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Im Urwald.

Ach! allzudicht war mir die Fülle
Des Walds, zu fremd die Vogelstimmen,

Nicht konnte durch die grüne Hülle
Mein Auge auf zum Himmel klimmen;

Das Rauschen in den Riesenbäumen,

Gleich einem Donner traf's mein Ohr,

Ich war so klein in diesen Räumen,

Daß ich die eig'ne Spur verlor.

Jetzt ist es licht, die bunten Strahlen
Der Sonne schießen hin und wieder.

Und all des Herzens bange Qualen
Verflücht'gen sich in leichte Lieder.

Jetzt ist es licht, ein gold'ner Regen
Von Blättern stiebt mir um das Haupt,

Und Wünsche fühl' ich neu sich regen.

Die längst vergessen ich geglaubt.

Mir ist's, als hört' ich Harfenklänge,

Wenn mir jetzt rauscht die Sycamorc,

Wie auf verschollene Gesänge
Lausch' ich dann mit entzücktem Ohre.

Ich möchte mit den Sangsgenossen
Eintreten neu in Reih' und Glied,

Um einen Lenz, der längst verflossen.
Zurückzuzaubern mir im Lied.

2.

Der Menschen Hütten liegen hinter mir,

Die winz'gen Plätze, wo die Axt gelichtet,

Vor mir der Wald in seiner vollen Zier,

Und Stamm an Stamm zum Himmel aufgerichtet.
Kein Sonnenstrahl ist kräftig da genug,

Daß er durch diese Nacht von Blättern dränge.

Noch ist geschmiedet nicht der starke Pflug,

Der dieser Bäume Lebenskraft bczwänge.

Kein abgestorb'ner Stamm fällt hier zu Grund,

Ihn stützen, immer rüstig, die Genossen;

Sein Tod wird selbst den Nachbarn ofl nicht kund,
Denn ihn ersetzen seine krüft'gen Sprossen.

Die wilde Rebe schlingt die Ranken noch.

Die weitverschlung'nen, um die morsche Leiche,

Und die Trompetenblume blühet doch,

Ist auch vom Blitz zerschellt ihr Stab, die Eiche.

Von Schilf und Silberweiden eingefaßt

Schlingt sich durch's Dickicht dort des Baches Faden,

Der Kranich ist sein oft geseh'ner Gast,

Von reicher Beute allezeit geladen.

Brüllfrosch und Unke lassen abendlich
Ihr Lied ertönen aus des Wassers Schooße,

Doch oben auf der Fläche tummeln sich
Die wilde Ente und die Wasserrose.

Wie friedlich rings und wie unendlich reich
An mannigfaltig wechselnden Gestalten!

Was kommt an Schönheit dir, Natur, wohl gleich,
Wenn du vor'm Menschenaug' dich willst entfalten
Wie klingt es lieblich, wenn die Melodie'n
Von tausend Vögeln durch die Lüfte schallen!

Wie liegt das Herz andächtig auf den Knie'n,
Wenn hoch im Blau der Bäume Wipfel wallen!

Urwald! o nimm' mich auf in deinen Schooß,

Laß wie ein Kind mich Schmetterlinge haschen,

Und dein Gcthier auf seinem Bett von Moos
Mit ncubegier'gcn Augen überraschen!

Die Thräne fächle mir vom Angesicht,

Die manchmal ich vergang'ner Zeit noch weine.
Und ist mein Auge wieder klar und licht.

Dann leih' zu einem Haus mir Holz und Steine

Wenn der Orkan dann durch die Bäume fegt,
Geheime Zwiesprach mit der Welt zu halten.

Wenn donnernd hier die Eiche niederschlägt
Und dort die Erde klafft in weiten Spalten:
Einstimmen will ich dann in gleichem Ton,

Will die Natur in meine Reime zwingen.

Ein grimmes Lied der Revolution

Und einen Hymnus auf die Freiheit singen.

3.

Nacht ist's; im dunkeln, urewigen Blau
Ergeh'n sich die leuchtenden Sterne,

Die Luft vom See umlispelt mich lau.

Die Nachtviolen triefen von Thau,

Der Wald rauscht leis in der Ferne;

Jetzt rauscht er leiser, jetzt wird er still.

Der Uhu nur wacht und der Whip-poor-will.

Ich wandle allein in der einsamen Nacht
Und fühle mich doch nicht verlassen,

Denn was ich gethan und was ich vollbracht.
Und was ich in einsamen Stunden gedacht,
Bleibt treu mir auf jeglichen Straßen;

Es geben die Geister vergangener Zeit
Mir über den Erdball ihr still Geleit.

Und ob ich wandle am grünen Rhein,

Ob hoch auf dem Meer ich schwanke.

Im Sonnenbrand und im Nordlichtsschein,
Selbst in Dakota's Wüstenei'n,

Stets bleibt mir treu der Gedanke;

Wie jetzt am Erie, klingt einst mein Vers
Vielleicht zum Rauschen des stillen Meers.

Und trüben auch Wolken an manchem Tag
Die lachenden Sonnenlichter,

Sie stören doch nicht, mag kommen was mag.
Der Seele ruhigen Wellenschlag, —

Das ist das Vorrecht der Dichter;
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