondes; dann senkte er den Blick hinab
in den Bauernhof, wo zwischen zwei Pappeln, durch welche
die Nachtluft flüsternd hinzog, ein hohes Kreuz empor ragte.
Weiß und bleich hob fich die große Gestalt des.Christus
am Kreuze aus der dämmernden Helle der Nacht hervor, wäh-
rend das tiefe Schweigen deS Todes über dem hart gefrornen
Boden und über der erstorbenen Vegetation schwebte. Mit
einem gottesläugnerischen, wilden Hohn aussprechenden Blicke,
starrte der Jude auf die Abbildung deS Gekreuzigten hinab,
der unter dem Gewicht der Dornenkrone das Haupt senkte.
Er murmelte im Sinne seiner Lehre die Worte des linken
Schächers nach, der in seiner Verworfenheit einst sagte:
.Wenn du Gottes Sohn bist, so steig herab und hilf dir und
mir,' nur mit dem Unterschied, daß der Jude fich dahin auS-
sprach, der Christus
am Kreuze möge her-
ab steigen, und dem
Eigenthümer des Ho-
fes helfen, der doch
an seine Göttlichkeit
glaube und den er—
der Jude — mit fin-
sterer Macht umgar-
nen und zu Grunde
richten werde. Nach
diesen Frevelworten
schloß der Elende das
Fenster, legte fich zu
Bette und schlief bald
so fest und ruhig,
wie der gerechteste
Mensch auf Er-
den.
Folgenden Tages verkaufte Lämmle an di« weiblichen und
männlichen Dienstboten bleierne Kämme, Rafierspiegel, Bändel,
Schnappmesser, silberne Ringe und Wetzsteine, denn seine Ta-
schen waren völlige Omnibus, welche die verschiedenartigsten
Dinge enthielten. Nach dem Frühstücke fuhr er mit dem Maier-
bauer in die Stadt, der nun fest entschlossen war, die 15,000 fl.
aufzunehmen, und machte dort, während dieser in einem Wein-
hause seiner harrte, zur Förderung deS Geschäftes angeblich
die nöthigen Gänge.
Bald gesellte fich zu dem Maierbauer ein Mann, der schon
allerlei Handthierungen getrieben, es nie aber auf einen grü-
nen Zweig gebracht hatte. Er ließ fich zu allem nur erdenklich
Möglichen brauchen, und kein Geschäft war ihm zu beschwer-
lich noch zu erniedrigend, wann er nur dabei etwas verdiente.
(Fortsetzung folgt.)
Güterzertrümmerer.
fünfzehn tausend Gulden aufzutreiben, ich ließ mich'S
ein hübsches Sümmchen kosten.'
.Mein! eS gibt nichts leichter-!' lächelte der Jude. .Ick
verschaffs Euch, wenns Euch ist Ernst, und zwar ohne Hy-
pothek auf eine bloße Verschreibung, ausgefertigt von
einem Recht-freund.' Dabei verficherte der Jude, dessen
erster Besuch bei dieser Familie, die bis jetzt glücklich und
zufrieden gelebt, so sehr seine finstern Pläne zu begünstigen
schien, daß, hätte er selbst die Summe bei der Hand, er fie
sogleich holen und auf den Tisch zählen würde. So aber müsse
er fie selbst borgen.
.Gut denn, borgt das verwünschte Geld!' rief der Bauer
immer ärgerlicher, .und ich mache mich verbindlich, e- in Jahr
und Tag heimzubezahlen. Bis dahin habe ich Zeit, Mittel zu
machen oder mich anderwärtig anzukaufen, denn in einem Dorfe,
wo ich einmal Feinde habe und wo man hinter meinem Rücken
über mich spottet und lacht, da habe ich ohnehin keinen Gusto,
lange mehr zu bleiben. Der Himmel ist überall blau, und der
Boden, wenn man ihn ordentlich bewirthschaftet, nährt überall
seinen Mann, der Geld und guten Willen hat."
.Ihr sprecht, weiß Gott, so weise wie ein zweiter Daniel!'
ries der Jude, und die Bäuerin, die auch wohl hier und da
unter den Weibern des Dorfes eine Feindschaft hegen mochte,
war es zufrieden. Sechs Stunden von München entfernt,
war es schon längst ihr Wunsch, der Refivenz näher, und, wo
möglich, ganz nahe zu kommen. Sie dachte fich es so hübsch,
wenn früh Morgens eine ihrer Dirnen, sauber und niedlich
alS Milchmädchen gekleidet, in reinlichen Geschirren, mit blank
geputzten Reifen, den zum Schneiden dicken Rahm zu den
Herrschaften der Stadt befördern sollte. Auch wäre fie schon
lediglich der Kinder wegen näher bei der Stadt gewesen, um
ihnen eine bessere Erziehung und Bilvunz angedeihen zu lassen.
Auf diese Weise wurde der Abend, an welchem Lämmle
in dem Bauernhöfe zugesprochen, ein bedeutungsvoller. Die
Schmeicheleien und Ränke dieses gleißnerischen Lügners berück-
ten die argwohnlosen Leute, und da gerade der Jude, der ihren
I Ehrgeiz so geschickt zu verwunden gewußt, ihnen jetzt die Mittel
zur Beftiedigung desselben bot, so erschien er ihnen wie ein
von einem guten Geiste in's HauS geführtes Wesen. Er mußte
das Nachtmahl mit ihnen theilen, und da daS Dorf, in wel-
chem der Maierbauer ansäßig war, von der Landstraße etwa
eine Stunde entfernt lag, so schlug man ihm vor, die Nacht
über als Gast im Haufe zu bleiben.
Der Jude nahm diesen Vorschlag an, und unter ftöhlichem
Geplauder verstrick Stunde an Stunde. Erst als der Wächter
im Dorfe Eilf rief, gingen die Gatten zu Bett, und der Jude,
dem ein Knecht voranleuchtete, wurde über eine Stiege hin-
aufgeführt, und dort ihm ein hübsches fteundliches Zimmer
für die Nacht angewiesen. Als der Knecht fich entfernt hatte,
verschloß der Jude die Thür, und der Ausdruck, der fich jetzt
in seinem Gefichte abspiegelte, war entsetzend.
ES war dieß ein Gemisch von Bosheft, stolzer Befriedigung
und Heimtücke. Man sah es ihm an, daß er gerne laut auf-
gejauchzt hätte. Um nicht gehört zu werden unterdrückte er
jedoch den Aufschrei. Leise öffnete er dann ein Fenster, setzte
sein erglühendes Gesicht der kalten Nachtluft aus, und blickte
auf die dunkeln Ränder eines Tannenwaldes hinaus, über denen
graue und kupferfarbene Wolken hinsegelten, beleuchtet von der
vollen Scheibe des Mondes; dann senkte er den Blick hinab
in den Bauernhof, wo zwischen zwei Pappeln, durch welche
die Nachtluft flüsternd hinzog, ein hohes Kreuz empor ragte.
Weiß und bleich hob fich die große Gestalt des.Christus
am Kreuze aus der dämmernden Helle der Nacht hervor, wäh-
rend das tiefe Schweigen deS Todes über dem hart gefrornen
Boden und über der erstorbenen Vegetation schwebte. Mit
einem gottesläugnerischen, wilden Hohn aussprechenden Blicke,
starrte der Jude auf die Abbildung deS Gekreuzigten hinab,
der unter dem Gewicht der Dornenkrone das Haupt senkte.
Er murmelte im Sinne seiner Lehre die Worte des linken
Schächers nach, der in seiner Verworfenheit einst sagte:
.Wenn du Gottes Sohn bist, so steig herab und hilf dir und
mir,' nur mit dem Unterschied, daß der Jude fich dahin auS-
sprach, der Christus
am Kreuze möge her-
ab steigen, und dem
Eigenthümer des Ho-
fes helfen, der doch
an seine Göttlichkeit
glaube und den er—
der Jude — mit fin-
sterer Macht umgar-
nen und zu Grunde
richten werde. Nach
diesen Frevelworten
schloß der Elende das
Fenster, legte fich zu
Bette und schlief bald
so fest und ruhig,
wie der gerechteste
Mensch auf Er-
den.
Folgenden Tages verkaufte Lämmle an di« weiblichen und
männlichen Dienstboten bleierne Kämme, Rafierspiegel, Bändel,
Schnappmesser, silberne Ringe und Wetzsteine, denn seine Ta-
schen waren völlige Omnibus, welche die verschiedenartigsten
Dinge enthielten. Nach dem Frühstücke fuhr er mit dem Maier-
bauer in die Stadt, der nun fest entschlossen war, die 15,000 fl.
aufzunehmen, und machte dort, während dieser in einem Wein-
hause seiner harrte, zur Förderung deS Geschäftes angeblich
die nöthigen Gänge.
Bald gesellte fich zu dem Maierbauer ein Mann, der schon
allerlei Handthierungen getrieben, es nie aber auf einen grü-
nen Zweig gebracht hatte. Er ließ fich zu allem nur erdenklich
Möglichen brauchen, und kein Geschäft war ihm zu beschwer-
lich noch zu erniedrigend, wann er nur dabei etwas verdiente.
(Fortsetzung folgt.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Güterzertrümmerer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 5.1847, Nr. 111, S. 116
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg