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Güterzertrümmerer.

122

.Schaff ich'» Euch denn?' rief der Jude, den Beleidigten
spielend. .Hab ich denn nicht gleich gesagt beim Eintritt, es
ist nicht zu machen, daS Geschäft? Drum wartet, es drangt
Euch ja Niemand zu zahlen, und wenn die Leut im Dorfsagen, Ihr
habt Schulden — und lachen und spotten, so laßt fie schwatzen
und lacht auch. Wer hat keine Schulden? Weiß Gott, Kaiser
und König, und Fersten un Grafen find net schuldenfrei.'

.Bei solchen Herren ist da- etwas anderes, und unser einer
kann fich damit nicht vergleichen,' entgegnete der Maierbauer,
. bei dem in seinem weinerhitzten Zustande jetzt so etwas wie
. Bauernstolz erwachte. »Ich will nicht, daß man länger über
mich lacht, ich will die Hypotheken löschen lassen, und nie habe
ich etwa- gewollt, ohne daß ich es auch gethan hätte. Die
Leute sagen, wie Ihr mir erzähltet, ich und meine Bäuerin
seien hochmüthig? Gut — ich will eS ihnen beweisen, daß
ste sich an unS nicht irren; beweisen, daß unser Hochmuth ein
rechtlicher, ein reeller ist; und'wennmir dann noch einer
sagt, ich habe Hypotheken, so schlag ich ihm den Schädel ein.'
Bei diesen Worten trank er sein GlaS leer, bestellte eine frische
Flasche Wein, und stützte mit beiden Händen seinen Kopf, der
ihm immer schwerer zu werden begann.

»Ich weiß zwar nicht recht, von waS eigentlich die Rede
ist,' sagte jetzt der Mensch, der wie schon erwähnt, fich in der
Weinschenke an den Maierbauern gedrängt und ihm so lange
zugetrunken hatte, bis diesem der Kopf anfing warm zu wer-
den, »aber der Herr hat recht.' Dabei zeigte er auf den Halb-
trunkenen. »Ich, an seiner Stelle, würde auf Ehre auf ein
paar Tausend Gulden nicht sehen, um Jedem frei sagen zu
- können: Lump! ich Hab keine Hypotheken, sondern nur Schul-
den,' murmelte er lächelnd und unverständlich in den Bart.

»Mit Euch hat mer net gesprochen!' fiel diesem der Jude
in dir Rede. »Ich kenne Euch net, und der Maierbauer wahr-
scheinlich kennt Euch auch net. Deßhalb kehrt vor Eurer Thür
und laßt uns zufrieden.'

»Ei, man wird doch wohl auch noch ein Wort reden dürfen,'
meinte der Andere, fich beleidigt anstellend. »Wenn ich aber
da genire, so setze ich mich anderswo hin.' Dabei griff er
nach seinem Glase, erhob fich, und wollte den Tisch räumen.
Der Maierbauer aber hielt ihn zurück, und sagte in seiner
Gutmüthigkeit: .Ei, beleidigt den guten Freund da nicht; er
hat recht, und wie er spricht, so denke ich auch. Kommt
Lämmle, ich mache das Geschäft. Ein paar gute Vieh-
händel werden mir den Verlust ersetzen, aber meiner Bäuerin
dürft Ihr die unverschämten Procente, die ich geben
will — nicht weil ich muß, sondern lediglich weil ich will
— nicht namhaft machen.'

»Ei, der Lämmle war nie ein Schwätzer,' entgegnete der
Jude, der kaum befähigt war, seinen niedrigen Triumph zu
verbergen; dann flüsterte er dem Bauern zu: »aber weiß Gott,
Ihr sprecht so laut, daß Ihr lauft Gefahr, unser Geschäft
werde verrathen, bevor «S ist gemacht.'

,AH, pah! wer paßt wohl auf uns auf?' warf der Maier-
bauer leichtfertig hin, erhob fich und schritt unfichern Ganges
der Thüre zu. Ihm folgte der Jude, nachdem er mit seinem

! schändlichen Helfer einen Blick der vollsten Zufriedenheit gewech-
selt hatte. Der lächelte, zog mit dem Zeigefinger der rechten
Hand das untere Augenlid abwärts, schlug dabei mit der Linken
hinter dem Rücken des Bauern ein Schnippchen, und schob auch
bei dieser gemeinen Hohngrimasse auf einen Augenblick die Zun-
genspitze zwischen den roh geschnittenen Lippen hervor.

Der Anwalt deS Juden, nicht in München domicilirend,
wohnte in einem Gasthause daselbst, und bald trat der Jude
mit dem Bauern, dem der Geist des Weines in der freien
' Luft immer mehr den Kopf verwirrte, bei diesem Freunde des
Rechtes ein. Es war dies ein langer, hagerer Mann, der,
obgleich er erst einige dreißig Jahre zählte, für viel älter
gehalten werden konnte. Unter seine pechschwarzen Haare
mengten fich bereits viele graue. Die Farbe seines Gefichtes
war gelb, seine Brust enge und hektisch wie sein ganzer Körper-
bau. Ein spärliches kleines Bärtchen beschattete seine blaffen
Lippen, mit welchen er seine Cigarre hielt, die er nie, außer
bei Tisch und vor dem Einschlafen weglegte.

Einen ungemeinen Contrast mit der abgelebten welken Gestalt
deS Advokaten, bildeten die lebhaften großen Augen desselben,
die voll Intelligenz um fich blickten. Auf den Gruß des Juden:
.Guten Tag, Ihr Gnaden Herr Doktor,' antwortete er mit
einem kaum merklichen Kopfnicken, indem sein scharfer Blick wie
ein Blitz die Eingetretenen überflog. Dann lehnte er fich behag-
lich in dem Lehnstuhle, in dem er saß, zurück, kreuzte die Beine
und zog seinen Pclzschlaftock besser zusammen, trotz der Tempera-
tur des Zimmers, die einige zwanzig Wärmegrade halten mochte.

Mit gekrümmtem Rücken und unter kurzem verständlichem
Vortrage brachte nun der Jude sein Gesuch an den Mann. AlS
der Anwalt genug zu wissen glaubte, winkte er mit der Hand,
und wendete fich in leisem Tone — als fürchte er durch ein lautes
Sprechen seine Brust anzugreifen — zu dem Bauern.

»Habt Ihr Euren Steuerkataster bei Euch?'

.Ja Ihr Gnaden,' antwortete der Bauer, ganz von Respekt
durchdrungen, und reichte daS Verlangte dem Anwalt hin.
Um fich gehörig zu infinuiren, brauchte der Anwalt kaum
einige Minuten, nahm dann einen der Summe entsprechenden
Gradationsstempel zur Hand, und verschrieb dem Lämmle, der
hier als Darleiher aufgeführt wurde, auf die besten Parcellen
des Maierbauern, die in dem Steuerkataster unter den ersten
Bonitätsklassen standen, die Summe von 18,000 fl., rückbezahl-
bar auf Jahr und Tag — unverzinslich. Rasch ward
die legale Verschreibung, die dem Juden alle nur möglichen
Vortheile einräumte, unter der gewandten Hand des Advokaten
gefertigt, der fich dann an den Juden wendete und ihn fragte:
.Habt Ihr daS Hypothekenbuch eingefthen, und seid Ihr ver-
fichert, daß auf dem Eigenthume des Maierbauern kein höheres
Kapital haftet, als die angegebenen 15,000 fl., und daß ferner
die Euch hier eben verschriebenen Parcellen ftei find?'

.Nein, Ihr Gnaden,' entgegnete der gleisnerische Jude,
der sich bereits wohlweislich unter der Hand die
Einsicht in das Hypothekenbuch zu erwerben ge-
wußt, und auch schon längst seine Mittheilungen deßhalb dem
Advokaten gemacht hatte.
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