Fliegende Blätter (50.1869 (Nr. 1225-1250))

Unter dem Flieder.

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Unter dem Flieder, unter dem Flieder,

Da saßen sie tief in die Nacht hinein,

Ihr Herz, das pochte so stürmisch an's Mieder,

Sein Auge, das flammte wie Jrrlichtschein.

Hier schwur er ihr Liebe und Treu' bis an's Grab,
Sie aber gab

Die Schwüre mit Küssen ihm wieder.

Unter dem Flieder.

Unter dem Flieder, unter dem Flieder,

Da saß sie im Mondenschein ganz allein,

Ihr Haar, das floß in den Schooß ihr nieder
Und Thränen fielen in's Gras hinein,

Hier rang sie die Hände in bitterem Leid,

Er aber war weit,

Saß zechend im Kreise der Brüder
Unter dem Flieder.

Unter dem Flieder, unter dem Flieder
Da ward es gefunden das blutige Lein,

Wie sie es entrollten, da lagen die Glieder
Des armen Knäblcins gewickelt darein.

Und als man sie führte den traurigen Gang
Bei des Glöcklein's Klang,

Sank ohne Leben sie nieder
Unter dem Flieder.

Unter dem Flieder, unter dem Flieder,

Da steht ein hölzernes Kreuz allein,

Wen drunten umschattet des Todes Gefieder,

Das kündet kein Denkmal, das meldet kein Stein,
Der Blinde, der dort jetzt vorüberschleicht,

Er sagt's Euch vielleicht,

Er knieet oft stundenlang nieder
Unter dem Flieder.