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O

Der Uhrmacher von Skraßburg.

(Schluß.)

Das fürchterliche, ungerechte Urtheil war dem unglücklichen
Meister eröffnet und — des andern Tages an ihm vollzogen
worden. Vergebens hatte er seine Richter um den Tod gebeten,
j das „weißlich und reifflich bedacht Urthel" konnte und durfte
nach damaligen Gesetzen nicht abgeündert werden. Verzweiflung
im Herzen erduldete er die furchtbare Qual, die ihn einem
! Leben überlieferte, das für ihn gleichbedeutend mit Tod bei
lebendem Leibe war, einem Leben der Unthätigkeit gerade jetzt,
>vo er gehofft hatte, alle die riesigen Plane, die seinem stets
Neues erzeugenden gewaltigen Geiste noch vorschwebten, aus-
führen zu können.

Eine unendliche Bitterkeit erfüllte die Seele des so vor-
trefflichen, so edlen Mannes, denn er ahnte wohl den wahren
Beweggrund seiner Verurtheilung.

Schweigend, keine Thräne in den erloschenen Augen, war
er nach vollzogenem Urtheil vor dem Rathe gestanden, der sich
zur Vervollständigung der Prozeßakten zu überzeugen hatte, ob
die ausgesprochene Strafe „nach Recht und Gerechtigkeit" aus-
l geführt worden sei. Zugleich sollte ihm heute, wie zum Hohne,
die bedungene Suinme für sein Werk übergeben werden, doch
Isaak weigerte sich, „den Kaufpreis seines Augenlichtes" anzu-
uehmcn; mit stolzer Geberde wies er das Geld zurück, „denn,"
sagte er, „ich will als Bettler meine undankbare Vaterstadt
verlassen, die mich so elend gemacht!"

„Wie Ihr wollt, doch die Uhr bleibt hier," antwortete
ihm der Ammeister, „denn der Handel ist rechtskräftig abge-
schlossen! Zudem solltet Ihr dem Rathe danken, daß er Euch
so mild bestrafte und nicht auch die Hand noch nahm, denn,"
fügte er wie höhnend bei, „Ihr braucht sie ja nothwendig, um
auch für andere Städte solche Uhren zu bauen, wie Ihr sie
Eurer Vaterstadt fertigtet!"

Isaak zuckte zusammen; krampfhaft ballte sich seine Faust,
j als er die Worte hervorpreßte: „Ja, Ammeister, ich danke Euch,
I daß Ihr mir die Hand ließet, denn nothwendig brauche ich sie
noch zu einem Werke, um," setzte er rasch bei, „den Bettel-
stab zu führen. Doch zwei Bitten habe ich noch an Euch, be-
vor ich für immer aus Straßburg scheide: Sendet nach meiner
Braut, sic möge mir ihre Augen leihen und mich führen auf
meinem fortan dunklen Wege — und dann laßt mich noch
einmal in Begleitung eines Rathsmitgliedes zu meiner — zu
Eurer Uhr führen. Ein kleiner Fehler, der sich beim Eintritt
eines Schaltjahres äußern würde, ist leicht nach meinen Angaben
zu verbessern!" Gerne willfahrte der Ammeister. Schluchzend
warf sich Gertrud an Isaaks Brust und Thrüncn, wie sie sic
nie geweint, entströmten ihren Augen, als sie ihm die Hand
bot, um ihn wegzuführen von der Stätte des Frevels.

Der Rathshcrr Wolfram Günzcr war von den Rathsmit-
gliedern erwählt worden, mit Isaak behufs der Verbesserung
des angezcigten Fehlers zum Münster zu gehen, denn Günzer,
der selbst die Uhrmacherkunst erlernt hatte, war jedenfalls die
hierzu am meisten geeignete Persönlichkeit.

Gestützt auf seine treue Gertrud stand der blinde Meister
vor dem Werke, das er mit so viel Liebe erdacht und erschaffen
hatte. Wie eine Mutter dem Schlafe ihres Kindes, so lauschte
Isaak dem ruhigen, gleichmäßigen Gange der Pendelbewegungcn;
Alles war in bester Ordnung, nicht die geringste Störung war
eingetreten seit er vor drei Monaten zum letzten Male vor
seinem Werke gestanden. Ein Zittern überkam ihn, denn jetzt
war der Augenblick gekommen, wo er das eine Werk noch
ausführen wollte, zu dem er seiner Hand bedurfte. Doch rasch
ermannte er sich; er mußte stark sein, denn es galt die Be-
strafung des schwärzesten Undanks.
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