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„Keine faden Schmeicheleien, mein Herr!"
„Nein, nein, durchaus nicht."
„Nunwohl, dann sollen Sie auch einen Strauß haben,
bevor Sie von hier scheiden, und ich will es Ihnen über-
lassen, die Blumen dafür zu wählen."
Ich sah sie recht ernst an.
„Würden Sie wirklich mir einen solchen Strauß binden?"
fragte ich, und es lag etwas mehr in meinem Tone, als eine
freundschaftliche Höflichkeit. „Würden Sie es auch daun
thun, wenn ich — “
„Still, still, mein Herr," fiel sie mir rasch iu's Wort,
und ich sah, daß sie vor meinem Blick uuwillkührlich die
Augen senkte, „auf eingehende Erörterungen lasse ich mich
jetzt nicht ein."
Sie eilte von dannen; gedankenvoll kehrte ich iu's
Haus zurück.
„Nun?" fragte der alte Herr ungeduldig, als ich iu's
Zimmer trat.
Ich zuckte die Achseln.
„Ah — sie will mit der Sprache nicht herausrücken?"
„Nein."
„Desto besser!"
Auf weitere Erklärungen ließ ich mich nicht ein, ich konnte
sie auch nicht geben, Klara war ja meinen Fragen so ge-
wandt ausgewicheu, daß ich selbst im Dunklen tappen mußte.
Die eingeladenen Gäste erschienen. Ein Gutsbesitzer, ein
Oekonomie-Verwalter, ein Arzt und der Sohn des Commer-
zienraths Feldhaus — vier Herren, von denen keiner ahnte,
welcher Leckerbissen ihm aufgctischt werden sollte.
Klara's Vater entschuldigte die Hausfrau, die ich noch
nicht gesehen hatte, die aber auch in der Thal nicht vermißt
wurde, da Klara, das muntere, liebenswürdige Mädchen,
die Honneurs so sein und gewandt machte, daß ich mich er-
staunt fragte, ob diese junge, elegante Dame, die sich so
sicher und graciös bewegte, dasselbe schlichte, einfache Mädchen
sei, mit welchem ich so vertraulich mich unterhalten hatte.
Wir aßen die Suppe, und Herr Rennborn erlaubte sich
zwischen dem ersten und zweiten Gange das Gespräch auf
den Thierschutzverein zu bringen.
Ich bemerkte, während alle übrigen Herren den Ideen
des Vereins, seiner Entstehung und den Zwecken, die er ver-
folgte, ihm volle Anerkennung zu Theil werden ließen, aus
den Lippen des Herrn Feldhaus ein etwas höhnendes Lächeln, %
welches mich, der ich ohnehin gegen diesen flachsköpsigeu Elegants
erbittert war, empörte. //~
„Und was sagen Sie zu diesen Ideen?" fragte Rcnn-
born den jungen Flachskopf, der mit seinen ausdruckslosen^
wässerig blauen Augen uns Alle angestiert hatte, just als ob |J
er fragen wolle, ob denn nicht einer von uns so vernünftig
sei, dem Unsinn entgegenzutreten. |f
„Ich?" fragte Herr Feldhaus, durch die directe Frage!?
einigermaßen verwirrt. „Bah, ich halte die ganze Geschichte"
für eine unnütze Zeit- und Geldverschwendung, bei der nichts
Vernünftiges herauskommen kann. Die Natur hat jedem
Eine unfreiwillige Fahrt.
Thiere ein Vertheidigungsmittel gegeben, mit welchem es selbst
sich schützen kann; wozu also noch ein Thierschutzverein?"
Ueber das Gesicht Rennborn's glitt ein drohender Schatten,
es war ein Gewitter im Anzuge.
Jetzt wurde der Sauerbraten aufgetragen.
Der alte Herr tranchirte ihn und blickte mit einem
Lächeln stolzer Selbstzufriedenheit auf seine Gäste, die insge-
sammt recht wacker einhieben. Ich muß gestehen, daß ich
nicht ohne ein gewisses Vorurtheil den ersten Bissen zum
Munde führte, aber nachdem ich ihn genossen hatte, hielt ich
es für meine Pflicht, dem wohlschmeckenden Braten alle Ehre
zu erzeigen. Endlich legte Herr Nennborn Messer und Gabel
hin; ich erricth, was er wollte, und wenn er meinem Rathe
gefolgt wäre, würde er die Ueberraschung bis nach Tisch auf-
gehoben haben.
Aber er hoffte, einen Triumph zu feiern, der zum Theil
mit einer Niederlage enden sollte.
In einer kurzen Rede erging er sich über die kultur-
historische Bedeutung des Pferdes, darauf sprang er über zu
national-ökonomischen Betrachtungen über den Werth dieses
Thieres und endlich schloß er mit der Erklärung, daß er sich,
um die Wahrheit seiner Behauptungen zu beweisen, erlaubt
habe, seinen Gästen einen Pferdebraten vorzusetzen, der, wie
er mit großer Genugthuuug bemerke, ihnen allen ausge-
zeichnet munde.
„(juoä orat äöiuoiwtrauämn!" sagte der Doctor phleg-
matisch, während er das vierte Stück von der Schüsiel nahm,
um es mit großem Behagen zu verspeisen.
Auch der Oekonomieverwalter ließ sich nicht abschrecken.
Er meinte nur, während er ein neues Stück nahm,
wenn er das früher gewußt habe, würde er das Fleisch mit
mehr Verstand gegessen haben. Der Sohn des Commerzien-
raths aber war kreideweiß geworden, sein Blick ruhte stier
auf dem Gutsbesitzer, während die Hände krampfhaft Gabel
und Messer gefaßt hielten.
„Ich danke für dieses Gastmahl," sagte er endlich barsch,
„wenn ich zu einem Pferdefleisch-Essen gehen will, so kann
„Keine faden Schmeicheleien, mein Herr!"
„Nein, nein, durchaus nicht."
„Nunwohl, dann sollen Sie auch einen Strauß haben,
bevor Sie von hier scheiden, und ich will es Ihnen über-
lassen, die Blumen dafür zu wählen."
Ich sah sie recht ernst an.
„Würden Sie wirklich mir einen solchen Strauß binden?"
fragte ich, und es lag etwas mehr in meinem Tone, als eine
freundschaftliche Höflichkeit. „Würden Sie es auch daun
thun, wenn ich — “
„Still, still, mein Herr," fiel sie mir rasch iu's Wort,
und ich sah, daß sie vor meinem Blick uuwillkührlich die
Augen senkte, „auf eingehende Erörterungen lasse ich mich
jetzt nicht ein."
Sie eilte von dannen; gedankenvoll kehrte ich iu's
Haus zurück.
„Nun?" fragte der alte Herr ungeduldig, als ich iu's
Zimmer trat.
Ich zuckte die Achseln.
„Ah — sie will mit der Sprache nicht herausrücken?"
„Nein."
„Desto besser!"
Auf weitere Erklärungen ließ ich mich nicht ein, ich konnte
sie auch nicht geben, Klara war ja meinen Fragen so ge-
wandt ausgewicheu, daß ich selbst im Dunklen tappen mußte.
Die eingeladenen Gäste erschienen. Ein Gutsbesitzer, ein
Oekonomie-Verwalter, ein Arzt und der Sohn des Commer-
zienraths Feldhaus — vier Herren, von denen keiner ahnte,
welcher Leckerbissen ihm aufgctischt werden sollte.
Klara's Vater entschuldigte die Hausfrau, die ich noch
nicht gesehen hatte, die aber auch in der Thal nicht vermißt
wurde, da Klara, das muntere, liebenswürdige Mädchen,
die Honneurs so sein und gewandt machte, daß ich mich er-
staunt fragte, ob diese junge, elegante Dame, die sich so
sicher und graciös bewegte, dasselbe schlichte, einfache Mädchen
sei, mit welchem ich so vertraulich mich unterhalten hatte.
Wir aßen die Suppe, und Herr Rennborn erlaubte sich
zwischen dem ersten und zweiten Gange das Gespräch auf
den Thierschutzverein zu bringen.
Ich bemerkte, während alle übrigen Herren den Ideen
des Vereins, seiner Entstehung und den Zwecken, die er ver-
folgte, ihm volle Anerkennung zu Theil werden ließen, aus
den Lippen des Herrn Feldhaus ein etwas höhnendes Lächeln, %
welches mich, der ich ohnehin gegen diesen flachsköpsigeu Elegants
erbittert war, empörte. //~
„Und was sagen Sie zu diesen Ideen?" fragte Rcnn-
born den jungen Flachskopf, der mit seinen ausdruckslosen^
wässerig blauen Augen uns Alle angestiert hatte, just als ob |J
er fragen wolle, ob denn nicht einer von uns so vernünftig
sei, dem Unsinn entgegenzutreten. |f
„Ich?" fragte Herr Feldhaus, durch die directe Frage!?
einigermaßen verwirrt. „Bah, ich halte die ganze Geschichte"
für eine unnütze Zeit- und Geldverschwendung, bei der nichts
Vernünftiges herauskommen kann. Die Natur hat jedem
Eine unfreiwillige Fahrt.
Thiere ein Vertheidigungsmittel gegeben, mit welchem es selbst
sich schützen kann; wozu also noch ein Thierschutzverein?"
Ueber das Gesicht Rennborn's glitt ein drohender Schatten,
es war ein Gewitter im Anzuge.
Jetzt wurde der Sauerbraten aufgetragen.
Der alte Herr tranchirte ihn und blickte mit einem
Lächeln stolzer Selbstzufriedenheit auf seine Gäste, die insge-
sammt recht wacker einhieben. Ich muß gestehen, daß ich
nicht ohne ein gewisses Vorurtheil den ersten Bissen zum
Munde führte, aber nachdem ich ihn genossen hatte, hielt ich
es für meine Pflicht, dem wohlschmeckenden Braten alle Ehre
zu erzeigen. Endlich legte Herr Nennborn Messer und Gabel
hin; ich erricth, was er wollte, und wenn er meinem Rathe
gefolgt wäre, würde er die Ueberraschung bis nach Tisch auf-
gehoben haben.
Aber er hoffte, einen Triumph zu feiern, der zum Theil
mit einer Niederlage enden sollte.
In einer kurzen Rede erging er sich über die kultur-
historische Bedeutung des Pferdes, darauf sprang er über zu
national-ökonomischen Betrachtungen über den Werth dieses
Thieres und endlich schloß er mit der Erklärung, daß er sich,
um die Wahrheit seiner Behauptungen zu beweisen, erlaubt
habe, seinen Gästen einen Pferdebraten vorzusetzen, der, wie
er mit großer Genugthuuug bemerke, ihnen allen ausge-
zeichnet munde.
„(juoä orat äöiuoiwtrauämn!" sagte der Doctor phleg-
matisch, während er das vierte Stück von der Schüsiel nahm,
um es mit großem Behagen zu verspeisen.
Auch der Oekonomieverwalter ließ sich nicht abschrecken.
Er meinte nur, während er ein neues Stück nahm,
wenn er das früher gewußt habe, würde er das Fleisch mit
mehr Verstand gegessen haben. Der Sohn des Commerzien-
raths aber war kreideweiß geworden, sein Blick ruhte stier
auf dem Gutsbesitzer, während die Hände krampfhaft Gabel
und Messer gefaßt hielten.
„Ich danke für dieses Gastmahl," sagte er endlich barsch,
„wenn ich zu einem Pferdefleisch-Essen gehen will, so kann
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eine unfreiwillige Fahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Tischgesellschaft <Motiv>